Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Tiefer Blick in die kosmische Planetenküche

Ein altes Rätsel der Kometenentstehung haben Astrophysiker der Universität Heidelberg durch Beobachtungen am Atacama Large Millimeter Array (ALMA) in Chile gelöst. Dank dieses neuen Teleskops der Europäischen Südsternwarte, übrigens eines der leistungsfähigsten Geräte der Welt, konnte die Existenz sogenannter Staubfallen als möglicher Geburtsstätte von Kometen bewiesen werden. Zugleich wurden damit Theorien von Heidelberger Wissenschaftlern bestätigt. „Die Erkenntnisse aus den aktuellen Untersuchungen sind ein Meilenstein in unserem Verständnis der Entstehung von Kometen und letztlich auch Planeten“, erklärt Prof. Dr. Cornelis Dullemond vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg. Die Forschungsergebnisse wurden in „Science“ veröffentlicht.

Bei der Frage nach der Entstehung von Kometen und Planeten gehen Astronomen davon aus, dass winzige Partikel in der Umlaufbahn um einen jungen Stern – der sogenannte kosmische Staub – innerhalb von Millionen von Jahren immer mehr verklumpen. Dadurch entstehen immer größere Objekte wie Kometen und am Ende auch Planeten. Allerdings werden diese Gebilde durch heftige Zusammenstöße oft wieder pulverisiert oder driften allmählich in den zentralen Stern und werden dort zerstört.

Zur Frage, wie dennoch Kometen oder Planeten entstehen können, haben Dullemond und sein Team einen theoretischen Ansatz durch aufwändige Computersimulationen überprüft. Demnach sind junge Sterne anfänglich von riesigen Staubscheiben umgeben. Ihr Durchmesser kann dabei ein Vielfaches des Durchmessers unseres Sonnensystems betragen. „Diese Scheiben sind jedoch nicht glatt wie ein Frisbee, sondern ähneln eher den Saturnringen mit ihren Lücken und Verdichtungen“, erläutert Paola Pinilla, die Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Dullemond ist.

Mithilfe von Simulationen am Computer hat die aus Kolumbien stammende Wissenschaftlerin diese Zonen jetzt genauer in Augenschein genommen und dabei herausgefunden, dass sich am Rand solcher Ringe unter bestimmten Bedingungen Wirbel bilden können und in diesen Wirbeln, die teils Millionen Jahre lang stabil bestehen, alle millimetergroßen Staubteilchen eingefangen werden. Da dort eine wesentlich höhere Dichte der besagten Teilchen herrscht, werden diese Bereiche auch als Staubfallen bezeichnet. Zudem sind die Zentren der Wirbel sehr ruhige Zonen, sodass sich größere und beständigere Bausteine bilden können.

Die künstlerische Darstellung zeigt die Staubfalle im System Oph-IRS 48 – eine Art sicherer Hafen für kleine Steinchen in der Scheibe, wo sie so lange zusammenklumpen und wachsen können, bis sie groß genug sind, um alleine weiter zu bestehen.
Bild: ESO/L. Calçada

Dieser Forschungsansatz führt eine Theorie fort, die schon in den 1990er-Jahren von den Astrophysikern Dr. Hubert Klahr und Prof. Dr. Thomas Henning formuliert wurde, die heute am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg wirken. „Aber es gab bis jetzt keine Beobachtungen, die ihre Existenz bewiesen haben“, so Cornelis Dullemond. Diesen Beweis und den Nachweis für die Heidelberger Theorie, dass Staubfallen die Geburtsstätte von Kometen und Planeten sein können, lieferten jetzt Astronomen, die mit dem erst vor Kurzem in Betrieb gegangenen Atacama Large Millimeter Array gearbeitet haben.

Das Radioteleskop ist mit speziellen Empfängern ausgerüstet und wurde auf einer chilenischen Hochebene in rund 5000 Metern Höhe errichtet. Es kann mit bisher unerreichter Präzision die Geburtsstätten junger Sterne und Planetensysteme untersuchen. Eine internationale Gruppe von Astronomen hat mit ALMA die Staubscheibe in einem Sternsystem erkundet, das die Bezeichnung Oph-IRS 48 trägt. Das Team beobachtete, dass der Stern von einem Ring aus Gas umgeben ist, dass dieser Gasring aber nur auf einer Seite besonders stark in jenem Licht leuchtet, das üblicherweise millimetergroße Staubteilchen abstrahlen. Die Wissenschaftler konnten diese Beobachtung zunächst nicht interpretieren und wandten sich daher an die Heidelberger Forscher.

Prof. Dullemond: „Unsere Datenauswertung brachte dann den ersten Nachweis einer Staubfalle um einen jungen Stern, einer vermuteten und lange gesuchten Geburtsstätte von Kometen.“ Für ihre Modellrechnungen nutzten die Heidelberger Wissenschaftler ein Computerprogramm, das Dr. Til Birnstiel entwickelt hat. Birnstiel ist ein ehemaliger Doktorand von Cornelis Dullemond und arbeitet jetzt am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in den USA.

Der aktuellen Entdeckung liegen Daten zugrunde, die noch in der Testphase von ALMA mit nur einem Teil seiner vollen Leistungsfähigkeit gewonnen wurden. Daher rechnen die Astronomen damit, dass künftig noch spektakulärere Einblicke in die kosmische Planetenküche zu erwarten sind.

N. van der Marel, E.F. van Dishoeck, S. Bruderer, T. Birnstiel, P. Pinilla, C.P. Dullemond, T.A. van Kempen, M. Schmalzl, J.M. Brown, G.J. Herczeg, G.S. Mathews, V. Geers: A Major Asymmetric Dust Trap in a Transition Disk. Science (7 June 2013), Vol. 340 no. 6137, 1199-1202, DOI: 10.1126/science.1236770