Siegel der Universität Heidelberg
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Heidelberg in vier Dimensionen

Nur einen Tag kann die Studentin Mei Li aus Hongkong in Heidelberg verbringen, und sie möchte soviel wie möglich sehen. Deshalb leiht sie sich am Bahnhof einen mobilen, elektronischen Touristenführer und beginnt ihren Spaziergang durch die fremde Stadt. Das gelingt ihr zielsicher und ohne Umwege, denn das Gerät schlägt ihr eine Route vor, weist ihr den Weg zu Sehenswürdigkeiten, beantwortet ihre Fragen nach dem Heidelberger Schloss und findet zur Mittagszeit einen freien Platz in einer Studentenkneipe nahe der Universität. So könnte Individualtourismus künftig aussehen. Möglich machen das geographische Informationssysteme. Rainer Malaka vom European Media Laboratory und Peter Meusburger vom Geographischen Institut machen anschaulich, was die neuen Systeme können.

Heidelberg in vier Dimensionen

Die "Geoinformatik" hat eine Brückenfunktion inne zwischen Informatik und allen wissenschaftlichen Disziplinen, die raumbezogene Daten verarbeiten. Sie erforscht und entwickelt theoretische Konzepte und Methoden, um mit Hilfe des Computers Entscheidungsprobleme zu lösen, die eine räumliche und meist auch zeitliche Dimension haben. Dadurch lassen sich Strukturen und Prozesse in ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension – zum Beispiel Strömungs- und Diffusionsprozesse – erfassen. Sie können dann visuell dargestellt, modelliert und erklärt werden.

Die Geoinformatik ist außerdem in der Lage, verschiedene raumbezogene Informationsschichten miteinander zu verknüpfen. Je mehr raumbezogene Daten bei einer Problemlösung zu verarbeiten sind und je komplexer die Informationen und ihre gegenseitigen Beziehungen sind, umso wichtiger wird in dem betreffenden Bereich die Geoinformatik. Die Geoinformatik kann von vielen Disziplinen angewendet werden, so dass sie in den letzten fünf Jahren auf dem Arbeitsmarkt zu den am stärksten expandierenden Bereichen gehörte. Sie umfasst die beiden Teilbereiche "Geographische Informationssysteme" und "Fernerkundung" (die Auswertung von Satellitenbildern).

Ein Geographisches Informationssystem war noch bis vor kurzem ein System, dessen komplexe Funktionalität nur von intensiv geschulten Experten genutzt werden konnte. Die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten und die große Nachfrage nach Geographischen Informationssystemen – die Zahl der Arbeitsplätze für Anwender steigt in hoch entwickelten Industrieländern mit zweistelligen jährlichen Zuwachsraten – machen es notwendig, auch die Benutzerfreundlichkeit der Systeme zu verbessern.

Im Spannungsfeld zwischen komplexen Informationssystemen und einem stark zunehmenden, alltäglichen Bedarf an raumbezogenen Informationen stellt sich die Frage, wie ein Geographisches Informationssystem so in ein Gesamtsystem integriert werden kann, dass ungeschulte Nutzer jederzeit und möglichst intuitiv auf raumbezogene Daten zugreifen können. Das erste System mit diesem Anwendungsschwerpunkt ist "Deep Map", ein thematisch breit angelegtes, interdisziplinäres Forschungsprojekt, dessen Hauptaugenmerk auf der Entwicklung fortschrittlicher Informationstechnologien liegt. Das Projekt wird von der Klaus Tschira Stiftung, Heidelberg, finanziell gefördert.

3D-Modell von Heidelberg
3D-Modell von Heidelberg
Das 3D-Modell von Heidelberg wurde aus einer goßen Menge von Daten des Vermessungsamtes der Stadt Heidelberg, aus topographischen Karten und Digitalisierungen des Geographischen Instituts erstellt. Das "digitale" Heidelberg dient als Experimentierfeld für mehrere Projekte der Geoinformatik und der "Mensch-Maschine- Interaktion". Die Dachlandschaft der Heidelberger Altstadt (Bild unten)wurde während einer Befliegung mit Laserscans aufgenommen und zusammen mit dem Institut für Photogrammetrie der Universität Stuttgart aufbereitet.
Dachlandschaft der Heidelberger Altstadt

