Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Ein „Vogelfreier“ braucht viel Disziplin

Von Jana Gutendorf

Für unterhaltsame Theaterabende sorgt seit Jahren schon die studentische Schauspielgruppe „Vogelfrei“ mit ihren sommerlichen Aufführungen im Garten der Heidelberger Germanistik. Mit der Kreativität und dem Engagement ihrer Mitglieder steht sie exemplarisch für verschiedene Theaterensembles an der Ruperto Carola. Wie lassen sich Schauspielerei und Studium unter einen Hut bringen und was macht sie aus – die Faszination Theater? Ein Blick hinter die Kulissen (Foto: Vogelfrei):

Selbst an heißen Sommertagen ist für die Mitglieder der Schauspielgruppe Langsamkeit ein Fremdwort. Bis zur Premiere müssen sie den Innenhof des Instituts am Karlsplatz in ein Freilufttheater verwandeln. Das bedeutet: Zuschauerränge müssen aufgebaut, eine Bühne errichtet und die Tontechnik installiert werden. „Theater ist einfach ein Zeitfresser“, erzählt Johanna Lehnard lachend. Sie ist eine der Schauspielerinnen des Ensembles und weiß: Der Weg bis zur Aufführung ist lang. Die „Vogelfreien“ beginnen deshalb bereits im Wintersemester mit der Planung und Vorbereitung. Neben Stückfindung und Rollenverteilung steht bei den ersten Treffen vor allem die Gruppe selbst im Mittelpunkt, denn diese findet sich in jedem Jahr neu zusammen.

„Bei uns treffen sich Studenten aus den verschiedensten Fächern“, erklärt Nils Sackmann. Er ist einer der Regisseure des Stücks „Die Schule der Diktatoren“ von Erich Kästner, das die Gruppe in diesem Sommer auf die Bühne gebracht hat. Mittlerweile mehr als 20 Mitglieder zählen die „Vogelfreien“. Da ist vor allem Teamgeist gefragt. In der Vorbereitung der Aufführungen muss jeder Mitwirkende mehrere Aufgaben übernehmen und sich spontan dort einbringen können, wo Hilfe benötigt wird – sei es etwa auch beim Verteilen von Flyern oder beim Schleppen von Stühlen. Um die große Bandbreite an Aufgaben bewältigen zu können, haben sich die Studierenden in Kleingruppen unterteilt, in denen sich jeder seinen Interessen und Talenten entsprechend in Bühnenbildnerei, Plakatdesign oder auch in der Pressearbeit einbringt.

„Schatzmeister“ ist Alexander Beyler. Er ist Mitglied der ersten Stunde und weiß, dass auch der finanzielle Aufwand, den die Inszenierung eines Stücks mit sich bringt, nicht zu unterschätzen ist. „Eine einzige Produktion kostet fünf- bis sechstausend Euro“, rechnet er vor. Den Löwenanteil dieses Betrags erwirtschaften die „Vogelfreien“ selbst, so durch den Verkauf von Eintrittskarten, Snacks und Getränken. Neben den Finanzen gilt die Sorge der Gruppe stets dem Wetter sowie einer weiteren Unwägbarkeit des Freilufttheaters: Die Schauspieler können während der Proben keine Tür hinter sich schließen. Um den laufenden Uni-Betrieb nicht zu stören, sind Proben daher erst in den späteren Abendstunden möglich.

Im Zuschauerraum lernt Dirk Brügemann, einer der Schauspieler der Truppe, noch schnell für die Prüfungen. Seinen Bühnentext kennt er längst auswendig, doch die letzten Fakten für die Klausuren müssen noch in den Kopf – eine Doppelbelastung, der sich der Medizinstudent aber durchaus gewachsen fühlt. „Man muss viel im Voraus planen, doch irgendwann weiß man sich zu organisieren; und den Stress ist es wert“, findet er. Ähnlich sieht das auch Viola Graeser. Sie ist verantwortlich für die Tontechnik. Hinter den Knöpfen und Reglern ihres Mischpults fühlt sie sich wohl, ins Scheinwerferlicht zieht es sie hingegen nicht.

Der Gründer und Koordinator der Schauspielgruppe „Vogelfrei“, Prof. Dr. Thomas Wilhelmi, schätzt vor allem die Flexibilität und Kreativität seiner Studierenden. Für ihr Engagement, so der Germanist, bekommen die Hochschüler einen „wertvolleren“ Lohn als Kreditpunkte und gute Noten – sie sammeln Erfahrungen, etablieren Freundschaften und profitieren von der intensiven Vernetzung aktiver und ehemaliger Mitglieder, die die Schauspielgruppe maßgeblich prägt. Ein Lohn, der alle Beteiligten zu dem Schluss kommen lässt: Theater ist das Beste, was uns passieren konnte.

Die Schauspielgruppe „Vogelfrei“ ist Teil der Heidelberger Germanistik. Ursprünglich nur für ein einmaliges Projekt im Jahr 2006 gegründet, hat die Gruppe bis heute Bestand. Die rund 25 Mitglieder bringen einmal im Jahr ein Bühnenstück eines deutschsprachigen Autors zur Aufführung. Mitwirken können Interessierte aller Fachrichtungen. Das Besondere: Die Vorführungen finden unter freiem Himmel im Garten des Germanistischen Seminars statt.
www.vogelfrei.uni-hd.de

Die Theatergruppe „IDeFix“ ist seit ihrer Gründung im Jahr 1994 am Institut für Deutsch als Fremdsprachenphilologie angesiedelt. Die rund 30 Ensemblemitglieder führen jedes Jahr eine Theaterrevue aus Minidramen auf, die stets unter einem titelgebenden Motto steht. Das Besondere: In erster Linie sollen ausländische Studierende dazu ermutigt werden, als Schauspieler den Schritt auf die Bühne zu wagen, um sich so die deutsche Sprache zu erschließen. Aufgenommen werden aber auch solche, deren Muttersprache Deutsch ist. Im Jahr 2008 wurde das Projekt mit dem „Preis des Auswärtigen Amtes für exzellente Betreuung ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen“ ausgezeichnet.
www.idefix-theater.de

Die Schauspielgruppe des Anglistischen Seminars wurde in den frühen 1960er-Jahren gegründet und ist damit nach Angaben des Ensembles eine der ältesten englischsprachigen Theatergruppen in Deutschland. Die Mitglieder erarbeiten mindestens eine Bühnenproduktion pro Semester. Das Spektrum ist breit gefächert und reicht von Klassikern der englischen und amerikanischen Literatur bis zu Musical-Aufführungen und selbstgeschriebenen Einaktern. Das Besondere: Aufgeführt werden Stücke in englischer Sprache. Ein Studium der Anglistik ist für die Aufnahme jedoch kein Muss.
www.dramagroup.uni-hd.de