Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Beratung für Berater

Von Mirjam Mohr

Zweieinhalb Jahre lang haben sich Wissenschaftler am Institut für Bildungswissenschaft in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt mit der Frage beschäftigt: Was ist „gute Beratung“? Mit ihrem Team entwickelten Prof. Dr. Christiane Schiersmann und Peter Weber (Fotos: Oliver Fink) ein Konzept für gute Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung und erprobten es in der Praxis, darunter auch in der Zentralen Studienberatung und dem Career Service der Universität Heidelberg. Jüngst wurde ein Folgeprojekt für die kommenden zweieinhalb Jahre gestartet, so Schiersmann und Weber im Interview:

Was war das Ziel des Projekts „Perspektiven guter Beratung – Weiterentwicklung der Qualität und Professionalität in der Bildungs- und Berufsberatung“?

Beratung I1l SchiersmannSchiersmann: „Zusammen mit dem ‚Nationalen Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung‘ wollten wir Qualitätsmerkmale guter Beratung entwickeln und Professionalisierungsstrategien aufzeigen. Wir haben vier Bausteine ausgearbeitet: Qualitätsmerkmale für gute Beratung, ein Kompetenzprofil für Berater, einen Qualitätsentwicklungsrahmen – also quasi ein Meta-Modell für die Qualitätsentwicklung in Organisationen – sowie die Erprobung der Qualitätsmerkmale und des Entwicklungsrahmens in 19 Einrichtungen. Unsere Aufgabe war es, das Projekt wissenschaftlich vor- und nachzubereiten; das ‚Nationale Forum‘ sorgte für die Verbreitung der Ergebnisse bei den Praktikern.“

Wo wurde das Konzept erprobt und wie waren die Rückmeldungen?

Weber: „Um eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf verschiedene Kontexte zu ermöglichen, haben wir diese in einem möglichst breiten Feld von Jung bis Alt in ganz Deutschland getestet. Das waren zum einen Beratungsstellen für Schüler oder Hochschüler bis hin zu Erwachsenen in Betrieben, zum anderen reichte das Spektrum von kleinen, privaten Beratungsinitiativen bis zu großen öffentlich geförderten Anbietern. Wir haben ein sehr positives Feedback bekommen und gesehen, dass es tatsächlich einen großen Bedarf gibt, die Qualität im Beratungsbereich zu sichern. So hat die Erprobung unseres Konzepts bei der Zentralen Studienberatung und dem Career Service der Ruperto Carola geholfen, die eigenen Stärken zu erkennen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Als direkte Folge des Projekts wurde ein Leitbild erarbeitet, der Außenauftritt wurde verbessert und regelmäßige Termine zur kollegialen Supervision wurden eingeführt.“

Das Projekt ist Ende Januar abgeschlossen worden. Wie geht es jetzt weiter?

Beratung I2r WeberSchiersmann: „Anfang Februar haben wir – wieder gemeinsam mit dem ‚Nationalen Forum Beratung‘ – das Folgeprojekt ‚Beratungsqualität in Bildung, Beruf und Beschäftigung – Implementierungsstrategien und wissenschaftliche Fundierung‘ gestartet, das ebenfalls zweieinhalb Jahre läuft. Dabei geht es um eine weitere Erprobung der Qualitätsmerkmale und des Qualitätsentwicklungsrahmens mit rund 40 Beratungsanbietern. Darüber hinaus liegt ein Schwerpunkt unserer Arbeit in der Entwicklung und Erprobung von Instrumenten, mit deren Hilfe Kompetenzen von Beratenden erfasst, dokumentiert und bewertet werden können. Das ‚Nationale Forum Beratung‘ wird Regionalkonferenzen und Runde Tische mit Politikern organisieren, damit das neue Konzept auch Verbindlichkeit bekommt und nicht in der Schublade verstaubt. Am Ende dieses Projekts ist an ein Produkt mit Marktreife gedacht.“

Welche weiteren Schwerpunkte hat die Arbeitseinheit Weiterbildung und Beratung des Instituts für Bildungswissenschaft?

Schiersmann: „Wir arbeiten vor allem an einer allgemeinen Beratungstheorie. Angesichts der gegenwärtigen Komplexität von Orientierungs- und Entscheidungsprozessen in Bildungs- und Berufslaufbahnen orientieren wir uns dabei an einem Verständnis von Beratung als Förderung von Selbstorganisationsprozessen, also an einem systemischen Ansatz, der in der Lage ist, angemessen auf Unsicherheiten und Paradoxien zu reagieren. Im Rahmen eines Erasmus-Programms tauschen wir uns mit europäischen Kollegen über die Gestaltung von Studiengängen zur Beratungswissenschaft aus. Außerdem bieten wir einen berufsbegleitenden Master-Studiengang ‚Berufs- und organisationsbezogene Beratung‘ an.“

Das „Network for Innovation in Career Guidance/Counselling in Europe“ (NICE), dem 40 Hochschulen aus 28 Ländern angehören, ist das erste europäische Hochschulnetzwerk auf diesem Themengebiet. Die Ruperto Carola ist Mitglied der Leitungsgruppe; die Koordination liegt beim Institut für Bildungswissenschaft. Das Projekt läuft bis Oktober 2012 und wird vom „Erasmus Lifelong Learning Programme“ gefördert. Ziel des Netzwerks ist die Stärkung und Weiterentwicklung der internationalen Kooperationen der Universitäten, die in diesem Bereich forschen und lehren. Mehr Infos unter: www.nice-network.eu

Der berufsbegleitende Master-Studiengang „Berufs- und organisationsbezogene Beratung“ wendet sich an alle, die bereits Beratungsaufgaben wahrnehmen und sich weiter professionalisieren wollen, sowie an Menschen, die in Zukunft bei Organisationen, in der Personalentwicklung oder in der individuellen Beratung arbeiten wollen und dafür bereits Erfahrung mitbringen. Mehr Infos unter: www.beratungswissenschaft.de