Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Philosophieren im Computerspieltempo

Das Filmporträt habe er sich noch nicht angesehen, er würde zu sehr über sich selbst erschrecken, wenn er mit ansehen müsste, wie er diskutiert, polemisiert und interpretiert. Der Slowene Slavoj Žižek gilt als einer der umstrittensten Philosophen, ist aber – ganz abgesehen von seiner Medienpräsenz – auch einer der wichtigsten. Schön, dass er einer Einladung des Philosophischen Seminars in die Heidelberger Neue Aula gefolgt war und über „Hegel als Theologe des Todes Gottes“ sprach.

Žižek ist eine Ausgeburt an Temperament – freundlich und bescheiden philosophiert er nimmermüde im Computerspieltempo, auch in deutscher Sprache. Was einen gefangen nimmt, ist sein rhetorischer Witz, hier tatsächlich zu verstehen als die Fähigkeit, zwei völlig unterschiedliche Bereiche miteinander in Bezug zu setzen, so dass eine neue Einsicht in gewohnte Sachverhalte entsteht.

Er erklärt Hegel mit Hitchcock oder seinem Regisseurkollegen Christopher Nolan, mit Hemingway, Borges oder Proust, mit Honecker-Witzen oder dem Stalinismus, ja mit Computerspielen. Und der Philosoph des deutschen Idealismus, den alle bewundern aber keiner versteht, wird plastisch und anschaulich.

Alles begann mit dem Studium in Paris bei dem Lacan-Schüler Jacques-Alain Miller, es folgten politisches Engagement in seiner slowenischen Heimat und Buchveröffentlichungen. Markstein seiner Rezeption in Deutschland war die deutsche Übersetzung seiner Monographie "Die Tücke des Subjekts" von 2001. Jüngstes umfangreiches Werk trägt den kryptisch scheinenden Titel "Parallaxe".

Sprach in der Neuen Aula über „Hegel als Theologe des Todes Gottes“: der bekannte slowenische Philosoph Slavoj Žižek.
Fotos: Kate Milford, Zeitgeist Films

Žižeks Denken vereinigt viele philosophische Strömungen der letzten Jahrzehnte, sei es Poststrukturalismus, Medientheorie oder Cultural Studies, nicht zu vergessen sein Rekurs auf die Psychoanalyse. Ferner seine Ausführungen zur politischen Theorie oder seine Neuinterpretationen des Marxismus sowie der Philosophie des Deutschen Idealismus.

Wie schwungvoll er das macht, bewies er in Heidelberg, ein feuriger Interpret, der um seine Provokationen weiß und immer bereit ist, sie zur Diskussion zu stellen. Behutsame Verfechter textgenauen Hegel-Deutens haben es nicht leicht mit ihm, er überbietet mit Argument um Argument. Das betrifft Žižeks Umgang mit Hegels Vorstellungen von Dialektik, Subjektivität, Objektivität und dem Absoluten ebenso wie seine Begriffe von der Notwendigkeit, der Zufälligkeit, der Kontingenz oder der Freiheit – und auch der Hegel’schen Religionsphilosophie, die am Anfang von Žižeks Überlegungen stand.

Der Zuhörer lernt zu verstehen, worauf er hinaus will. Indem Žižek sich dagegen sträubt, alle Erklärungen zu akzeptieren, möchte er weiterhin Möglichkeiten bewahren und eröffnen, um unter den Bedingungen der heutigen Globalisierung, dem Subjekt Chancen des (auch politischen) Handelns zu eröffnen. Dafür wird Hegel immer noch gebraucht.

Franz Schneider, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung