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Kurzberichte junger Forscher

Integrierte Managementsysteme: Mehr Qualität, Umweltschutz und Arbeitssicherheit

Die Doktorarbeit von Alexander Pischon wurde mit dem Förderpreis des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg ausgezeichnet. Die Dissertation entstand im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes des Alfred-Weber-Instituts der Universität Heidelberg und der deutschen Asea Brown Boveri AG.
In der Vergangenheit entstanden vor allem in größeren Unternehmen verschiedene Arten von Führungs- oder Managementsystemen. Sie sollten der anwachsenden Komplexität in einem schwierigen Umfeld besser gerecht werden und sind zumeist funktional orientiert. Persönliche Kontakte werden dabei zunehmend durch systematisierte, strukturierte Berichterstattungen, Kontrollen und Entscheidungsprozesse ergänzt. Da diese Managementsysteme bislang jedoch nur Teilbereiche abdeckten, entstand eine Aufsplittung in Teilführungssysteme mit einem weitgehenden Eigenleben. Themen-orientierte Managementmodelle, beispielsweise die von der internationalen Normenorganisation ISO, erarbeiteten Ansätze für Qualitäts- und Umweltmanagementsysteme, entsprechen dieser Spezialisierung. Ähnliches gilt für Leitfäden und Normen zur Gestaltung vergleichbarer Managementsysteme auf den Gebieten Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.
Diese extern zertifizier- beziehungsweise validierbaren Teilmanagementsysteme wurden in den letzten Jahren in Unternehmen separat eingeführt, um die Bereiche Qualität, Umweltschutz sowie Arbeitssicherheit- und Gesundheitsschutz zu optimieren. Diese Entwicklung birgt jedoch die Gefahr, eine ganzheitliche Blickrichtung zu verlieren. Eine ganzheitliche Blickrichtung ist jedoch erforderlich, um ein Unternehmen langfristig in dem beschriebenen Umfeld zu behaupten. Je unabhängiger Teilmanagementsysteme werden, desto weniger sind sie in die unternehmensübergreifende Strategie eingebettet. Aufgrund einer fehlenden Harmonisierung der jeweiligen Organisationseinheiten und einer nicht vorhandenen oder mangelhaften Verknüpfung der Teilsysteme existieren heute in vielen Unternehmen funktionsübergreifende Redundanzen. Im schlimmsten Falle behindern sich mehrere Teilsysteme und bewirken so eher eine Erhöhung als eine Senkung der Komplexität. Diese Entwicklung führt zu der Frage: "Wie viele Teilmanagementsysteme braucht, beziehungsweise verkraftet ein Unternehmen maximal?" Das Thema der Zusammenführung verschiedener Subsysteme zu einem Integrierten Managementsystem (IMS) ist damit für viele Organisationen relevant.
Die Arbeit dokumentiert die Ergebnisse eines gemeinsamen Forschungsprojektes der Universität Heidelberg und der deutschen Asea Brown Boveri AG mit dem Thema "Aufbau und Implementierung eines Integrierten Managementsystems bei der Deutschen Asea Brown Boveri AG". Der Autor war als Projektleiter in der Zeit von März 1996 bis Februar 1998 an dieser Untersuchung beteiligt. Das Ziel des Projektes bestand darin zu prüfen, ob und auf welche Weise die bislang praktizierten Umwelt- und Qualitätsmanagementsysteme an die Umsetzungen der Anforderungen auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit zusammenzuführen sind. Als wesentliche Ziele einer Integration wurden folgende Aspekte erarbeitet: Komplexitätsreduktion, Kosteneinsparung durch Redundanzreduktion, Minimierung des Auditierungsaufwands, klare Verantwortlichkeiten durch Optimierung der Schnittstellen, größere