Die Bezeichnung "Deep Map" soll ausdrücken, dass geographische Informationssysteme viel mehr sind als digitale Karten. Aus flachen, zweidimensionalen Karteninformationen sind "tiefe Karten" geworden, die vielschichtige, raumbezogene und gegenseitig verknüpfbare Informationen für die verschiedensten Anwendungen bereitstellen. Seit 1997 arbeiten Wissenschaftler des European Media Laboratory (EML) sowie vier Doktoranden und zwölf Diplomanden und Staatsexamenskandidaten des Heidelberger Geographischen Instituts in mehreren Forschungsprojekten daran, die Hürden zwischen Menschen und Technik zu überwinden – zusammen mit zahlreichen anderen Forschungsinstituten und Firmen aus mehreren Ländern und Fachgebieten. Als eine geradezu ideale Problemstellung und Klammer für verschiedene Teilprojekte unterschiedlicher Disziplinen erwies sich die Entwicklung von Touristeninformationssystemen mit kontextsensitiver Benutzerführung und hoch entwickelter Wissensrepräsentation. Deshalb wurde die Stadt Heidelberg für mehrere dieser Projekte ein wichtiges räumliches Experimentierfeld.

Eine besondere Herausforderung stellte die Entwicklung der Systemarchitektur für Deep Map dar, zu welcher der Geograph Alexander Zipf mit seiner Dissertation einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Für den ersten Prototypen des elektronischen Touristenführers haben Reinhold Weinmann und Teilnehmer mehrerer Projektseminare des Geographischen Instituts stadtgeographisches und (kunst)historisches Wissen recherchiert und in die Datenbank ArchitectureBase eingegeben. Reinhold Weinmann, Robert Jany und mehrere Diplomanden des Geographischen Instituts befassen sich mit der dreidimensionalen Rekonstruktion von historischen Gebäuden und der früheren Befestigungsanlagen der Stadt. Matthias Jöst arbeitet an der Einbindung des Internet zur Planung eines Besuchs schon vor der Reise.

Eines der Ziele von Deep Map besteht darin, dass ein Besucher bereits im Internet seinen Besuch in Heidelberg planen und Stationen seiner Tour aussuchen kann. Dieses Geographische Informationssystem für Touristen sollte in der Lage sein, den Benutzer individuell durch eine ihm fremde Stadt und unbekannte Wissenswelten (verschiedene historische Zeitepochen) zu führen – je nach dessen Interessen, Wissensstand, Alter, kulturellem Hintergrund und Zeitbudget. Es sollte vom Verhalten des Touristen lernen und die neuen Erkenntnisse in der Wissensbasis speichern.

Durch die Erweiterung um dreidimensionale Modelle kann das System nicht nur die Geländeformen berücksichtigen, sondern auch einzelne Gebäude dreidimensional anzeigen. Doch zu einem dreidimensionalen Modell der Altstadt kommen noch virtuelle Rekonstruktionen hinzu, die Gebäude der Vergangenheit wieder zum Leben erwecken. Damit wird Deep Map nicht nur dreidimensional, sondern durch die "Zeitschiene" sogar vierdimensional.

Diese virtuellen Architekturmodelle sind aber nicht nur, wie etwa bei Videospielen, reiner Dekorationszweck, sondern sie werden berechnet und können somit für verschiedenste analytische Verfahren herangezogen werden. Dreidimensionale Modelle werden zum Beispiel auch für Sichtbarkeitsanalysen genutzt. Dadurch kann das System je nach Position des Benutzers Landmarken (Sehenswürdigkeiten) auswählen, die sich besonders gut für Weginstruktionen eignen. So macht die Anweisung "Bitte gehen sie hinter der Kirche rechts in die kleine Straße", nur Sinn, wenn der Benutzer die jeweilige Kirche von seinem Standort aus auch sehen kann. Die historischen Modelle werden in "Deep Map" mit vielfältigem Wissen verknüpft. Auf diese Weise entsteht hier ein multimediales Archiv, das neben Touristenauskünften zum lebendigen Geschichtsunterricht oder sogar zur Recherche für Historiker verwendet werden kann.

In den Projekten des EML wurden und werden auch verschiedene Forschungsprototypen entwickelt, die zum Teil ganz unterschiedliche Endgeräte und Zielgruppen ansprechen. Dabei stehen jeweils interdisziplinäre Forschungsfragen im Vordergrund. Ihr Ziel ist, verschiedene Bereiche wie zum Beispiel Bildverarbeitung, Geoinformatik, Computergraphik, Kognitionsforschung, Sprachverarbeitung, Stadtgeographie und Kunstgeschichte über neue Bedienschnittstellen und Lernverfahren zu intuitiv nutzbaren aktiven Wissensquellen zu verbinden.

