Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Kein Frosch sondern ein Vogel an der Spitze des URZ

Von Ute von Figura

„Geduldig und“ – mit einem Augenzwinkern – „wenn nötig auch unnachgiebig“, so beschreibt sich Vincent Heuveline (Foto: Fink). Seit Mai ist der gebürtige Franzose der neue Leiter des Universitätsrechenzentrums (URZ) der Ruperto Carola – eine Aufgabe, der er sich mit viel Enthusiasmus und großen Ambitionen stellt. Zugleich hat der 45-Jährige an der Fakultät für Mathematik und Informatik eine Professur für Wissenschaftliches Rechnen übernommen.

Unter den Mathematikern gibt es Frösche und Vögel. „Frösche“ haben einen engen Fokus und erfreuen sich an den Details eines ganz bestimmten Problems. „Vögel“ dagegen betrachten Prozesse von einer höheren Perspektive aus und stellen Verbindungen zwischen verschiedenen Fragestellungen und wissenschaftlichen Konzepten her. So beschreibt der US-amerikanische Mathematiker Freeman Dyson in dem Buch „Mathematics as Metaphor“ die Vertreter seiner Disziplin. Folgt man dieser Kategorisierung, zählt Vincent Heuveline ganz eindeutig zu den Vögeln.

In seinem Fachgebiet, dem „Wissenschaftlichen Rechnen“, beschäftigt er sich mit vielfältigen Problemen aus anderen Disziplinen, etwa der Medizin oder der Klimaforschung. „Mich reizt es, an den Schnittstellen verschiedener Wissenschaften zu forschen“, sagt Heuveline. So entwickelt er Modelle für bestimmte Vorgänge wie die Reaktion des Weichgewebes auf Operationen oder die Verbreitung von Vulkanasche, simuliert diese mithilfe des Computers und gibt schließlich Empfehlungen auf Basis dieser Berechnungen.

Seine Doppelrolle als Leiter des Rechenzentrums und als Wissenschaftler sieht Vincent Heuveline nicht als Belastung sondern vielmehr als Bereicherung. „Beide Tätigkeiten ergänzen sich und eröffnen Synergien, aus denen ich schöpfen möchte“, erklärt der Mathematiker: „Das Rechenzentrum soll hochwertige Dienstleistungen für die Verwaltung, ganz wesentlich aber auch für die Forschungseinrichtungen und Fakultäten der Universität Heidelberg erbringen. Hierfür müssen wir verstehen, wie die Wissenschaftler ticken.“ Eine enge Anbindung an die Forschung sei daher unerlässlich.

Heuvelines Ziel ist es, das URZ als belastbaren und zuverlässigen Partner für alle Dienstleistungen der Informationstechnik (IT) zu positionieren. Darüber hinaus soll das Rechenzentrum als ein Katalysator bei der Einführung neuer IT-Dienste fungieren und ausgewählte Schwerpunktthemen vorantreiben, mit denen sich die Universität landesweit, aber auch national und international etablieren kann.

Eines der Leuchtturmprojekte, denen sich das URZ künftig verstärkt widmen wird, ist die Energieeffizienz in der IT-Infrastruktur. Da sich alle 18 Monate die Rechenleistung verdoppelt, steigt auch ihr Energiebedarf exponenziell an. Vincent Heuveline: „Mein Wunsch ist es, durch eigene Forschungsprojekte Lösungen und Konzepte zu entwickeln, um den IT-Sektor energieeffizienter zu gestalten.“ Generell seien die Herausforderungen für das Rechenzentrum durch die rasante Entwicklung in der IT-Branche enorm: „Wir müssen in einem stetigen Prozess Innovationen in bestehende Strukturen integrieren. Darüber hinaus haben wir den Anspruch, dem Fortschritt nicht nur zu folgen, sondern ihn zu begleiten und in gewissen Bereichen sogar Einfluss zu nehmen.“

Dass er seine ambitionierten Ziele in die Tat umsetzen wird, ist Vincent Heuveline sehr wohl zuzutrauen. Bei der Fusion des Forschungszentrums und der Universität Karlsruhe zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verantwortete er zwischen 2004 und 2008 die Zusammenführung der Rechenzentren beider Einrichtungen. „Ein sehr herausfordernder Prozess“, erinnert er sich, „denn wir mussten nicht nur die verschiedenen technischen Systeme und Konfigurationen sondern auch unterschiedliche Kulturen und Gewohnheiten vereinen.“

Am KIT gründete der Mathematiker zudem das Engineering Mathematics and Computing Lab (EMCL), das er – nun unter dem Dach des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) – in Heidelberg weiterführt. Gleichzeitig leitet er die neu gegründete Forschungsgruppe „Data Mining and Uncertainty Quantification“ am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS).

Privat interessiert sich der zweifache Familienvater sehr für Musik und Kunst: „Ich habe über viele Jahre Kirchenorgel gespielt und eine Zeit lang sogar überlegt, mich beruflich in diese Richtung zu orientieren.“ Seine Entscheidung für die Mathematik habe er aber nie bereut: „Ich bin der Auffassung, dass es den kreativen Prozess, der die Kunst kennzeichnet, auch in der Wissenschaft gibt. Die unterschiedlichen Denkweisen zu konfrontieren und zu vergleichen, empfinde ich als ausgesprochen spannend. Für mich ist das eine Quelle der Inspiration.“ Vincent Heuveline ist eben ein Vogel, kein Frosch.

Siehe auch: „Supercomputer“ für das Rechenzentrum

Prof. Dr. Vincent Heuveline wurde 1968 in Paris geboren und wuchs im südfranzösischen Nizza auf. 1989 kam er im Zuge seines Mathematik-Studiums für ein Auslandssemester an die Universität Würzburg. Das deutsche Universitätssystem gefiel ihm so gut, dass er sein gesamtes Hauptstudium hier absolvierte. Nach der Promotion an der Université de Rennes kehrte er 1997 nach Deutschland zurück und habilitierte sich am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Ruperto Carola. Anschließend übernahm er eine Vertretungsprofessur an der Universität Erlangen-Nürnberg, bevor er 2004 an die Universität Karlsruhe berufen wurde und zeitgleich die Ko-Leitung, später die Leitung des dortigen Rechenzentrums übernahm.