Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

GERT macht alt

Von Mirjam Mohr

Automatisch greift die Hand nach dem helfenden Treppengeländer. Vorsichtig und schwerfällig zugleich tastet erst der eine, dann der andere Fuß mit steifen Gelenken nach der Treppenstufe – wie weit diese entfernt ist, lässt sich wegen der eingeschränkten Sehkraft nur schwer abschätzen. Das Treppensteigen ist anstrengender als gewohnt. Und der eigene Körper fühlt sich plötzlich mindestens doppelt so alt an. Verantwortlich dafür ist GERT (Foto: Fink), ein gerontologischer Testanzug: Mit diesem untersucht das Netzwerk AlternsfoRschung (NAR) der Universität Heidelberg an Testpersonen die Auswirkungen körperlicher Beeinträchtigungen von älteren Menschen.

„Heutzutage geht es überall darum, jung zu sein – wir machen es umgekehrt und lassen Menschen kurzfristig altern“, sagt Dr. Andreas Lauenroth. Der Sportwissenschaftler leitet das NAR-Projekt „Age-Simulator“, das die Auswirkungen des Alterssimulationsanzugs auf das Gangverhalten und die subjektive Alterswahrnehmung erforscht. Mit den Daten wollen die Wissenschaftler erstmals die Möglichkeiten und Grenzen solcher Simulationen evaluieren.

Gert ILauenroth erklärt: „Die Ergebnisse unserer Studie können für die Aus- und Weiterbildung in helfenden Berufen genutzt werden, etwa für Pflegepersonal, das sich so besser in die Situation älterer Menschen hineinversetzen kann. Sie können aber auch bei der Entwicklung und Herstellung altersgerechter Produkte und Dienstleistungen helfen.“

Verminderte Beweglichkeit, nachlassende Kraft, sensorische Einbußen, schlechteres Sehen und Hören – all diese körperlichen Begleiterscheinungen des Alters lassen sich mit GERT nachempfinden. Dafür sorgen eine Gewichtsweste, eine Halskrause, Gelenkbandagen für Ellbogen und Knie, Gewichtsmanschetten für Hand- und Fußgelenke sowie eine Spezialbrille und Kopfhörer. „Im Alter verändert sich das Verhältnis von Muskelkraft und Körpergewicht, diese Veränderung kann man mit der Gewichtsweste kurzfristig nachbilden“, so Andreas Lauenroth.

Neben der verminderten Kraft ruft die Weste eine veränderte Körperhaltung und eine Einschränkung der Rumpfbeweglichkeit hervor. Ähnliche Auswirkungen haben Halskrause, Gelenkbandagen und Gewichtsmanschetten, die auch zu Koordinationsschwierigkeiten und Problemen mit der Feinmotorik führen. Der Gehörschutz simuliert altersbedingte Schwerhörigkeit, mit der Spezialbrille lässt sich schlechteres Sehen aufgrund von Einschränkungen des Gesichtsfeldes und Eintrübungen der Augenlinse nachvollziehen.

„Alle diese Effekte zusammengenommen führen zu Bewegungsunsicherheit und einem veränderten Gehen“, erläutert Dr. Lauenroth. In seiner Studie erforscht er, wie sich das Gangverhalten ändert, wenn eine Testperson den Anzug trägt: Was passiert mit der Ganggeschwindigkeit, der Schritt- und der Zykluslänge? Die Probanden laufen mehrmals mit und ohne Anzug eine Matte entlang, über die Lauenroth verschiedene Parameter messen kann. Dazu gehört auch, dass die Teilnehmer während des Gehens abgelenkt werden und deswegen nicht mehr auf ihre Schritte achten können. Die ersten Untersuchungen zeigen bereits Ergebnisse, die der Sportwissenschaftler so nicht erwartet hat: „Ich bin gespannt, ob sich die ersten überraschenden Befunde am Ende bestätigen werden.“

Kurpfalzradio-Interview mit Laura Schmidt vom NAR zur „Techniknutzung im Alter“ (mp3)