Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Copy, Shake & Paste

Von Martin Nissen (Text und Foto)

Die Plagiatsfälle um Veronica Saß, Karl-Theodor zu Guttenberg und Silvana Koch-Mehrin, der bekanntlich in Heidelberg der Doktorgrad aberkannt wurde, haben dem Thema Plagiat und Plagiaterkennung zu unerwarteter Aufmerksamkeit verholfen. Die neue Online-Kultur, die sich in Wikis wie GuttenPlag und VroniPlag niederschlägt, offenbarte, dass sich nicht nur die Möglichkeiten elektronischen Kopierens sondern auch der Umgang bei der Bewertung wissenschaftlicher Texte grundlegend geändert haben. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Workshops zu Plagiat und Plagiaterkennung, die von der Universitätsbibliothek zusammen mit der Wissenschaftlichen Weiterbildung der Ruperto Carola angeboten werden, auf großes Interesse stoßen.

Das Thema Plagiat als Form wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist nicht neu. In Großbritannien und den USA bestehen seit den 1990er-Jahren Honor Boards, in denen Studierende selbst mögliche Sanktionen über ihre Kommilitonen aussprechen. Zudem ist der Einsatz von Plagiaterkennungs-Software weit verbreitet – mit Abdeckungsquoten von über 90 Prozent an britischen Universitäten.

In Deutschland sind die Regeln zur „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) von 1998 eine wichtige Orientierung, die von der Universität Heidelberg in einer entsprechenden Satzung ein Jahr später aufgegriffen wurden. Schon seit 1998 besteht in Heidelberg zudem die „Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“, der Fälle von vermutetem Fehlverhalten vorgelegt werden. Für die Lebens-, Geistes- und Naturwissenschaften gibt es drei Ombudspersonen, an die sich alle Angehörige der Universität wenden können. Auch lizenzpflichtige Erkennungs-Software für Plagiate wird an einigen Fakultäten und Instituten eingesetzt – so an der Juristischen Fakultät oder am Institut für Europäische Kunstgeschichte (IEK).

Der Fall der Doktorarbeit von Silvana Koch-Mehrin, der zur Aberkennung des Doktortitels im Juni führte, hat auch in Heidelberg die Aufmerksamkeit gesteigert. Prof. Joachim Funke, einer der Ombudsmänner der Universität, spricht in diesem Zusammenhang von einer „erhöhten Sensibilität“ dem Thema Plagiat gegenüber. Er betont dabei jedoch, dass die absoluten Zahlen zwar angestiegen seien, insgesamt jedoch noch sehr niedrig lägen.

Ob es sich bei den prominenten Plagiatsfällen vom Frühjahr und Sommer 2011 um Einzelfälle handelt, ist angesichts fehlender Untersuchungen zur Häufigkeit von Plagiaten im deutschsprachigen Raum schwer zu beurteilen. Langzeitstudien aus den USA und Großbritannien weisen darauf hin, dass die externe Promotion tatsächlich eine Gefährdung darstellt. Dieselben Untersuchungen, die im Wesentlichen auf Umfrageergebnissen unter Studierenden und Hochschullehrern beruhen, zeigen jedoch auch, dass die Häufigkeit von Plagiaten mit fortschreitender Qualifikation abnimmt – vom Schüler über den Studenten bis zum Promovenden. Die größte Herausforderung ist demnach nicht der unredlich erworbene Doktortitel sondern das Vorgehen gegen eine weit verbreitete Kopierkultur in Schule und Grundstudium. Denn die Folgen eines plagii – dem lateinischen Wortsinn zufolge immerhin ein Menschenraub – sind gravierend.

Workshop zu Plagiat und Plagiaterkennung an der Universitätsbibliothek Heidelberg mit Dr. Martin Nissen und Dr. Christina Mainka.

Den größten Erfolg in der Auseinandersetzung mit Plagiat und wissenschaftlichem Fehlverhalten versprechen Lehrveranstaltungen, in denen das Handwerkszeug redlichen Arbeitens vermittelt und eine gute Praxis vorgelebt wird. Durch verstärkte Angebote im Bereich der Schlüsselqualifikationen und verpflichtende Tutorien haben die Universitäten die wachsende Bedeutung des wissenschaftlichen Propädeutikums erkannt. Ergänzend werden von einigen Hochschulen in Deutschland Software-Lösungen zur Plagiatsprüfung eingesetzt, so etwa von der Universität Bielefeld, der Humboldt-Universität zu Berlin, der TU Dortmund und der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität zu Köln.

