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Kurzberichte junger Forscher

Die Ozonschicht – und ihre Zukunft

Seit Beginn der Industrialisierung hat der Mensch durch seine wirtschaftlichen und technischen Aktivitäten große Mengen einer Vielzahl von Gasen in die Atmosphäre eingetragen. Auf Grund ihrer langen atmosphärischen Lebensdauer haben einige auch den Weg in die Stratosphäre (10- 50 km) gefunden. Bereits Anfang der 1970er Jahre wurde postuliert, dass die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) bis in die Stratosphäre aufsteigen und dort die Ozonschicht zerstören könnten. Aber erst durch die – auch für die globale wissenschaftliche Gemeinde – völlig überraschende Entdeckung des Antarktischen Ozonlochs über dem Südpol im Jahr 1985 wurde die globale Bedeutung dieser Hypothese aufgezeigt.

Die Entdeckung des Ozonlochs hatte auch zur Folge, dass sich die politische Diskussion verschärfte. Im Jahr 1987 wurde das Montrealer Protokoll unterzeichnet, in dem erstmals konkrete Maßnahmen für eine Reduktion der globalen FCKW-Emissionen verabredet wurden.

Schichtung der Atmosphäre mit Temperaturprofil

Die Entwicklung der Ozonschicht in der Zukunft hängt aber nicht allein von der Abnahme der Menge an Chlor in der Stratosphäre ab, sondern wird auch vom dortigen Bromgehalt bestimmt. Obwohl die Brom enthaltenden Substanzen ungefähr 200 mal weniger häufig vorkommen als die entsprechenden Chlorverbindungen, ist die Effizienz von katalytischen Ozonabbaureaktionszyklen, an denen Bromverbindungen beteiligt sind, vergleichbar mit der Effizienz der Chlorzyklen.

Global geschätzt kann man etwa 25 Prozent des beobachtbaren Ozonabbaus den Bromzyklen zuschreiben, während bis zu 75 Prozent durch Chlor verursacht ist. Hinzu kommt, dass die Bromverbindungen – trotz der in den Nachfolgevereinbarungen des Montreal Protokolls festgelegten Emissionsstops von Bromverbindungen – sowohl in der Troposphäre als auch in der Stratosphäre noch im Anstieg begriffen sind. Zur genauen Quantifizierung und Untersuchung der Chemie der anorganischen Bromsubstanzen in der Stratosphäre wurde am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg Mitte der 1990er Jahre ein neuartiges Messgerät entwickelt. Mit ihm konnte erstmals mit bisher weltweit unerreichter Präzision der anorganische Bromgehalt von einer stratosphärischen Ballonplattform aus bestimmt werden.

Im Wesentlichen beruht diese neuartige Fernerkundungsmessmethode auf der Messung der spektroskopischen Absorptionssignatur von verschiedenen Spurenstoffen im direkten Sonnenlicht mit Wellenlängen vom nahen UV bis in den roten Spektralbereich (320-670nm). Dabei wird das Konzentrationsprofil des interessierenden Spurenstoffs durch Aufstieg des Balloninstruments und Messung des Sonnenauf- und -untergangs ermittelt. Aus der genauen Messung von der am häufigsten vorhandenen Bromverbindung am Tage – des Bromoxids – kann mit Hilfe von Modellen auf den Gesamtgehalt an anorganischem Brom rückgeschlossen werden.

Startvorbereitungen
Startvorbereitungen für den Ballonflug in Kiruna (Nordschweden) am 10. Februar 1999. Die Gondel (links) wird mit zwei Hilfsballons über dem Boden gehalten, während der eigentliche Stratosphärenballon (rechts; Volumen 150.000 Kubikmeter) noch am Boden liegt. Der Ballon erreicht seine größte Ausdehnung am Gipfelpunkt des Fluges.

Während der bisher insgesamt neun Ballonmessflüge in den Jahren von 1996 bis 2001 konnte der Bromgehalt in der Stratosphäre zu 20-23 ppt (parts per trillion) bestimmt werden. Damit beträgt der von Menschen eingetragene Anteil an Bromverbindungen in der Stratosphäre circa 50 Prozent, wobei der größte Teil auf die als Kühl- und Feuerlöschmittel eingesetzten Halone und das in verbleitem Benzin und Schädlingsbekämpfungs- und Desinfektionsmitteln vorkommende Methylbromid zurückzuführen ist.

Wie beim Eintrag der Chlorsubstanzen in die Stratosphäre glaubt man auch, dass die Brom enthaltenden langlebigen organischen Substanzen bis in die Stratosphäre gelangen und dass dort reaktives Brom durch harte UV-Strahlung und Reaktion mit Hydroxylradikalen freigesetzt wird. Unsere Messungen legen aber nahe, dass es auch einen Eintrag von anorganischem Brom aus der Troposphäre in die Stratosphäre gibt – ein neues Ergebnis, welches auch die Ozonzerstörungspotenziale von kurzlebigen Bromsubstanzen erhöhen kann und damit in Zukunft weiter getestet werden muss.

Weiterhin zeigen unsere Brommessungen zum ersten Mal direkt, dass nicht nur die Bromverbindungen in der Troposphäre, sondern auch das anorganische Brom in der Stratosphäre anzusteigen scheint. Diesen Anstieg gilt es mit weiteren Ballonmessflügen zu quantifizieren, um den genauen Einfluss des Bromanstiegs auf die wahrscheinliche Erholung der Ozonschicht in den nächsten Jahrzehnten klären zu können.

Bereits in den nächsten Jahren wird unser Experiment zur Validation des auf dem gleichen Messprinzip basierenden Satelliteninstruments SCIAMACHY(Scanning Imaging Absorption Spectrometer for Atmospheric CHartographY) auf dem größten europäischen Erdbeobachtungssatelliten ENVISAT eingesetzt werden. Er wurde Anfang März mit einer Ariane-5-Rakete von Kourou (Französisch Guana) in den Orbit geschossen.

 

Autor:
Dr. Richard Fitzenberger,
Träger des Ruprecht-Karls-Preises 2001,
e-mail: rfitzenb@gmx.de

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