Identifikation und Motivation der Mitarbeiter. Gleichzeitig waren jedoch die originären, funktionsorientierten Ziele der einzelnen Systeme zu bewahren. Unfallreduzierung beziehungsweise -vermeidung, optimale Qualität und geringe Umweltbelastungen waren als Primärziele auch nach der Zusammenführung zu erfüllen. Die Voraussetzung für die Einführung eines IMS ist eine modulare Basis, die es erlaubt, das bestehende Managementsystem mit einem akzeptablen Zeit- und Kostenaufwand an sich ändernde innere und äußere Bedingungen anzugleichen – im Sinne eines anpassungsfähigen, offenen Systems. Insgesamt leistet diese Arbeit sechs entscheidende Erkenntnisfortschritte:
  1. Ergänzung der Integrationsdiskussion um die Aspekte der Arbeitssicherheit und Erarbeitung von Vorschlägen, um ganzheitliche, integrierbare Arbeitssicherheitsmanagementsysteme aufzubauen;
  2. Erarbeitung von konkreten Konzepten zur Integration von Qualität, Umweltschutz und Arbeitssicherheit;
  3. Vorschläge zur Weiterentwicklung eines IMS zu einem Generischen Managementsystem auf der Basis eines erweiterten St. Galler Managementkonzepts;
  4. Aufbau eines Maßnahmenkatalogs zur Durchführung eines Integrationsprojektes;
  5. Aufbau einer Musterstruktur für ein IMS und
  6. Nachweis der praktischen Anwendbarkeit am Beispiel von ABB.
Zusammenfassend ergibt sich, daß ein Unternehmen langfristig ein ganzheitliches Managementsystem anstreben sollte. Auf dem Wege der Integration sind dabei nachfolgende Aspekte zu beachten:
  • Das Einverständnis und die Unterstützung der Unternehmensleitung sind die Grundvoraussetzung der Systemintegration.
  • Der Einfluß von Kontextvariablen – also die Situation in der sich das Unternehmen vor der Integration befindet – muß berücksichtigt werden.
  • Nicht alle Elemente der jeweiligen Subsysteme sind sinnvoll integrierbar.
  • Es existiert lediglich eine spezielle Unternehmenslösung – eine Pauschallösung erscheint nicht sinnvoll.
  • Eine frühe Einbindung der betroffenen Mitarbeiter (auf allen hierarchischen Ebenen) in den Integrationsprozeß unterstützt eine erfolgreiche Implementierung.
  • Die Kostenreduktion und eine geringere Auditierungshäufigkeit bilden nur einen Teil des Zielbündels der Integration.
  • Ein verhaltensorientierter Ansatz, die Berücksichtigung der Basisziele und letztlich die Gesamtleistung des Systems sind nicht zu vernachlässigende Aspekte bei der Zusammenführung von Managementsystemen.
Studien über sogenannte exzellente Unternehmen, die über lange Zeit hervorragende Ergebnisse erreicht haben, betonen, daß diese hauptsächlich durch den optimalen Einsatz "weicher" Faktoren (Motivation, Bewußtseinsbildung, Teamgeist etc.) erzielt worden seien. Dabei gilt es zu beachten, daß dies in keiner Weise ein Verzicht auf "harte" Faktoren (strukturelle Maßnahmen, Veränderung von Abläufen) bedeutet. Vielmehr ist zwischen diesen Faktoren eine Wechselwirkung im Sinne einer gegenseitigen Beeinflussung zu beobachten. Erfolgreiche Unternehmen verzichten damit nicht auf den Einsatz der hier beschriebenen Managementsysteme, vielmehr bedienen sie sich derer zur diskreten Unterstützung des Unternehmensgeschehens. Eine rein normenorientierte Bürokratisierung und damit Belastung oder gar Behinderung des Gesamtsystems kann so verhindert werden.

Autor:
Dr. Alexander Pischon
ABB Management Consulting, Speyerer Str.6, 69115 Heidelberg,
Telefon ( 06221) 59 72 64, e-mail: alexander.pischon@demac.abb.mail.com

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