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Zuerst kamen die Händler, dann die Missionare

Eine Ausstellung des Heidelberger Südasien-Instituts präsentiert europäische Reiseberichte von der Frühen Neuzeit bis in die Moderne

Nicht erst seit der Beantragung des Exzellenzclusters "Asia and Europe in a Global Context: Shifting Asymmetries in Cultural Flows" steht der Austausch zwischen beiden Kontinenten auf der wissenschaftlichen Tagesordnung. Das Südasien-Institut (SAI) nimmt hier eine ganz zentrale Stellung ein. Zu seinen bibliothekarischen Aufgaben gehört seit zwei Jahren u.a. das DFG-Sondersammelgebiet Südasien. Angeschafft wird, und das möglichst komplett, aktuelle Literatur aus und über diese Region zu allen möglichen Fachgebieten. Dass die SAI-Bibliothek zudem über teilweise jahrhundertealte Buchschätze verfügt, zeigt jetzt eine kleine Vitrinenausstellung im Eingangsbereich der Universitätsbibliothek.

"Wenn einer eine Reise tut..." Diese Redewendung, die zugleich beschreibender Titel der Ausstellung ist, besitzt heute noch genauso viel Gültigkeit wie vor 500 Jahren, als der Handelsreisende Balthasar Sprenger seinen anschaulichen Bericht über eine Reise nach Indien und seinen viermonatigen Aufenthalt dort unter dem Titel "Die Merfart vn erfarung nüwer Schiffung vnd Wege zu viln onerkanten Inseln vnd Künigreichen" (1509) und unter Beigabe von 13 Holzschnitt-Illustrationen veröffentlichte. Seit Sprengers Reise haben sich nicht nur die Transportmittel verändert, sondern auch die Motive der Reisenden.

Waren die frühen Indienreisenden in erster Linie noch Händler für Gewürze und Stoffe, die sich in dieser Region neue Märkte erschlossen, kamen im 18. und 19. Jahrhundert, als sich Großbritannien auf dem indischen Subkontinent als Kolonialmacht etablierte, verstärkt Missionare und Beamte nach Indien, die ihre Erfahrungen in der Fremde für ein einheimisches Lesepublikum niederschrieben. Das Mitteilungsbedürfnis von Reisenden sowie das Interesse der Leserschaft an Berichten über Abenteuer in fremden Welten scheint gleichsam ungebrochen und unerschöpflich: bereits im 17. Jahrhundert erfreute sich Reiseliteratur einer großen Beliebtheit – wie zum Beispiel an den zahlreichen Übersetzungen und Neuauflagen von Jean-Baptiste Taverniers Six voyages (Erstauflage 1676) zu sehen ist.

Reisebericht aus dem 17. Jahrhundert: Jean Baptiste Tavernier brachte aus Indien wertvolle Diamanten mit.
Reisebericht aus dem 17. Jahrhundert: Jean Baptiste Tavernier brachte aus Indien wertvolle Diamanten mit. Abb.: Ausstellung

Reisen bedeutet eben weit mehr als nur von Punkt A zu Punkt B zu gelangen. Es impliziert – nicht nur bei fernen Zielen – immer auch die Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Anderen, dem zugleich faszinierend und beängstigend Fremden. Die Topoi in den Berichten – die George F. Atkinson 1854 prägnant in einem Gedicht "What varied opinions we constantly hear" in Worte fasste – mögen gleich bleiben, deren Darstellung und damit auch deren Bewertung bleiben der Zeit sowie der Persönlichkeit des auktorialen Blickwinkels verhaftet.

Dass die Bibliothek des Südasien-Instituts über reichhaltiges Material aus dem 19. Jahrhundert verfügt, war bekannt und anhand der Kataloge auch leicht zu verifizieren. Die ganz alten Werke sind jedoch nur unvollständig nachgewiesen. Insofern kann man fast schon von unverhofften Schätzen sprechen, als man bei der Zusammenstellung der Exponate in den Rara-Schränken auf so viele frühe Reisebeschreibungen aus dem 17. Jahrhundert stieß. Nach Beendigung der Vitrinenausstellung sollen deshalb diese Bücher retrokatalogisiert werden, so dass sie dann auch im elektronischen Katalog HEIDI zu finden sein werden.

Bis Ende März ist die Ausstellung zu sehen. Und noch ein Tipp: unter www.savifa.de findet der Südasien-Interessierte eine vom SAI aufgebaute Virtuelle Fachbibliothek, abonniert werden kann dort auch der Newsletter "Masala" mit vielen Hinweisen.

Nicole Merkel / Dominique Stöhr
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