Siegel der Universität Heidelberg
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Ein Rezept für die Universität der Zukunft

„Ähnlichkeiten mit Vorgängen an irgendeiner Hochschule in Deutschland sind nicht vorstellbar.“

von Peter Meusburger

Wie kann man seine Alma Mater zur Elite-Universität machen? Dies ist eine schwierige Frage, mit der man sich besser nicht befassen sollte, will man Ärger vermeiden. Deshalb schlage ich zur Erzielung von Skalen- und Synergieeffekten und im Sinne einer kostenneutralen Zukunfts- und Anti-Eliteinitiative vor, sich Gedanken zu machen, was man tun kann, damit das Niveau einer Universität kontinuierlich sinkt. Bei Befolgung der unten angeführten Ratschläge wird eine baldige und nachhaltige Wirkung garantiert. Als günstige Nebenwirkung wird auch das Gedränge bei Exzellenzinitiativen abnehmen.

(1)    Die Entscheidungsgremien einer Universität sollten vorab unterscheiden zwischen wichtigen und weniger wichtigen Fächern. Ein Beurteilen der Fächer nach wissenschaftlicher Qualität und Originalität oder eine Ressourcenverteilung nach Leistungskriterien bringen nichts, sie schaffen nur Unruhe unter den Kollegen. In der Regel ist es zum Wohle einer Universität, wenn die Entscheidungsträger ihre eigenen Fächer fördern oder zumindest vor dem Rotstift schützen.


(2)    Eine zweite, sehr wirksame Maßnahme besteht darin, Quantität mit Qualität gleichzusetzen. Denn bekanntlich sind nur große Fächer, große Forschungscluster und große Forschungsschwerpunkte zu Spitzenforschung fähig. Die Dinosaurier sind zwar durch einen dummen Zufall ausgestorben, aber das war eine einmalige Ausnahme. Wenn es an (wissenschaftlicher) Größe mangelt, dann hat die Evolutionsbiologie eine wirksame Alternative an­zubieten. Die Evolution erbrachte den eindeutigen Beweis, dass Rudelbildung die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Spezies erhöht. Deshalb erfolgt an einigen Universitäten gerade ein Großversuch, welcher der Frage nachgeht, ob nicht ein gut vernetztes und interdisziplinäres Rudel (der moderne Ausdruck heißt Cluster) mittelmäßiger Wissenschaftler teure und kreative Spitzenwissenschaftler ersetzen könnte. Ein nicht zu überschätzender Vorteil eines Rudels besteht noch darin, dass es sich besser gegen Stellenstreichungen wehren kann.

(3)    Zur Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität sollten für alle Fächer einheitliche Kriterien gelten. Das dumme Gerede von unterschiedlichen Wissenschaftskulturen darf nicht länger geduldet werden. Die Indikatoren, mit denen die Forschungsleistung beurteilt wird, sollten sehr einfach sein und am besten von jenen Wissenschaftlern festgelegt werden, die schon in jungen Jahren als Forschungsgruppenleiter keine Skrupel hatten, ihren Namen auf alle Publikationen ihrer Doktoranden zu setzen. Nur von diesen ist zu erwarten, dass sie Zitationsmaßen und Impaktfaktoren mit dem gebührenden Respekt begegnen und nicht dumme Fragen nach der Originalität oder Solidität der Forschung stellen. Nur sie werden über die Fähigkeit der wunderbaren Publikationsvermehrung verfügen, die es ihnen erlaubt, pro Jahr mindestens 30 Publikationen zu veröffentlichen.

(4)     Wissenschaftlern, die noch im Alter von 40 Jahren ohne Zuarbeit einer großen Forschergruppe hochkarätige Originalforschung betreiben oder sogar noch eigenhändig im Labor Versuche durchführen, sollte man mit Misstrauen begegnen. Denn in ihrer Weltfremdheit träumen sie häufig von Kreativität und Originalität und manchmal schreiben sie sogar Bücher auf Deutsch (wie peinlich), die in fremde Sprachen übersetzt und noch nach 30 Jahren zitiert werden. Dies ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Denn sogar berühmte Zeitschriften wie „Science“ und „Nature“ veröffentlichen in ihrer Großzügigkeit viele Beiträge, die nach wenigen Monaten wieder zurückgezogen werden. Warum soll denn eine Publikation mehr als einige Monate verfügbar sein oder mehr als zwei Jahre lang zitiert werden? Der Inhalt ist doch nicht so wichtig, nur der Ort der Veröffentlichung erhöht den Impaktfaktor. Die Sucht nach Kreativität und Originalität, nach neuen theoretischen Ansätzen und neuen Forschungsthemen ist einfach lästig und unkollegial. Viele Wissenschaftler stünden vor dem Nichts, wenn man ihnen die Zitationsmaße wegnähme oder gar die Frage nach der Originalität ihrer Arbeiten stellte. Das kann man verdienten Mitgliedern der Fakultät oder des Senats nicht antun.

(5)    Bei Strukturmaßnahmen und Stellenstreichungen sollten nach Möglichkeit keine externen Fachgutachter eingeschaltet werden. Wir wissen doch selbst, welche Fächer wichtig und welche unwichtig sind. In der Regel schadet es doch nur, wenn in Berufungs- und Forschungskommissionen Leute sitzen, die fachlich kompetent sind. Durch ihren Anspruch, mehr zu wissen als andere, stören sie den demokratischen Meinungsbildungsprozess und die Gestaltungskraft der Hochschulleitung. Gegen solche Experten kann man nur mit mathematischen Formeln agieren, die ja bei der Beurteilung wissenschaftlicher Leistungen viel objektiver und transparenter sind als externe Gutachter. Natürlich muss man mit Mathematik umgehen können und die Spielregeln so gestalten, dass die Interessen der eigenen Arbeitsrichtung gewahrt bleiben.


(6)    Völlig abzulehnen ist auch die Idee einer Volluniversität. Eine Universität ist viel einfacher zu lenken, wenn maximal drei bis vier große Disziplinen (am besten Modefächer) unter sich bleiben. Es ist doch ein wunderschönes Gefühl, wenn man sich gegenseitig auf die Schulter klopfen kann und nicht auf die Akzeptanz anderer Fächer angewiesen ist oder gar mit diesen konkurrieren muss.

 

Kontakt: peter.meusburger@geog.uni-heidelberg.de


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