Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Hinter den Mauern des Vatikans

Eine der wertvollsten Sammlungen von Handschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit – die Bibliotheca Palatina – soll virtuell wieder vereint werden. Nach den deutschsprachigen Handschriften in ihrem eigenen Bestand digitalisiert die Universitätsbibliothek Heidelberg nun auch die lateinischen Codices der ehemals Pfalzgräflichen Bibliothek, die sich seit fast 400 Jahren hinter den Mauern des Vatikans in der Biblioteca Apostolica Vaticana in Rom befinden.

Mit diesem Schritt begründen Vatikan und Ruperto Carola eine auf mehrere Jahre angelegte Kooperation. Das für die wissenschaftliche Forschung bedeutende Vorhaben wird in erheblichem Umfang durch die Manfred Lautenschläger-Stiftung gefördert. Vertreter der beteiligten Institutionen, unter ihnen der Präfekt der Vatikanischen Bibliothek, stellten das Projekt jetzt gemeinsam mit dem Förderer der Öffentlichkeit vor.

Die Ursprünge der Bibliotheca Palatina reichen zurück bis zur Gründung der Universität Heidelberg im Jahr 1386. Indem sie im Laufe der Zeit die universitären und pfalzgräflich-fürstlichen Sammlungen vereinte, repräsentierte die Palatina gewissermaßen das komplette Wissen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Zu ihrer Blütezeit, Anfang des 17. Jahrhunderts, galt die Bibliothek als „optimus Germaniae literatae thesaurus“, als der größte Schatz aller Gebildeten in Deutschland. Ihr vorläufiges Ende fand sie mit der Eroberung Heidelbergs durch katholische Truppen während des Dreißigjährigen Krieges. Papst Gregor XV. verlangte nun die gesamte Bibliothek, die geistige Rüstkammer der Protestanten, als Kriegsbeute.

Vorstellung des Digitalisierungsprojekts der einstigen „geistigen Rüstkammer der Protestanten“ mit von links: Dr. Adalbert Roth, Direktor der Sammlung Druckschriften in der Vatikanischen Bibliothek, Monsignore Cesare Pasini (sitzend), Präfekt der Biblioteca Apostolica Vaticana, Dr. h.c. Manfred Lautenschläger, Förderer des Projekts, Dr. Veit Probst (sitzend), Direktor der Universitätsbibliothek Heidelberg, und Prof. Dr. Bernhard Eitel, Rektor der Ruperto Carola.
Foto: Tobias Schwerdt

Nach einer halbjährigen Reise trafen 3700 mittelalterliche Handschriften und 13 000 Druckwerke im August 1623 in der Biblioteca Vaticana ein. Erst im Jahr 1816 konnten – aufgrund von Vereinbarungen während des Wiener Kongresses – zumindest die 847 deutschsprachigen Handschriften wieder in ihre alte Bibliotheksheimat zurückkehren. Bis auf einige wenige griechische und lateinische Codices liegen alle übrigen, nicht deutschsprachigen Handschriften und sämtliche Drucke noch heute in den Tresoren der Vatikanischen Bibliothek in Rom.

„Dank der großzügigen Finanzierung durch Dr. h.c. Manfred Lautenschläger und seiner Stiftung können wir jetzt die Voraussetzung dafür schaffen, dass Forscher ebenso wie die interessierte Öffentlichkeit unabhängig von Ort und Zeit Einblick in die digitalisierte Bibliothek nehmen können, während die kostbaren Originale unter konservatorisch besten Bedingungen in den klimatisierten Tresoren verbleiben“, betonte der Rektor der Ruperto Carola, Prof. Dr. Bernhard Eitel. Er dankte dem Präfekten der Biblioteca Apostolica Vaticana, Monsignore Cesare Pasini, für die Bereitschaft, die lateinischen Handschriften durch die Digitalisierung zugänglich zu machen. Über die Vorgeschichte und die Realisierung der Digitalisierungsarbeiten informierte der Direktor der Universitätsbibliothek Heidelberg, Dr. Veit Probst, gemeinsam mit dem Direktor der Sammlung Druckschriften in der Vatikanischen Bibliothek, Dr. Adalbert Roth.

Schon im Jahr 2001 hat die UB damit begonnen, erste Bände der herausragenden Büchersammlung mit modernen digitalen Techniken im Internet zugänglich zu machen. Seitdem arbeitet sie im Rahmen mehrerer Projekte an der virtuellen Rekonstruktion des einmaligen Bücherschatzes. Im November 2010 wurde in der Vatikanischen Bibliothek sozusagen eine Außenstelle des Heidelberger Digitalisierungszentrums eingerichtet. Ziel war zunächst die Erfassung der 133 mittelalterlichen Handschriften der Bibliotheca Palatina, die einst Pfalzgraf Ottheinrich aus dem Kloster Lorsch nach Heidelberg geholt hatte. Seit Januar 2012 digitalisiert die UB nun in einem langfristig angelegten Projekt auch die übrigen rund 1900 lateinischen Codices.

Außenstelle: das Heidelberger Digitalisierungszentrum in Rom.
Foto: UB

Einmal pro Woche werden je nach Größe und Umfang vier bis sieben Handschriften aus den vatikanischen Tresoren in den klimatisierten und abgedunkelten Aufnahmeraum des Heidelberger Digitalisierungsstudios transportiert, wo sie mit Hilfe einer hochauflösenden Kamera fotografiert werden. Ein spezieller Kameratisch ermöglicht die kontaktlose und schonende Direktdigitalisierung der fragilen Objekte. Um einen reibungslosen und übersichtlichen Arbeitsablauf zu gewährleisten, hat die Universitätsbibliothek eine eigene Software entwickelt. Das Programm „DWork – Heidelberger Digitalisierungsworkflow“ sorgt für die automatische Abwicklung sämtlicher Einzelschritte von der Metadatenerstellung über die Generierung der Internetpräsentation bis zur Langzeitarchivierung. Eine Nachbearbeitung mit professionellen Bildbearbeitungsprogrammen stellt sicher, dass das digitale Faksimile so weit wie möglich dem Original entspricht.

http://palatina-digital.uni-hd.de

Kontakt:

Dr. Sabine Gehrlein
Universitätsbibliothek Heidelberg
Telefon: 0 62 21/54-25 81
E-Mail: presse@ub.uni-heidelberg.de

Siehe auch Rhein-Neckar Fernsehen: Universitätsbibliothek Heidelberg digitalisiert alte Buchbestände