In den Workshops zu Plagiat und Plagiaterkennung, die seit vergangenem Sommersemester an der Universitätsbibliothek Heidelberg angeboten werden, wird ebenfalls die Leistungsfähigkeit von Plagiaterkennungs-Software getestet. Die Teilnehmer sind aufgefordert, eigene, absichtlich mit Plagiaten versehene Texte mitzubringen, die von der Erkennungs-Software – im Einsatz ist das weltweit verbreitete System Turnitin des amerikanischen Anbieters iParadigm – mit frei zugänglichen Internetquellen, lizenzpflichtigen digitalen Beständen sowie Studienarbeiten aus der Datenbank des Anbieters abgeglichen werden. Die Leistungsfähigkeit von Plagiaterkennungs-Software ist aktuellen Tests zufolge noch begrenzt, doch bietet die Technologie im Vergleich zu einer Google-Suche die Möglichkeit, Texte in einem Arbeitsschritt zu analysieren.

Es erscheint offensichtlich, dass es sich bei der getesteten Software Turnitin um keine „magic bullet“ im Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten handelt. Eine mögliche Verwendung von Erkennungs-Software muss unter Einbeziehung aller urheber- und datenschutzrechtlichen, technischen sowie wissenschaftsethischen Fragestellungen kritisch diskutiert werden. „Ich sehe in Software zur Erkennung von Plagiaten nur eines von mehreren Instrumenten, die wir zum Einsatz bringen können. Am wichtigsten ist mir die Aufklärung über die Sinnhaftigkeit guter wissenschaftlicher Praxis, ebenso wie gelebte gute Praxis“, so Prof. Funke.

Allerdings werden die technischen Möglichkeiten, digitale Texte und Textbausteine individualisiert und automatisiert zu verarbeiten, künftig weiter zunehmen. Ob eine Bewertung der so entstandenen wissenschaftlichen Ergebnisse auch ohne technische Hilfsmittel möglich sein wird, gilt es weiterhin zu diskutieren.

Kontakt:

Dr. Martin Nissen
Fachreferent für Geschichte und Klassische Philologie der Universitätsbibliothek
E-Mail: nissen@ub.uni-heidelberg.de

http://plagiat-und-plagiaterkennung-ub.uni-hd.de

www.uni-heidelberg.de/universitaet/profil/wissenschaftliche_praxis/index.html

Siehe auch: Editorial von Prorektor Prof. Thomas Pfeiffer im aktuellen Forschungsmagazin „Ruperto Carola“

Video: „Plagiatsaffäre um Koch-Mehrin: Das sagen die Heidelberger Studenten“

Plagiat RInterview mit Dr. Martin Nissen zu Fälschungen in der Wissenschaft

Herr Nissen, ist die Idee zu diesem Workshop aus aktuellem Anlass geboren?

„Nicht unmittelbar. Erwachsen ist das Konzept eigentlich aus der Beschäftigung mit Urheberrecht und elektronischem Publizieren. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen aus der Universitätsbibliothek habe ich dazu bereits mehrere Workshops veranstaltet. Die aktuellen Fälle gaben uns dann aber tatsächlich den Anstoß, den Workshop, den ich zusammen mit Dr. Christina Mainka von der Wissenschaftlichen Weiterbildung veranstalte, auf das Thema Plagiat und Plagiaterkennung zu fokussieren.“

An wen richtet sich diese Veranstaltung und was sind die Inhalte?

„Der Workshop richtet sich an fortgeschrittene Studierende, an Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter aller Fächer. Im ersten Teil geht es vor allem um die urheberrechtlichen Grundlagen. Das Urheberrecht regelt in Paragraph 51 relativ klar, wo die Grenzen des Zitats liegen. Ferner geht es um die wissenschaftlich-ethische Dimension im Umgang mit Plagiaten. Im zweiten Teil des Workshops beschäftigen wir uns dann mit der Plagiaterkennungs-Software Turnitin. Die Teilnehmer werden aufgefordert, mit Plagiaten versehene Texte mitzubringen und die Software auszuprobieren.“

Wie leistungsfähig ist dieses technische Hilfsmittel?

„Turnitin ist renommiert und weltweit am stärksten verbreitet – insbesondere im angloamerikanischen Raum. Die Software gehört sicherlich zu den besten Angeboten auf diesem Gebiet. Wir nutzen sie in unserem Workshop, weil wir für die Teilnehmer eine Lizenz haben. Aber eine Wunderwaffe ist auch sie nicht. Uns ist es wichtig, zunächst einmal ein Bewusstsein für die Thematik zu schaffen und Hilfsmittel wie Turnitin auch in ihren Grenzen vorzustellen. Konsequenzen daraus müssen letztlich in den einzelnen Fakultäten und Instituten gezogen werden.“

Wurde eigentlich in dem Workshop viel über die prominenten Plagiatsfälle diskutiert?

„Natürlich war das Thema präsent und wir sind immer wieder darauf zu sprechen gekommen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren über die aktuellen Fälle bis in die Einzelheiten sehr gut informiert. Aber auch das Interesse an den Hintergründen war groß, beispielsweise an der Frage, welche Sanktionsmöglichkeiten es an der Universität Heidelberg gibt und wie man Plagiate schneller aufdecken kann.“

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