Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Die Rückkehr der Papstbulle

Von Oliver Fink

Eine verschollen geglaubte Papstbulle aus der Gründungszeit der Universität Heidelberg (Foto: Universitätsarchiv), die bei einem privaten Zufallsfund in den USA zum Vorschein kam, ist nunmehr an die Ruperto Carola zurückgekehrt. Mit Diplomatenkurier und einem Spezialtransport wurde das mittelalterliche Dokument, das in der Nachkriegszeit aus dem Universitätsarchiv verschwunden war, nach Heidelberg und von hier zunächst in die Restaurierungswerkstatt des Landesarchivs in Ludwigsburg gebracht. Jetzt befindet sich das kostbare Dokument aus dem 14. Jahrhundert wieder in den Beständen des Universitätsarchivs und wurde erstmals öffentlich gezeigt.

Mit der Urkunde setzte Papst Urban VI. am 2. August 1387 die Dekane von Konstanz, St. Andreas in Köln und Neustadt von seinem am gleichen Tag ausgestellten Privileg in Kenntnis, durch welches er die an der Heidelberger Universität weilenden Geistlichen auf fünf Jahre von der Präsenz am Orte ihrer Pfründen befreite. Wie viele Geistliche bezogen auch die an einer mittelalterlichen Universität lehrenden Kleriker Einkünfte aus Kirchen, die sich nicht am Ort ihrer Tätigkeit befanden, sodass eine entsprechende Abwesenheitsregelung, wie sie hier beschlossen wurde, notwendig war.

Bei einer Revision des Heidelberger Universitätsarchivs im Dezember 1947 und Januar 1948 entdeckte man, dass insgesamt acht mittelalterliche Urkunden fehlten. Neben der wieder aufgefundenen Papstbulle handelte es sich um zwei weitere päpstliche sowie fünf pfalzgräfliche Urkunden aus der Gründungszeit der Ruperto Carola, aus den Jahren 1386 bis 1389. Fest steht, dass diese Dokumente im Sommer 1942 wegen der erhöhten Gefahr durch Fliegerangriffe zusammen mit weiteren Archivbeständen und alten Handschriften der Universitätsbibliothek in das Schloss Zwingenberg am Neckar evakuiert und 1944 in das Salzbergwerk Heilbronn umgelagert wurden.

Lediglich das wertvollste Dokument aus dem Universitätsarchiv, die pfalzgräfliche „Gründungsurkunde“ vom 1. Oktober 1386, war bereits zu Kriegsbeginn ausgelagert und 1942 mit den Reichskleinodien des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg vor Luftangriffen in Sicherheit gebracht worden. Diese Urkunde wurde bei der Revision zwar auch als „fehlend“ aufgeführt, kehrte aber bereits im Laufe des Jahres 1945 nach Heidelberg zurück und konnte Mitte der 1950er-Jahre wieder in die Bestände des Archivs eingegliedert werden.

Was mit den Dokumenten zwischen der kriegsbedingten Auslagerung und der Revision am Jahreswechsel 1947/48 passierte, lässt sich bislang nicht eindeutig rekonstruieren. Bei der Präsentation der Papstbulle, an der auch mehrere Historiker teilnahmen, kam die Rede immer wieder auf den Hollywood-Spielfilm „Monuments Men“, der sich um die gleichnamige Spezialeinheit der US-Streitkräfte dreht, die im Zweiten Weltkrieg Kunstschätze in Deutschland aufspüren und sichern sollte und die dabei auch ins Salzbergwerk Heilbronn vordrang. Der Verlust der Urkunden könnte allerdings auch später während der Heidelberger Besatzungszeit eingetreten sein, betonte Archivdirektor Dr. Ingo Runde bei der Präsentation.

Sicher ist nur, dass die Papstbulle Jahrzehnte danach in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri auf einem privaten Dachboden wiederentdeckt wurde. Wie die Urkunde dort hingelangt ist, bleibt ein Rätsel. Die Finderin nahm, nachdem sie von Experten des Institute of Jesuit Sources in St. Louis über die Herkunft aufgeklärt worden war, Kontakt mit dem Universitätsarchiv Heidelberg auf. Im Januar 2014 konnte die Urkunde schließlich dem deutschen Generalkonsul in Chicago übergeben werden.

Obwohl die Bulle über Jahrzehnte vermutlich nicht fachgerecht gelagert wurde, befand sie sich bei ihrer Rückkehr aus den Vereinigten Staaten in einem relativ guten Zustand, so Dr. Anna Haberditzl. Die stellvertretende Leiterin des Instituts für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut des Landesarchivs Baden-Württemberg in Ludwigsburg erläuterte, wie das Dokument aus den Verklebungen eines früheren Bilderrahmens gelöst und „plan“ gelegt wurde, um die Spannung aus dem Pergament zu nehmen. Die Papstbulle wurde gereinigt und anschließend über einen längeren Zeitraum getrocknet. Ein durch die Lagerung im Rahmen entstandener Spannungsriss in der Mitte der Urkunde konnte geschlossen werden. Anna Haberditzl verwies darauf, dass auch die eigentliche päpstliche Bulle, also das Bleisiegel an einer Hanfschnur, „verblüffend gut erhalten“ sei.

Nach der Rückkehr konnte die Papstbulle wieder in die Bestände des Universitätsarchivs eingegliedert werden, wo sie nun unter klimatisch günstigen Bedingungen im Magazintresor gelagert wird. Das Dokument hat nach den Worten von Ingo Runde vor allem einen hohen ideellen Wert. Da laut alter Inventarlisten die Bulle zusammen mit den anderen vermissten Urkunden verwahrt und vermutlich auch gemeinsam verpackt vor den Angriffen evakuiert worden war, verknüpft der Heidelberger Archivdirektor das überraschende Auftauchen in den USA mit der Hoffnung, dass vielleicht noch weitere verloren geglaubte Stücke entdeckt werden könnten: „Der zeitliche Zusammenhang spricht dafür, dass sie unmittelbar zusammen aufbewahrt wurden und damit möglicherweise auch gemeinsam den Weg über den Atlantik genommen haben.“

Siehe auch: „Papstbulle von 1387 lagerte auf dem Dachboden“