Das Schottische nimmt ab

Kennt in Schottland jedes Kind: „Oor Wullie“. Anne Hoyer hat nun die sprachliche Entwicklung dieser Serie analysiert. Foto: Fink

Die Antwort ist im Grunde einfach. „Oor Wullie“ lautet das Dissertationsthema. Und dahinter verbirgt sich Schottlands populärster Comic. 1936 erblickte er das Licht der Welt und ist seitdem aus der dortigen Populärkultur nicht mehr wegzudenken. „Die Jahrbücher verkaufen sich so gut wie es Häuser in Schottland gibt“, erzählt die junge Wissenschaftlerin. Vor zwei Jahren wurde der Protagonist, „ein etwa neun Jahre alter Lausebengel, der dauernd Unfug treibt“ (Hoyer), sogar zum Nationalhelden gewählt – noch vor Sean Connery.

Doch die Popularität ihres Untersuchungsgegenstandes allein erklärt wohl noch nicht das große Echo. Mit ihrer linguistischen Analyse ist Anne Hoyer nämlich auf etwas gestoßen, was so manchen identitätsbewussten Schotten zumindest aufhorchen lässt: Das Schottische nehme, so die These der Doktorarbeit, seit Jahrzehnten kontinuierlich ab, das British Standard English dagegen halte immer mehr Einzug. Nachweisen konnte Anne Hoyer das auf der lautlichen, der lexikalischen, der syntaktischen und der morphologischen Ebene. Geholfen hat ihr dabei ein Computerprogramm, mit dem sie Wortlisten und Konkordanzen erstellen konnte. Obwohl Anne Hoyer schon einzelne Geschichten ins Deutsche übersetzt hat, wagt der Verlag bislang nicht den Sprung über die Grenzen – sie seien inhaltlich doch zu sehr in der dortigen Kultur verankert. Doch wer weiß? Vielleicht wird eine weitere Heidelberger Dissertation auch diesbzüglich Erosionsprozesse feststellen.