Siegel der Universität Heidelberg
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Katholiken in Freiburg, Protestanten in Heidelberg

Wilhelm von Drais war nicht nur Wegbereiter einer folgenreichen Strukturentscheidung, sondern auch ein Schlichter

Zum 250. Mal jährt sich im Herbst dieses Jahres der Geburtstag des badischen Hofbeamten und Juristen Wilhelm von Drais (1755-1830). In einer kritischen Phase hat er sich um die Ruprecht-Karls-Universität verdient gemacht, als nämlich das kleine Fürstentum Baden 1806 dank seinem Bündnis mit Napoleon neben enormen 3 400 km2 Gebietsgewinn mit 280 000 neuen Untertanen nach der Heidelberger auch noch die Freiburger Universität erhielt. Besaß Baden vor kurzem noch gar keine Hochschulen, so waren nun gleich zwei zu unterhalten. Und lange stand das Menetekel im Raum, dass eine davon geschlossen werden müsse.

Als Besitzergreifungskommissar für den bislang österreichischen Breisgau hatte der badische Herrscher Carl Friedrich seinen bewährten Drais, Präsident des Rastatter Hofgerichts, nach Freiburg entsandt, wo der Lutheraner unter anderem die Klöster enteignen sollte. Vor allem erfolgte dort aber eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft beider Universitäten. Der Freiburger Theologieprofessor Wanker hatte das Gedankenspiel geäußert, das Theologiestudium künftig nach Konfessionen zu trennen: Katholiken in Freiburg, Protestanten in Heidelberg. Eine gute Idee. Kommissar Drais machte sich jedenfalls dieses Sparmodell zu eigen, rettete so die Freiburger Universität und ermöglichte damit der Ruperto Carola, künftig Professoren aus dem progressiven Norddeutschland zu berufen. Zum Dank erteilten ihm sowohl Heidelberg als auch Freiburg anlässlich seines 50-jährigen Dienstjubiläums die Ehrendoktorwürde.

Wilhelm von Drais Sohn Karl von Drais
Wilhelm von Drais (links) ist ein eher unbekanntes Kapitel Heidelberger Universitätsgeschichte. Sein Sohn Karl (rechts) dagegen wird schon mal als „folgensreichster Student“ der Ruperto Carola bezeichnet. Kein Wunder, erfand er doch das Zweirad. Unispiegel-Autor Horst-Eberhard Lessing hat dazu ein Buch vorgelegt, das unter dem Titel „Automobilität – Karl Drais und die unglaublichen Anfänge“ im Leizpiger Maxime-Verlag erschienen ist.
Abb.: Wehrtechnisches Museum Rastatt und Privatbesitz

Der am 23. September 1755 in Ansbach geborene Beamtensohn hatte an der Universität Altdorf Jura studiert und war dann 1777 am Karlsruher Hof untergekommen – das erste Jahr auf Probe und ohne Bezahlung. Denn wie jeder Beamtenadlige ohne Grundbesitz musste er in Fürstendienste treten. Der junge Höfling war ein Schöngeist und dichtete im Stile Klopstocks. In Freiburg gehörte er zum Kreis um den Dichter Jacobi und der Herrscherin widmete er ein Gedicht auf Karlsruhe. Nach Festanstellung mit seiner Kusine verheiratet schrieb er ein Singspiel „Elmine“, das von Goethefreund Johann André vertont und in Berlin uraufgeführt wurde. Sonntags ritt er oft nach Speyer zur 25 Jahre älteren Dichterin Sophie von LaRoche, die ihm später seine zweite Frau zuführte.

Doch zurück zum Dienst, der ihm durch Überanstrengung epileptische Anfälle bescherte, deren Selbstheilung er später unter Pseudonym in drei Bänden beschrieb – heute eine wichtige Quelle für Medizinhistoriker. Nach einem Intermezzo als Obervogt im damals badischen Hunsrück, dann Organisator des Rastatter Friedenskongresses, widmete er sich als Polizeidirektor in Karlsruhe dem Sozialwesen und richtete ein Rumfordsche Suppenanstalt und ein Gewerbehaus für die Bedürftigen ein. Seit 1810 war Drais Präsident des Oberhofgerichts in Mannheim, welches 1820 die Begnadigung des Kotzebue-Mörders und Studenten Ludwig Sand verwarf, der daraufhin vom Heidelberger Tierarzt und Scharfrichter geköpft wurde. Deshalb vereitelten Sand-Anhänger im Amt später die Umbettung des 1830 gestorbenen Wilhelm von Drais bei der Schließung des lutherischen Kirchhofs.

An der Heidelberger Universität ist der Name Wilhelm von Drais im Übrigen noch mit einem anderen Vorfall verbunden, bei dem er sich vor fast genau zweihundert Jahren als Schlichter eines Vorlesungsstreiks anlässlich des offiziellen Rauchverbots betätigte. Was war geschehen? Die Wachsoldaten hatten das Verbot dahingehend ausgelegt, dass sie in der Wache rauchen durften, Passanten davor jedoch nicht. Als ein Student einmal zu spät die Pfeife aus dem Mund nahm, schlug der Wachsoldat sie ihm mit dem Säbel aus dem Mund. Ein Skandal. Die Studenten zogen aufs Neuenheimer Feld aus und erklärten, erst nach restloser Aufklärung dieses und weiterer Vorfälle zu Schwetzingen weilende Carl Friedrich tobte und hielt eher zu seinen Soldaten. Zufällig weilte zu diesem Zeitpunkt auch Drais bei seinem Bruder im Schwetzinger Forstamt und wurde somit vom Herrscher beauftragt, den Konflikt zu lösen. Ergebnis: 30 Rohrstockhiebe für die Soldaten, 50 Stunden Karzer für den Studenten. Womit diese offenbar gut leben konnten. Denn sie brachten Wilhelm von Drais sofort ein Ständchen, unter ihnen auch Sohn Karl, der Zweirad-Erfinder, der mit der nach ihm benannten Draisine den Vater später an Bekanntheit noch übertreffen sollte. Doch das ist eine andere Geschichte.

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