Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Anatomie am virtuellen Seziertisch

Heidelbergs Medizinstudenten können – als Ergänzung zum traditionellen Präparierkurs – in einem virtuellen Präpariersaal ihre Anatomiekenntnisse vertiefen: Am Bildschirm lassen sich Organe, Blutgefäße und Knochen ebenso freilegen wie an Leichen. Dazu werden Computerprogramme genutzt, die Radiologen ursprünglich zur Vorbereitung schwieriger Operationen entwickelt haben.

Seit dem laufenden Wintersemester wird bundesweit erstmalig das Seminar „Virtuelle Anatomie“ angeboten, das die räumliche Orientierung im Körper und die Einordnung von anatomischen Strukturen erleichtert. Das Lehrangebot wurde am Institut für Anatomie der Universität in Zusammenarbeit mit der Abteilung Radiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum entwickelt und wird von der Klaus Tschira Stiftung in Heidelberg mit rund 200 000 Euro unterstützt.

Erwünschter Nebeneffekt des innovativen Lehrprogramms: Bereits in der Vorklinik lernen die Studierenden, klinische Schnittbilder verschiedener radiologischer Verfahren wie der Computer- oder Magnetresonanz-Tomographie richtig einzuordnen, zu interpretieren und zu bearbeiten. "Bildgebende Verfahren gewinnen in der modernen Medizin immer mehr an Bedeutung, da sie exakte Einblicke in den menschlichen Körper bieten", erklärt Prof. Joachim Kirsch, Geschäftsführender Direktor des Heidelberger Instituts für Anatomie und Zellbiologie.

Leistungsfähige Rechner und ein Programm, das die dreidimensionale Rekonstruktion des menschlichen Köpers aus Röntgen- oder MRT-Bildern erlaubt, sind die Grundlagen des Kurses. Technik und Lehrplan entwickelten Prof. Kirsch und Sara Doll in intensiver Zusammenarbeit mit der Abteilung Radiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) mit Prof. Hans-Ulrich Kauczor, Dr. Frederik Giesel und Medizinstudent Fabian Rengier.

Lunge und Brustkorb aus dem virtuellen Präpariersaal.
Repro: DKFZ/Uniklinikum Heidelberg

Der neue Kurs findet parallel zum Präparierkurs an menschlichen Leichen statt und behandelt jeweils das gleiche Thema. "So können die Studierenden auch Strukturen betrachten, die schwer zu erhalten sind und im Präparierkurs weggeschnitten werden", erläutert Sara Doll, die als präparationstechnische Assistentin der Fachrichtung Medizin sowohl Seminar als auch Präparierkurs betreut.

Der Lernstoff wird dabei zunächst anhand von anatomischen Abbildungen besprochen. Bei der virtuellen Präparation betrachten die Studierenden dann am PC in Eigenregie die Organe, Knochen und Gefäße in unterschiedlichen Ebenen; Schnittbilder mit einer optimalen Darstellung werden entsprechend beschriftet. Das Ergebnis bewertet der Betreuer. "Erfahrungsgemäß tun sich die meisten zunächst schwer damit, die richtige Körperebene zu finden", so Sara Doll, "denn dies setzt detaillierte Kenntnisse in Anatomie voraus."

Erste Umfragen haben gezeigt, dass die Studierenden das Konzept gut annehmen und als sehr hilfreich empfinden. Trotzdem soll es noch weiter verbessert werden. "Gemeinsam mit Dr. Giesel vom DKFZ arbeiten wir daran, die Abbildung schlecht sichtbarer Strukturen wie der Nerven zu verbessern", weiß Sara Doll. Dazu sollen Scans von Leichen herangezogen werden, da hier mit höheren Strahlendosen gearbeitet und eine höhere Auflösung erzielt werden kann.

Kontakt:

Prof. Joachim Kirsch
Geschäftsführender Direktor des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der Universität Heidelberg
Tel. 06221/548657
E-Mail: joachim.kirsch@urz.uni-heidelberg.de