Eine wichtige softwaretechnische Grundlage stellen dabei Agentensysteme dar. Dabei werden Softwarekomponenten als so genannte Agenten modelliert, die unabhängig und selbstorganisiert miteinander interagieren und so im Kollektiv komplexe Aufgaben lösen können.

Universitätsplatz
Der Besucher soll sich auch zu Hause am Bildschirm durch das virtuelle Heidelberg bewegen und sich über verschiedene Gebäude und Ereignisse informieren können. Hier ein Ausschnitt vom Universitätsplatz (Grabengasse). Diese virtuellen Architekturmodelle sind nicht nur, wie bei Videospielen, reiner Dekorationszweck, sondern sie werden aus einer Unmenge von Daten berechnet, dreidimensional dargestellt und können für verschiedenste analytische Verfahren herangezogen werden.
Universitätsplatz

Da diese Anforderungen die Leistungen der bisher verfügbaren Geographischen Informationssysteme übersteigen, mussten im Rahmen dieser Projekte neue Funktionen entwickelt werden. Dazu gehören unter anderem die mobile Anbindung an das Internet, eine temporale dreidimensionale Geodatenverwaltung (hier gab es bisher nur unbefriedigende Lösungen), die Generierung von individuell nach den Benutzerprofilen und Benutzerwünschen gestalteten Routenvorschlägen und eine interaktive dreidimensionale Visualisierung.

Obwohl die Web-Kartographie derzeit großes Interesse erfährt, werden in der aktuellen Diskussion noch vorrangig technische Aspekte beleuchtet. Was noch fehlt, will das Projekt ausloten: die Möglichkeiten und Beschränkungen der Web-Kartographie. Mit heute verfügbaren Techniken sind interaktive, animierte und mehrdimensionale Karten zwar realisierbar, doch erreichen diese noch nicht die Qualität konventioneller Kartenwerke. Während zur Erstellung konventioneller Karten ein etablierter Regelsatz zur Verfügung steht, müssen bei der Web-Kartographie die technischen Randbedingungen des Internets und der internationale Adressatenkreis beachtet werden, der im Vergleich zur konventionellen Kartographie viel heterogener ist.

Die inhaltliche Wissensbasis von Deep Map ist eine stadtgeographische und stadthistorische Datenbank, die Informationen zu einer großen Zahl von räumlichen Objekten (Sehenswürdigkeiten), Personen, Ereignissen und Dokumenten verwaltet. Diese Eintragungen sind über Relationen unterschiedlichen Typs verknüpft, zu denen weitere Attribute sowie Texte gespeichert werden. Außerdem werden in dieser Datenbank multimediale Informationen wie Bilder (zum Beispiel Photos, Kunststiche, Gemälde, historische Karten), Videos oder Audiodateien verwaltet. Die Einführung von "Ereignissen" als prägendes Element ermöglicht eine flexible Modellierung der Stadtgeschichte mit ihren vielfältigen Beziehungen.

Die "Ereignisse" können unterschiedliche Verknüpfungen mit Personen, räumlichen Objekten, Dokumenten oder anderen Ereignissen aufweisen. Dieser Modellierungsansatz ermöglicht es, die Information im richtigen Kontext, das heißt mit den Beziehungen zu relevanten anderen Objekten, abzulegen.

Bei der virtuellen Darstellung von Heidelberg müssen je nach Zeitepoche verschiedene Vorgehensweisen gewählt werden. Die virtuelle Darstellung der Stadt Heidelberg nach dem aktuellen Stand basiert zum Teil auf den Daten des Vermessungsamtes der Stadt Heidelberg, mit denen die Grundrisse der Gebäude und Straßen sehr exakt dargestellt werden können. Die Dachlandschaft wurde im Rahmen einer Befliegung mit Laserscans aufgenommen und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Photogrammetrie der Universität Stuttgart aufbereitet. Die Gestaltung der Seitenflächen der Gebäude erfolgt durch digitale Photoaufnahmen.

 

Bei Gebäuden, die heute nicht mehr mit photogrammetrischen Methoden erfasst werden können, gibt es verschiedene Ansätze zur digitalen Rekonstruktion. Zum einen können anhand von Plänen, noch existierenden Gebäudeteilen und Material aus Archiven möglichst detailgetreue Rekonstruktionen erstellt werden. Neben diesem sehr arbeitsaufwendigen Ansatz verfolgen wir auch semi-automatische Verfahren: Dabei werden durch Bildextraktionsmethoden alte Stiche und Fotographien ausgewertet, um daraus dreidimensionale Rekonstruktionen zu erstellen.

