Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Mahnmal gibt dem dunklen Kapitel Zwangsarbeit ein Gesicht

Aleksej Belov, Pavel Chrebor, Anatolij Bachacev, Nikolaj Evdokimov (Repro: Stadtarchiv Heidelberg) und Vasilij Skorkin: Keiner von ihnen war älter als 21 Jahre. Und sie alle wurden 1944 in Heidelberg hingerichtet, nachdem man sie aus Russland und der Ukraine zur Zwangsarbeit an den Neckar verschleppt hatte. Jetzt erinnert ein Mahnmal des Künstlers Michael Lingrên auf dem Gelände der ehemaligen Fuchs Waggonfabrik im Stadtteil Rohrbach an die Opfer des NS-Regimes. 70 Jahre nach Kriegsende, am 8. Mai, übergaben Heidelbergs Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner und Mirko Geiger, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Heidelberg, das Kunstwerk der Öffentlichkeit.

In der Neckarstadt gab es in der NS-Zeit etwa 12 000 bis 15 000 Zwangsarbeiter. Sie wurden in der Landwirtschaft, in Industrie, Hotellerie und Gewerbe, in der Stadtverwaltung, bei den Stadtwerken, an der Universität sowie in Privathaushalten zur Arbeit gezwungen. Insgesamt mussten zwischen 1939 und 1945 in Deutschland mehr als zwölf Millionen Menschen aus allen Teilen Europas – vor allem aus Polen, Weißrussland, Russland und der Ukraine – Zwangsarbeit leisten.

„Der Einsatz dieser Menschen erfolgte weder freiwillig noch unter humanen Bedingungen. Dass dies nicht vergessen wird, daran soll uns dieses Mahnmal erinnern“, sagte Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner bei der Übergabe am 8. Mai: „Das traurige Schicksal der fünf jungen Männer erinnert daran, unter welch bedrückenden Umständen Tausende Menschen zwischen 1933 und 1945 in Heidelberg zwangsweise arbeiten und leiden mussten.“

Auch Mirko Geiger, Erster Bevollmächtigter der IG Metall, verneigte sich vor den Opfern: „70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs können wir hier und heute im Gedenken an fünf ermordete Zwangsarbeiter, an fünf ermordete Kollegen, ein Mahnmal der Öffentlichkeit übergeben, um damit der folgenden Generation Erinnerung und Mahnung zugleich mit auf den Weg zu geben.“ Der 8. Mai sei als Übergabetermin bewusst gewählt: „Spätestens seit der großen Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 gilt auch in Deutschland der 8. Mai als Tag der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“

Trotz umfassender Recherchen des Stadtarchivs sind die genauen Umstände der Hinrichtung vom 28. August 1944 nicht mehr gänzlich zu klären. Die Ernährungs- und Lebenssituation der Zwangsarbeiter war jedenfalls äußerst schlecht. Grund der Verurteilung zum Tod soll die Entwendung von Lebensmitteln aus einem Güterzug während eines Fliegerangriffs gewesen sein.

Zur Abschreckung mussten 50 bis 80 Zwangsarbeiter der Hinrichtung zusehen. Anwesend waren Abordnungen der Deutschen Arbeitsfront (DAF), von Gestapo, Polizei und NSDAP sowie einige Mitarbeiter der Firma Fuchs. Gefesselt wurden die fünf Männer vorgeführt, keiner darunter älter als 21 Jahre: Aleksej Belov aus Kuznecov/Russland (21 Jahre), Pavel Chrebor aus Trostjanc/Ukraine (21 Jahre), Anatolij Bachacev aus Kiev/Ukraine (21 Jahre), Nikolaj Evdokimov aus Novoderevnja/Russland (20 Jahre) und Vasilij Skorkin aus Ponory/Russland (19 Jahre). Ein weiterer junger Mann musste die Hinrichtung ausführen. Als Todesursache wurde in den amtlichen Sterberegistern „Erstickungstod“ angegeben. Auch wenn die Ermordung der fünf Männer nur eine schreckliche Episode des dunklen Kapitels Zwangsarbeit darstellt, gibt sie dem Thema in Heidelberg doch ein konkretes Gesicht.

Entworfen hat der Bildhauer und Maler Michael Lingrên das 3,50 Meter hohe Mahnmal, das jetzt der Öffentlichkeit übergeben wurde. Es steht auf dem Gelände der ehemaligen Fuchs Waggonfabrik AG, des heutigen Quartiers am Turm. Auf fünf Stahlbeinen ruht ein rundes Kopfteil, das aus fünf mit Stacheldraht umwickelten Stahlbögen besteht. Unter dem Kopfteil sind fünf trapezförmige Rahmen angeordnet mit den Namen der fünf ermordeten Männer. Auf einer Gedenktafel darunter werden die Ereignisse der Hinrichtung beschrieben. Sowohl die Namen als auch die Gedenktafel sind in lateinischer und in kyrillischer Schrift gehalten. „Das Mahnmal soll ein Gedenken an das persönliche Schicksal der Hingerichteten sein und eine Mahnung an die Zukunft, dass solche Gräueltaten nicht anonym sondern mit Namen, mit Schicksalen verbunden sind“, so Michael Lingrên über seine Konzeption.