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Im Zentrum die Musik selbst

Nobelpreis für Geisteswissenschaftler: Ludwig Fischner erhält Balzan-Auszeichnung

Der Heidelberger Musikwissenschaftler Prof. Dr. Ludwig Finscher wird mit dem renommierten Balzan Preis 2006 ausgezeichnet. Das gab die Internationale Balzan Stiftung in Mailand bekannt. Finscher, Emeritus der Ruperto Carola, zählt laut Würdigung der Stiftung „weltweit zu den bedeutendsten Musikwissenschaftlern“.
Ausgezeichnet: Ludwig Finscher.  
Ausgezeichnet: Ludwig Finscher.
Foto: privat

Ludwig Finscher wurde 1930 in Kassel geboren und studierte von 1949 bis 1954 an der Universität Göttingen, wo er mit einer Dissertation über „Die Messen und Motetten Loyset Compères“ promoviert wurde. 1967 habilitierte er sich an der Universität Saarbrücken mit der Arbeit „Das klassische Streichquartett und seine Grundlegung durch Joseph Haydn“. Als Professor lehrte er an der Universität Frankfurt am Main und später bis zu seiner Emeritierung an der Universität Heidelberg.

Seine wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf vier Bereiche, sie alle betreffen den historischen Zeitraum vom späten Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Seine umfangreichen Studien zum Streichquartett, zur Kammermusik und zu Joseph Haydn sind Standardwerke, ebenso seine Edition der zweibändigen Musik des 15. und 16. Jahrhunderts. Über 130 Aufsätze in wissenschaftlichen Publikationen zeigen die historische Breite seiner Forschungen. Zu den Gesamtausgaben der Werke von Chr. W. Gluck, W. A. Mozart trug er ebenso bei wie für die lange vernachlässigte fundierte Edition der Kompositionen von Paul Hindemith. Zu den wichtigsten Initiativen Finschers zählt die Neuauflage der 26-bändigen Enzyklopädie Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), für die er nicht nur als Generalherausgeber, sondern auch als Autor von ca. 40 Artikeln verantwortlich zeichnet. Auch wirkt er als Mitherausgeber der Capellae Apostolicae Sixtinaeque Collectanea Acta Monumenta.

„Alle Arbeiten Finschers sind von exzeptioneller Qualität, immer geht er auf die Primärquellen zurück, jeweils kommentiert er die vorhandene Sekundärliteratur. Dabei fällt sein vornehm-zurückhaltender Charakter auf, der emotionelle öffentliche Auseinandersetzungen meidet und andere Meinungen gelten lässt. Es ist immer die Musik selbst, die er in das Zentrum seiner Darstellungen setzt, doch sieht er sie als Teil geistiger, kultureller, sozialer Geschehnisse, welche er in klaren Worten und mit Einfühlungsvermögen in vergangene Zeiten zu skizzieren versteht“, würdigte Gottfried Scholz in seiner Laudatio für die Internationale Balzan Stiftung das Werk Finschers bei der öffentlichen Bekanntgabe der Preisträger 2006. Gerade seine verständliche, terminologisch prägnante Schreibweise hebe sich positiv ab von der Usance, durch neue Wortschöpfungen und vage Formulierungen Aussagen zu relativieren. Als ein Beispiel für seinen Stil hebt Scholz den Aufsatz „Zum Begriff der Klassik in der Musik“ hervor. Und weiter: „Das große Ansehen Finschers in der internationalen Fachwelt manifestiert sich in den hohen Ämtern (ehemaliger Präsident der Gesellschaft für Musikforschung, der internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaft) und in den ehrenvollen Mitgliedschaften zu Akademien in und außerhalb Deutschlands und des Ordre pour le mérite“.

Die Stiftung vergibt jährlich vier Wissenschaftspreise: Je zwei gehen an den Bereich Geistes-, Sozialwissenschaften und Kunst; zwei weitere an die Fachbereiche Physik, Mathe- matik, Naturwissenschaften und Medizin. Von der Preissumme – je eine Million Schweizer Franken (rund 640 000 Euro) – stellt der Preisträger die Hälfte für durch ihn bestimmte Forschungsprojekte von Nachwuchswissenschaftlern zur Verfügung. Die Auszeichnungen werden anlässlich der Preisverleihung am 24. November 2006 durch den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano in der Accademia Nazionale dei Lincei in Rom übergeben. Bereits im vergangenen Jahr war mit dem Heidelberger Sinologen Lothar Ledderose ein Deutscher unter den Balzan-Preisträgern.

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