Welcher Ansatz jeweils in Frage kommt, hängt vom Quellenmaterial und von der gewünschten Detailtreue der Modelle ab. Für das 19. und 20. Jahrhundert ist der Forschungsstand über die Baugeschichte und Architektur der Heidelberger Altstadt relativ gut. Neben zahlreichen Architekturgeschichten, Plänen, Zeichnungen und Photos bietet insbesondere der im Jahr 1998 vom Stadtarchiv Heidelberg veröffentlichte Architekturführer von Heidelberg einen umfassenden Überblick zur Geschichte und zum Erscheinungsbild der einzelnen Bauwerke – mit 300 ausgewählten Beispielen der gesamten Baugeschichte der Stadt Heidelberg.

Für die Rekonstruktion der Stadt in früheren Epochen kann man auf den Holzschnitt Sebastian Münsters aus dem Jahr 1526 und mehrere Stiche des 17. und 18. Jahrhunderts zurückgreifen. Auf den vorhandenen Ansichten aus fünf Jahrhunderten sind Privatgebäude ohne öffentliche Funktionen jedoch selten ausreichend detailliert dargestellt, um die Abbildung zur Rekonstruktion verwenden zu können. Deshalb muss ein Katalog von Gebäudebestandteilen erstellt werden, der für die gesamte Baugeschichte der Stadt Heidelberg und deren Umgebung aus verschiedenen Jahrhunderten Beispiele von jeweils typischen Baubestandteilen enthält.

Rekonstruktion historischer Gebäde
Die dreidimensionale Rekonstruktion von nicht mehr existierenden, historischen Gebäuden erfolgt auf der Basis alter Stiche, Gemälde, Bauzeichnungen, Grundrisse und Grabungsbefunde von Heidelberg sowie unter Verwendung epochenspezifischer Gebäudebestandteile aus Altstadtbereichen anderer Städte. Hier Teile der Heidelberger Stadtmauer mit dem Kuhtor.

Mit den verschiedenen Gebäudebestandteilen eines Zeitraums wird es dann möglich sein, Wohnhäuser, Kirchen, Klosteranlagen und öffentliche Gebäude seit dem 11. Jahrhundert zu rekonstruieren. Auf der Grundlage von archäologischen Grabungsbefunden, alten Stadtplänen, der Anordnung der Gebäude in der Heidelberger Altstadt und dem Vergleich mit Altstadtbereichen anderer Städte können auch Plätze und Straßenzüge in ihrem Erscheinungsbild rekonstruiert werden.

Die Datenbank ArchitectureBase enthält ein Archiv von Lageplänen, Grundrissen, Aufrissen, Stichen, Gemälden und Fotografien der Gebäude der Stadt Heidelberg aus privaten und öffentlichen Museen, Sammlungen und Archiven. Außerdem werden dort Kataloge der Gebäudebestandteile (Fenster, Türen, Gesimse, Dächer) und Texturen (Wand- oder Dachtexturen) abgelegt. Beide Kataloge werden Elemente von Bauten aus verschiedenen Zeiträumen enthalten.

Ein besonders schwieriges und bisher nur unbefriedigend gelöstes Problem ist die Modellierung von Geometriedaten, die sich in der zeitlichen Dimension verändern. Es muss erreicht werden, dass detaillierte temporale dreidimensionale Geometrien für Gebäude verwaltet werden können. Hierzu wird ein objektorientiertes vierdimensionales Datenmodell – mit der Zeit als vierter Dimension – entwickelt. Dabei finden auch unscharfe zeitliche Anfragen unterschiedlicher Genauigkeit Berücksichtigung.

Eine weitere Herausforderung ist die "benutzersensitive" Tourenplanung. Die Berechnung kürzester Wege auf einem Strassennetz (zum Beispiel zu einem Restaurant oder einer Sehenswürdigkeit) ist eine Standardfunktionalität in einem Geographischen Informationssystem. Eine Parametrisierung des Straßennetzes, die auf die Benutzerinteressen und mehrere Kriterien (Steilheit des Wegs, Höhenangaben oder verkehrsbedingte Umweltbelastungen) abgestimmt ist, kann dazu genutzt werden, wesentlich individuellere Vorschläge zu erzeugen, erschwert das zu lösende Optimierungsproblem aber erheblich. Der Prototyp eines Moduls, das verschiedene Parameter zur Berechnung der "Kostenfunktion" für die Tourenplanung mit einem Geographischen Informationssystem errechnet und individuelle Besichtigungstouren vorschlägt, wurde zusammen mit der Arbeitsgruppe von Professor Gerhard Reinelt vom Institut für Informatik entwickelt.

