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Poesie als Kulturvermittlung

Ein Heidelberg-Prager Team gibt die Werke des Lyrikers Vladimír Holan heraus

Unter der Herausgeberschaft von Professor Urs Heftrich, Lehrstuhl für Slavische Lite-raturwissenschaft, und seines Prager Kollegen Dr. Michael Špirit erscheint das Gesamtwerk des tschechischen Lyrikers Vladimír ­Holan (1905-1980) erstmals in deutscher und tschechischer Sprache. In einer auf 14 Bände angelegten kommentierten Ausgabe soll sein Werk in einer außerhalb Tschechiens bislang unerreichten Vollständigkeit geboten werden.

Das Schaffen Vladimír Holans, der als einer der bedeutendsten tschechischen Lyriker des 20. Jahrhunderts gilt, wird als streng und dunkel, sein Stil als schwer beschrieben. Komplizierte Metaphern und Antithesen, ein eigensinniger Umgang mit Grammatikregeln sowie die für ihn typischen Paradoxien machen das Übersetzen seines Werkes zu einer äußerst anspruchsvollen Aufgabe. Die Übersetzer und Herausgeber der deutsch-tschechischen Edition beweisen neben der profunden Kenntnis der sprachlichen Nuancen beider Sprachen ein feines Gespür für die Magie der Holanschen Lyrik. Auch dann, wenn sich seine Dichtung allein am Klang der Sprache berauscht und so die konkrete Bedeutung der Worte in den Hintergrund gerät, gelingt es dem Heidelberg-Prager Team, durch eine möglichst genaue Abbildung von Metrum, Rhythmus und Reim jene Musikalität zu transportieren, die das Werk lebendig macht.

Eine wichtige Rolle spielt nicht zuletzt die ausführliche Kommentierung – keine tschechische Gesamtausgabe hat das zu bieten. Vokabelerklärungen und Interpretationshilfen sind bei den Texten Holans mit seiner Neigung zu Neo­logismen und Exotismen erforderlich, um seine Dichtung auch einem ­nicht-wissenschaftlichen Publikum zugänglich zu machen. Darauf legen Urs Heftrich und Michael Špirit, der von 2001 bis 2006 Lektor für tschechische Sprache am Heidelberger Slavischen Institut war, großen Wert.

Literaturwissenschaft soll auf diese Weise ganz unmittelbar die Kultur unseres Nachbarlandes ­erschließen.
Kein Wunder, dass  das „Mammutprojekt“ in der Presse bereits als „Meilenstein in der deutsch-tschechischen Literaturvermittlung“ gefeiert wird, wobei die Partnerschaft der Ruperto Carola mit der Prager Karls-Universität für solch grenzüberschreitende Pionierarbeit einen exzellenten Rahmen bietet. Und auch die nächste Generation soll die langwierige Arbeit am Projekt weiterführen. So werden bereits jetzt zwei junge Übersetzerinnen, die beide ihr Studium an der Ruprecht-Karls-Universität absolviert haben, in die Ausgabe eingebunden: Helena Mastel und Viktoria Funk-Nešic wurden vor zwei Jahren in einer Wissenschaftlichen Übung von Urs Heftrich dafür in die hohe Kunst des literarischen Übersetzens eingeführt.

Im Dienste Vladimír Holans: Dr. Michael Špirit, Helena Mastel und Prof. Urs Heftrich (v.l.n.r.) übersetzen und geben das Werk des tschechischen Lyrikers heraus.    
Im Dienste Vladimír Holans: Dr. Michael Špirit, Helena Mastel und Prof. Urs Heftrich (v.l.n.r.) übersetzen und geben das Werk des tschechischen Lyrikers heraus.
Foto: Peter

Bereits erschienen sind Band 1, der die Werke der dreißiger Jahre „Das Wehen“, „Der Bogen“, „Stein kommst du...“ versammelt, und Band 8 mit Holans berühmten Poemen „Nacht mit Hamlet“ und „Toskana“. Im nächsten Jahr wird die Ausgabe im Universitätsverlag Winter, Heidelberg, mit einem Band der Gedichte aus den Jahren 1949 bis 1955 fortgesetzt. Im Zweijahrestakt sollen bis 2030 alle der insgesamt 14 Bände erschienen sein. Als Band 15 ist schließlich noch eine Veröffentlichung der bislang nur auf Tschechisch verfügbaren Holan-Biografie von Jirí Opelık geplant. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Kultusministerium der Tschechischen Republik und dem deutsch-tschechischen Zukunftsfond. Weitere Förderer der Ausgabe sind willkommen.
Irina Peter

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