Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

„Manchmal rasen wir bergab, schreiend vor Begeisterung“

Für sein Essay „Der Drahtesel. Die letzte humane Technik“ (in: „Die Philosophie des Radfahrens“, Mairisch Verlag 2013) hat Maximilian Probst den mit 10 000 Euro dotierten Clemens Brentano Preis für Literatur der Stadt Heidelberg erhalten. Probst nahm die Auszeichnung Mitte Juli aus den Händen von Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner im Palais Prinz Carl entgegen (Foto: Philipp Rothe). Die Jury würdigte in ihrer Begründung die kreative und gewagte Auseinandersetzung Probsts mit der Philosophie des Radfahrens: „Der Autor zeigt im ironischen Spiel mit der Sprache eine andere Haltung zur Welt in Fragen der Technik und Umwelt frei assoziierend auf.“

Der Heidelberger Clemens-Brentano-Förderpreis wird seit 1993 jährlich im Wechsel in den Sparten Erzählung, Essay, Roman und Lyrik an deutschsprachige Autorinnen und Autoren vergeben, die mit ihren Erstlingswerken bereits die Aufmerksamkeit der Kritik wie des Lesepublikums auf sich gelenkt haben. Der Preis ist deutschlandweit einmalig, da die Jury sowohl mit professionellen Literaturkritikerinnen und -kritikern als auch mit Studierenden des Germanistischen Seminars der Ruperto Carola besetzt ist.

Die Journalistin und „taz“-Redakteurin Friederike Gräff unterstrich in ihrer Laudatio Probsts Fähigkeit, den Bogen vom Alltäglichen ins Grundsätzliche zu schlagen, das Leichte und den Sinn für große Fragen miteinander zu verbinden. Gräff: „Auf den ersten Blick ist es sonderbar, dass ein Text, der uns sagt, dass das Leben anstrengend ist, es vielleicht sogar sein muss, so erleichternd ist. Und doch ist es so. Wir müssen das Mühselige, die Erschöpfung, das Scheitern und die Traurigkeit nicht als unser persönliches Versagen begreifen und schamhaft verschweigen in der Vorstellung, dass nur unser Leben so unvollkommen ist. Wir fahren Fahrrad. Manchmal ist die Strecke holprig, manchmal steil, manchmal müssen wir absteigen. Manchmal rasen wir bergab, schreiend vor Begeisterung.“

Oberbürgermeister Eckart Würzner verwies auf die Bedeutung des Preises im kulturellen Leben Heidelbergs, das sich in diesem Jahr um Aufnahme in das Creative Cities-Netzwerk der UNESCO als Literaturstadt beworben hat. Nicht nur die literarische Vergangenheit der Stadt, auch ihre Gegenwart sei einzigartig. Die lebendige Autoren-, Übersetzer-, Verlags- und Theaterszene garantiere Produktivität. Würzner erinnerte an die Besonderheit des Literaturförderpreises: „Aus der Menge sticht der Clemens Brentano Preis heraus, weil in einer deutschlandweit einmaligen Jury-Zusammensetzung professionelle Literaturkritiker und Studierende des Germanistischen Seminars der Universität auf Augenhöhe als gleichberechtigte Mitglieder diskutieren.“ Der Jury gehörten diesmal die Kritiker Dr. Ina Hartwig (Frankfurt am Main), Felicitas von Lovenberg (Frankfurt am Main), Dr. Hubert Winkels (Köln) und Markus Clauer (Ludwigshafen) sowie die Studentinnen Eva-Maria Groß, Katharina Grünke und Mareike Kotscha an.

In seiner Dankesrede zeigte sich Maximilian Probst erfreut über das starke Gewicht der studentischen Stimmen im Auswahlverfahren um die Vergabe des Brentano-Preises. Er selbst empfinde große Dankbarkeit und habe das Gefühl, er könne „seine Schuld abtragen über das Schreiben und sich im Schreiben erkenntlich zeigen“. Probst wurde 1977 in Hamburg geboren und studierte Philosophie, Geschichte, Literatur und Politik in Hamburg und Barcelona. Für den Passagen Verlag in Wien übersetzte er Werke von Paul Virilio, Alain Badiou und Slavoj Zizek aus dem Französischen und Englischen ins Deutsche. Außerdem war er Volontär und Redakteur bei der „taz nord“ und verfasst heute Beiträge für das Feuilleton der „ZEIT“.

Bisher ausgezeichnet mit dem Clemens Brentano Preis wurden Philipp Schönthaler, Alexander Gumz, Wolfgang Herrndorf, Sven Hillenkamp, Andreas Stichmann, Felicia Zeller, Ann Cotten, Clemens Meyer, Stefan Weidner, Anna Katharina Hahn, Raphael Urweider, Andreas Maier, Doron Rabinovici, Sabine Peters, Hendrik Rost, Oswald Egger, Norbert Niemann, Benjamin Korn, Daniel Zahno, Jörg Schieke, Barbara Köhler, Gabriele Kögl und Günter Coufal.

www.heidelberg.de/hd,Lde/HD/Rathaus/Clemens+Brentano+Preis.html

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