Geographische Informationssystem (GSG) sind mehr als digitale Karten
Geographische Informationssysteme (GSG) sind mehr als digitale Karten. Sie dienen dazu, zahlreiche verschiedene raum- und zeitbezogene Informationsschichten miteinander zu verknüpfen beziehungsweise Strukturen und Prozesse in der räumlichen und zeitlichen Dimension zu analysieren. Mit der Einführung breitbandiger Mobilfunktechnologien (UMTS) werden sich die Einsatzmöglichkeiten von GIS nochmals vervielfachen.

Am EML wird außer einem Routen-Agenten, der die bekannten Wegeplanungsfunktionalitäten liefert, auch ein Tour-Agent entwickelt. Die Aufgabe des Tour-Agenten ist komplexer und ist eine anspruchsvolle Forschungsfrage: Er muss einzelne Besichtigungstouren entsprechend den Interessensprofilen der jeweiligen Touristen vorschlagen. Erste Prototypen, die noch kommerziell verfügbare Software verwenden, wurden bereits vorgestellt. Neue Versionen versuchen, über verschiedene heuristische Ansätze benutzeroptimale Touren zu finden, die eine harte Zeitbeschränkung respektieren.

Für die nächsten Jahre wird auf dem Kommunikationssektor eine weitere Revolution erwartet. Durch die Verschmelzung von Internet und Mobilfunk entstehen neue Anwendungen und Systeme, durch die sich völlig neue wirtschaftliche Potenziale erschließen. Darüber hinaus werden Lokalisationstechnologien bald in allen möglichen tragbaren Geräten vorhanden sein. Zum Beispiel über GPS (Global Positioning Service) kann dann der Benutzer eines tragbaren Organizers seine Koordinaten erfahren. Damit werden Informationssysteme, die wissen, wo sie sind ("location awareness"), zum Massenmarkt.

Geographische Informationssysteme spielen eine Schlüsselrolle bei der Erschließung dieses Marktes. Nicht umsonst zählen Routenplaner und Navigationssysteme sowie Kartensoftware zu den ersten aufwendigeren Systemen, die für Kleinstrechner wie PDAs (Personal Digital Assistants), aber auch über WAP-Server (Wireless Application Protocol Server) verfügbar werden. Zukünftige breitbandigere Mobilfunktechnologien wie UMTS werden die Einsatzmöglichkeiten von Geographischen Informationssystemen vervielfachen und die öffentliche Wahrnehmung verändern. Geographische Informationssysteme werden nicht mehr nur ein Werkzeug für Spezialisten sein, sondern in immer stärkerem Maße in alltäglichen mobilen Diensten für jedermann verwendet werden.

Dabei stellt sich aber wie bei jeder neuen Welle des technologischen Fortschritts die Frage, ob und wie diese wirklich den Menschen nutzt beziehungsweise von diesen akzeptiert wird. Das EML hat zum Ziel, im Bereich der Mensch-Technik-Interaktion Verfahren zu erforschen, die komplexe Systeme intuitiv und einfach bedienbar machen. Letztlich soll sich die Technik an den Menschen und nicht der Mensch an die Technik anpassen.

Aus diesem Grund wird auch daran gearbeitet, wie man mit solchen Systemen über Zeigegesten und natürliche Sprache interagieren kann. Weitere Projekte gehen der Frage nach, wie man die Präferenzen und Interessen der Benutzer für das System "personalisieren" kann und wie ein Nutzer auch in fremdsprachlichen Umgebungen vom System unterstützt werden kann.

Insgesamt wird deutlich, dass hinter den zukünftigen mobilen Anwendungen viele innovative Komponenten und Technologien stecken, die auf eine geoinformatische Infrastruktur zugreifen – ohne dass es der Nutzer bemerkt.

Autoren:
Dr. Rainer Malaka
European Media Laboratory GmbH, Schloss-Wolfsbrunnenweg 33, 69118 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 53 32 06, Fax (0 62 21) 53 32 98, e-mail: rainer.malaka@eml.villa-bosch.de
Prof. Dr. Peter Meusburger
Geographisches Institut, Universität Heidelberg, Berliner Straße 48, 69120 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 54 45 73, Fax (0 62 21) 54 55 56, e-mail: peter.meusburger@urz.uni-heidelberg.de

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