Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Der virtuelle Patient setzt sich im Studium durch

Patienten behandeln – wenn auch nur im Computer – statt Auswendiglernen: Für die Heidelberger Medizinstudenten ist dies eine ideale Vorbereitung auf die klinische Praxis. Das Projekt „Lernen und Prüfen mit virtuellen Patienten“ des Heidelberger Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin und des Zentrums für virtuelle Patienten der Medizinischen Fakultät ist jüngst beim „Wettbewerb zur Integration von E-Learning in die Medizinische Lehre“ mit dem ersten Platz ausgezeichnet worden.

Das Heidelberger Programm konfrontiert Medizinstudenten mit virtuellen Patienten einer Kinderklinik jeglicher Art, vom Baby mit Atemnot bis zum Jugendlichen, der an Bluthochdruck leidet. Der virtuelle Patient muss von den Studierenden selbstständig betreut werden – und sie müssen dabei schwierige klinische Probleme lösen. Sie erheben die Krankengeschichte, untersuchen den Patienten, treffen Entscheidungen über Diagnostik und Therapie, nehmen Laboruntersuchungen vor und ordnen Untersuchungen an.

Und so sieht ein Fall aus: Ein Kind klagt über Atembeschwerden. Ein Mausklick auf das Stethoskop und aus dem Lautsprecher des Rechners ertönen die Atemgeräusche. Die Studierenden begutachten angeforderte Röntgenbilder, Fieberkurven und Laborwerte. Authentisch ist auch die Auswahl und Dokumentation der Diagnose mit einem Zahlenschlüssel. Ob sie die richtige Diagnostik und Behandlung vorgenommen haben, erfahren die angehenden Ärzte durch den Vergleich mit dem realen Fallablauf und durch einen virtuellen Dozenten, der hilfreiches Feedback gibt.

Das Projekt "Lernen und Prüfen mit virtuellen Patienten" ist umfassend in das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin eingebunden. Die virtuellen Patienten sind fester Bestandteil in dem von Tutoren betreuten Kleingruppenunterricht und werden zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts am Krankenbett und der Vorlesungen eingesetzt. Ein elektronischer Stundenplan, der für jede Veranstaltung Auskunft zu Lernzielen und Arbeitsmaterial gibt, verweist ebenfalls auf jeweils passende virtuelle Patienten mit typischen Krankheitsverläufen. Die Studierenden können diese Patienten so auch zu Hause behandeln.

Anamnese am Bildschirm: ein innovatives Projekt der Heidelberger Uni.
Repro: Uniklinikum Heidelberg

Bei der Prüfung in Kinderheilkunde am PC spielen die virtuellen Patienten seit Juni 2006 ebenfalls eine wichtige Rolle: Die Studierenden werden mit kritischen Ereignissen bei der Betreuung eines Patienten konfrontiert – sie sollen die Sachlage richtig interpretieren und die entsprechenden Entscheidungen treffen. Ein Novum bei dieser Prüfung: Es gibt keine Auswahl von möglichen Antworten, die Antwort wird frei eingegeben. Das System vergleicht den Eintrag mit mehr als 9000 integrierten Diagnosen und lässt die endgültige Antwort nochmals durch den Studierenden bestätigen, um Missverständnisse auszuschließen.

"Aufgrund unserer positiven Erfahrungen mit den virtuellen Patienten wollen wir sie nun im Zuge von HeiCuMed in allen Fachbereichen sowie in der Vorklinik einsetzen", erklärt Dr. Sören Huwendiek, der das Projekt in der Kinderklinik zusammen mit Prof. Burkhard Tönshoff leitet. "Dabei ist es uns wichtig, dass unsere virtuellen Patienten den Studierenden nicht vom wirklichen Patienten abhalten sondern helfen, sich optimal auf diesen vorzubereiten."

Den mit 5000 Euro dotierten Preis, den das Projekt jetzt erhalten hat, verleiht das "Kompetenzzentrum E-Learning in der Medizin Baden-Württemberg" Konzepten, die wichtigen Lernstoff anschaulich und effektiv vermitteln und innovativ in den Lehrplan der Medizinstudenten integrieren. Die Lehre an virtuellen Patienten soll künftig in Heidelberg fester Bestandteil in allen medizinischen Fachgebieten sein.

Der Integrationspreis E-Learning 2007 ist nach dem Medidaprix 2002, den Comenius-Medaillen 2003 und 2004 sowie den Lehrpreisen der Medizinischen Fakultät Heidelberg 2003 und 2004 nun die sechste Auszeichnung für das innovative Projekt. Seit September 2007 wird es zusätzlich durch das EU-Projekt "Electronic Virtual Patients" finanziell gefördert.

Die virtuellen Patienten wurden mit dem System CAMPUS umgesetzt, das im Labor "Computerunterstützte Lehr/Lernsysteme in der Medizin" von Professoren und Hochschülern des Studiengangs Medizinische Informatik der Universität Heidelberg und der Fachhochschule Heilbronn unter Leitung von Prof. Franz Josef Leven und Prof. Martin Haag in Zusammenarbeit mit Prof. Burkhard Tönshoff, Leitender Oberarzt am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg, entwickelt wurde. Inzwischen wurde dieses Labor in "Zentrum für virtuelle Patienten" umbenannt und wird von Prof. Martin Haag und Dr. Sören Huwendiek gemeinsam geleitet. Neben der Weiterentwicklung der virtuellen Patienten ist nun auch die übergreifende curriculare Einbindung ein Schwerpunkt des Zentrums. Die Fallsammlung wurde bereits in den Jahren 1999 bis 2006 von einem Team um Prof. Tönshoff konzipiert und umgesetzt.

Siehe auch: ",CAMPUS-Export’ begeisterte die Nationen"

Kontakt:

Dr. Sören Huwendiek
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Im Neuenheimer Feld 153, 69120 Heidelberg
Tel. 06221/5638368
Email: soeren.huwendiek@med.uni-heidelberg.de

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