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Warum faszinieren die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten die ganze Welt?

Herr Professor Junker, wir haben da mal eine Frage ...

Ohne Fragen keine Wissenschaft. Die Redaktion des Unispiegels nimmt diesen Grundsatz ernst und bittet Heidelberger Wissenschaftler um Antwort. Wir fragen direkt, zielen mitten hinein in unser aller Leben und sind dabei von grenzenloser Neugierde getrieben.

Im Wahlkampf geht es nicht um eine Bestandsaufnahme der Wirklichkeit und nicht um die besten Ideen  der Kandidaten, wie die enormen Herausforderungen an das Amt bewältigt werden können,  sondern um marktgetestete und marktfähige Slogans, die auf die Wirkung von Bildern, Emotionen, Vorurteilen und Fiktionen zielen, zunehmend auch auf  Lügen und persönliche Attacken. Diese „neue Öffentlichkeit“ beruht auf der, ebenfalls marktgetesteten, Annahme, dass der Wähler grundsätzlich denkfaul sei und auch in der Politik mit Emotionalität, Wettstreit und Show ­unterhalten werden will. Ein solches, medial vermitteltes Wahlspektakel, fasziniert Menschen in der ganzen Welt, deshalb ist die globale Medien­resonanz enorm und deshalb dürfen die Menschen z.B. an den inszenierten Nominierungsparteitagen von Demokraten und Republikanern teilnehmen. Dass das Medium die Botschaft ist, weiß inzwischen jeder, der um  das knappste Gut in einer Demokratie kämpft, um öffentliche Aufmerksamkeit.

Ein weiteres Faszinosum der Präsidentschaftswahl liegt, wie schon gesagt, in ihrem offenen, demokratischen Charakter. Der Kampf um das mächtigste Amt der Welt ist außerordentlich spannend, wie ein guter Krimi oder ein gutes Fußballspiel; immer gut für Überraschungen und neue Akteure, vor allem mit einem nicht vorhersagbaren Ergebnis. Der Ausgang kann sogar erst in der Nachspielzeit durch die Gerichte entschieden werden, wie wir im Jahre 2000 gesehen haben.

Herr Professor Junker, wir haben da mal eine Frage ...  
Foto: Gattner

Mögen die Regeln dieses Wettbewerbs für Kritiker auch teilweise disfunktional und „ungerecht“ sein, so sind die Präsidentschaftswahlen doch ein Musterbeispiel für eine demokratische Elite-Auswahl.  Auf die Vorwahlen und die Wahlen selbst haben die Regierung, der Kongress und auch die Parteien wenig Einfluss, der Kampf um das Weiße Haus wird tatsächlich von den amerikanischen Wählern entschieden. Man muss nicht einmal an den Machtwechsel in Diktaturen erinnern, sondern nur an die Bundesrepublik, wo Kanzlerkandidaten bei Frühstücken in Wolfratshausen oder Berlin „inthronisiert“ werden, um die Attraktivität des amerikanischen „Graswurzelwahlkampfs“  zu erkennen.

Schließlich mag der eine oder andere in der Welt sich auch an die enorme Bedeutung des amerikanischen Präsidenten im Verfassungs-  und Machtgefüge der USA erinnern, um seine Faszination an diesen Wahlen zu begründen. George W. Bush hat ja gerade bewiesen, wie man als Präsident in sieben Jahren die Position einer einzig verbliebenen Supermacht verspielen kann.

Prof. Dr. Dr. h.c. Detlef Junker, einer der anerkanntesten Amerika­experten Deutschlands, war von 1975 bis 1994 Professor für Neuere Geschichte in Heidelberg, zwischen 1994 und 1999 Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Washington D.C und von 1999 bis 2004 erster Inhaber des Curt-Engelhorn-Lehrstuhls für amerikanische Geschichte in Heidelberg. Seit 2003 ist er zudem Gründungsdirektor des renommierten „Heidelberg Center for American Studies“ (HCA). 2007 wurde er für seine zahlreichen ­Verdienste um die Ruperto Carola zum ­„Distinguished Senior Professor“ ernannt.


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