Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Damit uns der Himmel nicht auf den Kopf fällt

Von Mirjam Mohr (Text) und Oliver Fink (Foto)

Als im Februar dieses Jahres ein Asteroid an der Erde vorbeizog und zeitgleich ein Meteorit spektakulär über Russland explodierte, war Prof. Dr. Mario Trieloff für die Medien ein gefragter Interviewpartner. Der Geochemiker ist Experte für extraterrestrisches Material und bereitete zu diesem Zeitpunkt gerade ein Symposium über die Gefahren von Asteroiden- und Kometeneinschlägen auf der Erde vor, das vier Wochen später an der Ruperto Carola stattfand. Als einer von zwei Koordinatoren eines Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beschäftigt sich der 50-Jährige mit der Entstehung des Sonnensystems, der Planeten und der Erde.

Eine wichtige Rolle bei Mario Trieloffs Berufswahl spielte der Wissenschaftler Heinz Haber, der im Fernsehen der 1960er- und 1970er-Jahre den Zuschauern Erde und Weltall näherbrachte. „So wurde mein Interesse für Astronomie geweckt, aber auch für den Planeten Erde selbst“, erinnert er sich. Und so fand Trieloff nach einem Physik- und Astronomiestudium an der Universität Heidelberg über Aufenthalte am Max-Planck-Institut für Kernphysik und am Laboratoire de Géochimie et Cosmochimie in Paris sowie über ein Heisenberg-Stipendium den Weg in die Geo- und Kosmochemie.

Heute beschäftigt er sich am Institut für Geowissenschaften der Ruperto Carola mit dem stofflichen Aufbau, der Verteilung und dem Kreislauf chemischer Elemente und deren Isotope des „Systems Erde“ sowie mit der Verteilung der Elemente im Kosmos, vor allem im Sonnensystem. „Mein Spezialgebiet ist die Isotopenmessung, bei der wir Isotope nutzen, um das Alter von Gesteinen zu bestimmen oder diese bestimmten Reservoiren zuzuordnen“, erklärt Trieloff, der auch Gutachten für die US-amerikanische NASA (National Aeronautics and Space Administration) erstellt.

Die Isotopenmessung spielt eine wichtige Rolle im DFG-Schwerpunktprogramm „Die ersten zehn Millionen Jahre des Sonnensystems“ (SPP 1385) – zehn der insgesamt 45 Forschungsvorhaben sind in Heidelberg angesiedelt. Aus der Analyse extraterrestrischen Materials wollen die Wissenschaftler Rückschlüsse auf den Prozess der Planetenentstehung vor 4,5 Milliarden Jahren ziehen. Besondere Bedeutung dabei haben die Bestandteile kleinerer Körper wie Asteroiden und Kometen. Da diese im Stadium von Kleinplaneten steckengeblieben sind, haben sie Relikte der ursprünglichen Staub- und Gesteinszusammensetzung auf dem Weg zu größeren Planeten bewahrt. „Mit Isotopendatierungen wollen wir die Zeitspanne eingrenzen, in der sich Asteroiden in der Größenordnung von Hunderten Kilometern bildeten“, erläutert Trieloff.

Zurzeit wird an der Ruperto Carola ein nationales Labor für Sekundärionen-Massenspektrometrie eingerichtet, das vom SPP 1385 beantragt wurde. Für die Anschaffung einer hochmodernen Ionensonde hat die DFG Fördermittel von rund 4,5 Millionen Euro bewilligt. Mit der Ionensonde, die in der ersten Jahreshälfte 2014 geliefert werden soll, lassen sich Isotopendatierungen und die Messung von Spurenelementen in Gesteinen hochpräzise mit einer räumlichen Auflösung im Mikrometerbereich vornehmen.

Von der Altersbestimmung von Gesteinen führt ein direkter Weg zu der Frage, die die Öffentlichkeit im Februar bewegte und die Thema des Symposiums im März war: Wie häufig schlägt extraterrestrisches Material auf der Erde ein, welche Auswirkungen hat das – und wie kann man die daraus resultierende Gefahr abwenden? Prof. Trieloff: „Wir können irdische Einschlagkrater datieren und dadurch sehen, wie häufig sich Krater einer bestimmten Größe bilden. Dadurch kann man das Risiko quantifizieren.“ Während sich die Geowissenschaften mit der Population entsprechender Himmelskörper in der Vergangenheit beschäftigen, beobachten die Astronomen mit Suchprogrammen die aktuelle. Inzwischen kenne die Wissenschaft rund 90 Prozent der die Erdbahn kreuzenden Asteroiden, die im Durchmesser größer als ein Kilometer sind und damit globale Katastrophen auslösen könnten.

„Durch Beobachtung dieser Objekte kann man deren Bahn vorausberechnen und so feststellen, ob und wann sie eine Gefahr für die Erde darstellen. Momentan werden in Europa erste Versuche gestartet, ob sich gefährliche Körper ablenken lassen, indem man ihnen sozusagen einen Schubs versetzt“, weiß Mario Trieloff. Immer wieder hört man indes auch von der Idee, gefährliche Objekte mit Atombomben sprengen zu wollen. Dazu hat der Geochemiker eine klare Meinung: „Das ist Hollywood-Manier, aber nicht zwingend notwendig. Dabei muss man überlegen, wer Atomwaffen wo stationieren will; ein solches Schutzprogramm kann schließlich auch neue Risiken eröffnen. Die Wissenschaft sollte keinen Vorwand liefern – vor allem wenn es auch Alternativen gibt.“