Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Zellgedächtnis von Mensch und Pflanze ähneln sich

Mit einem ähnlichen Mechanismus sorgen bestimmte Gene bei Pflanzen und beim Menschen dafür, dass Zellen Informationen über ihr genetisches Schicksal an ihre Tochterzellen weitergeben können. Diese überraschende Entdeckung haben Biologen der Universität Heidelberg bei Untersuchungen an der molekularbiologischen Modellpflanze Ackerschmalwand aus der Familie der Kreuzblütler gemacht.

Danach gibt es strukturelle Ähnlichkeiten zwischen zwei pflanzlichen Proteinen und einem menschlichen Protein, das beim sogenannten Zellgedächtnis mitwirkt. Die Ergebnisse des Forscherteams unter Leitung von Dr. Myriam Calonje wurden in der Zeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht.

Ausgangspunkt der Untersuchungen war die Entdeckung einer Pflanze der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), bei der die Funktionen des zellulären Gedächtnisses gestört waren: Die Pflanze wies eine große Zahl von Abweichungen auf; unter anderem verwandelten sich bereits kurz nach der Keimung einzelne Bereiche der Keimblätter wieder in embryoartige Strukturen zurück.

Mit molekulargenetischen Untersuchungen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass es sich dabei um sogenannte somatische Embryonen handelt, also Embryonen, die von bereits differenzierten Zellen gebildet werden. Damit wird den Tochterzellen das Schicksal der vorhergehenden Zellgeneration nicht mitgeteilt und sie starten noch einmal mit dem Entwicklungsprogramm.

Links eine junge, sich normal entwickelnde Ackerschmalwand; rechts eine, bei der die Funktionen des zellulären Gedächtnisses gestört sind: Bereits kurz nach der Keimung verwandeln sich einzelne Bereiche der Keimblätter wieder in embryoartige Strukturen zurück.

Die Heidelberger Forscher konnten zwei Gene ausmachen, deren Defekt für diese Störung verantwortlich ist. Die beiden Gene kodieren wiederum zwei Proteine, die strukturelle Ähnlichkeiten aufweisen mit dem humanen BMI1-Protein. Dieses Protein ist Teil eines molekularen Mechanismus, der als zelluläres Gedächtnis bezeichnet wird. „Die Mechanismen des Zellgedächtnisses der Ackerschmalwand sind denen des Menschen sehr ähnlich, auch wenn ein Teil der beteiligten Gene im Verlauf der Evolution ausgetauscht wurde“, erläutert Dr. Calonje.

Kooperationspartner in Madrid haben nachgewiesen, dass das pflanzliche BMI1-Protein wie sein humaner Verwandter ebenfalls wichtige Komponenten der Erbsubstanz – sogenannte Histone – chemisch markiert. Mit der Folge, dass das Gen von einem bestimmten Zeitpunkt an abgeschaltet ist. Diese spezielle Markierung kann ohne Veränderung des DNA-Codes an die durch Zellteilung entstandenen Tochterzellen weitervererbt werden. Was bedeutet, dass es die bei Arabidopsis gefundenen Gene den Zellen ermöglichen, die Information über ihr genetisches Schicksal an die nächste Zellgeneration weiterzugeben.

Kontakt:

Dr. Myriam Calonje
Heidelberger Institut für Pflanzenwissenschaften
Abteilung Biodiversität und Pflanzensystematik
Telefon: 0 62 21/54-46 35
E-Mail: mcalonje@hip.uni-heidelberg.de

Bratzel et al.: Keeping Cell Identity in Arabidopsis Requires PRC1 RING-Finger Homologs that Catalyze H2A Monoubiquitination, Current Biology (2010), doi:10.1016/j.cub.2010.09.046