Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Lebendige Wissenschaft und „weiche Fähigkeiten“

Die „Hartmut Hoffmann-Berling International Graduate School of Molecular and Cellular Biology“ war in der zweiten Runde des Exzellenzwettbewerbs 2007 erfolgreich und wird damit in den kommenden Jahren mit rund fünf Millionen Euro gefördert. Ein Gespräch mit dem Projektsprecher und Mediziner Prof. Michael Lanzer (Foto: Friederike Hentschel) vom Hygiene-Institut der Ruperto Carola über die lebenswissenschaftliche Schule:

Herr Prof. Lanzer, wie kam es zu dem Namen der neuen Graduiertenschule?

"Hartmut Hoffmann-Berling war einer der ersten Molekularbiologen in Heidelberg. Bis in die 80er-Jahre war er Direktor am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung. Er hat unter anderem ein Enzym entdeckt, das bei der Replikation der DNA eine wichtige Rolle spielt; und er ist nun Namensgeber der Graduiertenschule – deren Hauptarbeitsfeld ist die Molekular- und Zellbiologie. Er hat früh erkannt, dass die Molekularbiologie das Zukunftsforschungsgebiet der Biowissenschaften und der Medizin sein wird. Hoffmann-Berling war maßgeblich daran beteiligt, dass das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) nach Heidelberg kam und dass hier das Zentrum für Molekulare Biologie Heidelberg der Universität (ZMBH) gegründet wurde."

Wo liegen die Forschungsschwerpunkte der neuen Graduiertenschule?

"Die Molekular- und Zellbiologie bildet die Grundlage für die Lebenswissenschaften und wird heute überall angewendet. Insofern stellt die thematische Ausrichtung ein alle diese Disziplinen übergreifendes Konzept dar. Wir haben allerdings auch vier Forschungsschwerpunkte definiert: die molekularen Mechanismen in der Zelle, die Infektionsforschung, die Biotechnologie und schließlich die Zelldifferenzierung mit den Prozessen, die zur Krebsentstehung führen."

Welche Institutionen sind an der Graduiertenschule beteiligt?

"Sie wird vor allem von den Heidelberger Biowissenschaften und der Medizin getragen, hinzu kommen Forschungsgruppen aus Chemie, Physik und Mathematik sowie aus dem Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Die Schule arbeitet zudem eng mit dem ebenfalls in der Exzellenzinitiative geförderten Forschungsverbund ,Zelluläre Netzwerke’ zusammen, wobei Doktoranden der Schule an Projekten des Forschungsverbundes arbeiten werden. Heidelberg ist in der glücklichen Lage, dass die Lebenswissenschaften sowohl eine Graduiertenschule als auch einen Forschungsverbund im Zuge der Exzellenzinitiative eingeworben haben. Dementsprechend hoch werden die Maßstäbe sein, die später für die Verlängerung dieser Projekte angelegt werden."

Wie ist Ihre Schule organisiert?

International und familienfreundlich ist die neue Graduiertenschule – hier im Hygiene-Institut (v.l.) die jungen Wissenschaftler Sebastiano Bellanca (Italien), Theodora Saridaki (Griechenland), Oliver Silvie (Frankreich) und Elyzana Putrianti (Indonesien).
Foto: Dagmar Welker

"Die Schule wird von einem Sprecher geleitet. Diese Aufgabe teile ich derzeit mit meinem Kollegen Prof. Elmar Schiebel vom ZMBH. Der Sprecher wird von einer Geschäftsführerin und einem Koordinator für die Lehre unterstützt. Die Schule ist vorübergehend in Räumen des ZMBH der Universität untergebracht, bis sich ein geeignetes Domizil findet."

Aber sie hat bereits ihre Arbeit aufgenommen.

"Ja, die Graduiertenschule hat schon im Oktober vergangenen Jahres begonnen. Insgesamt werden an der Graduiertenschule etwa 360 Doktoranden lernen, darunter 20 Medizinstudenten, die einen doppelten Doktorgrad – der Medizin und der Naturwissenschaften – erwerben können. Die Ausbildung erfolgt durch die akademischen Mitglieder der Schule. Dies sind derzeit etwa 85 Professoren und Nachwuchsgruppenleiter."

Gibt es auch unmittelbar berufsvorbereitende Hilfestellungen?

"In erster Linie soll die Ausbildung der Doktoranden verbessert werden. Neben der fachlichen Qualifikation sollen auch die so genannten ,weichen Fähigkeiten’, also Fähigkeiten im kommunikativen, publizistischen oder sozialen Bereich, gefördert werden. Dies soll die Doktoranden besser auf das Berufsleben vorbereiten. Um den Übergang von der Hochschule in den Beruf zu erleichtern, hat die Schule einen eigenen Berufsberater, der mit jedem einzelnen Doktoranden realistische und den Fähigkeiten des Doktoranden angemessene Karrierewege erarbeitet. Die Schule wird auch aktiv bei der Jobsuche, unterstützt durch ein engmaschiges Netzwerk an Kontakten zu industriellen und akademischen Partnern. Einige der industriellen Partner, wie beispielsweise die BASF, Roche Diagnostics, GE Healthcare und Becton und Dickinson unterstützen die im Exzellenzwettbewerb mit fünf Millionen Euro ausgestattete Graduiertenschule zudem mit zusätzlichen Mitteln etwa für Kurse, Workshops und Stipendien."

Wie werden die Fördergelder eingesetzt?

"Hauptsächlich werden diese Mittel für Stipendien, Qualifizierungsmaßnahmen, Kurse und Workshops und für Familienunterstützung verwendet. Es ist sehr schwierig für einen jungen Wissenschaftler, Familie und berufliche Ausbildung zu vereinen. Wir werden daher pro Jahr rund 100 000 Euro für Familienförderung ausgeben, um beispielsweise Kindergartenplätze oder Tagesmütter zu finanzieren. Denn Kinder während der Promotionsphase dürfen nicht zu einem Abbruch der Ausbildung führen, wie es leider heute allzu oft vorkommt."

Die Schule begreift sich als "International Graduate School".

"Alle Stellen werden in einem transparenten Verfahren international ausgeschrieben. Wir haben im Internet ein neues Bewerbungsportal entwickelt, das weltweit genutzt werden kann. Und wir wählen dann die besten Kandidaten für die englischsprachige Graduiertenschule aus. Wir hoffen, die besten Doktoranden nach Heidelberg zu locken. In Deutschland wollen wir das Master- mit dem Doktorandenprogramm vernetzen und Heidelberger Master-Studierende aufnehmen. Für sie bedeutet es gleichermaßen Transparenz in der Ausbildung wie soziale Absicherung, wenn sie bruchlos in eine Doktorandenstelle übergehen können. Schließlich könnten die langen Studienzeiten verkürzt werden. So stößt dieses Konzept auch bei unseren Studierenden auf eine starke Resonanz."

Heribert Vogt, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung