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Die Tricks der Parasiten

Heidelberger Forscher suchen nach neuen Angriffspunkten für Medikamente, die erfolgreich gegen einen Parasiten eingesetzt werden können, der weltweit jährlich zwei Millionen Todesopfer fordert – den Malaria-Erreger.

Ein Parasit, so lautet die klassische biologische Definition, benutzt die Ressourcen seines Wirtes, er erbringt dafür keine Gegenleistung, fügt ihm aber auch keinen übermäßigen Schaden zu. Dieser Definition sollten vor allem "alte" Parasiten entsprechen, also solche, die die Gelegenheit hatten, sich ihren Wirten im Laufe der Evolution optimal anzupassen und ihm dabei keinen Schaden – Krankheitssymptome – zu bescheren. So weit die Theorie. Die Realität sieht anders aus. "Alte" Parasiten wie die Erreger von Malaria, Schlaf- oder Chagas-Krankheit und weitere "Geißeln der Tropen" verursachen immense medizinische und wirtschaftliche Probleme. Allein an Plasmodium, dem Erreger der Malaria, sterben jährlich zwei Millionen Menschen, vor allem Kinder.

Toxoplasma gondii hingegen, ein Verwandter des Malariaparasiten, ist – der eingangs genannten Definition gemäß – optimal an seine Wirte angepasst: Der Parasit verursacht die Toxoplasmose, eine Krankheit, die zumeist unbemerkt, ohne Symptome, verläuft. Was seine Verbreitung angeht, zählt der Erreger zu den erfolgreichsten Parasiten, die wir kennen. Er ist fähig, praktisch jedes Säugetier zu befallen und sich in den Zellen seiner Wirte zeit ihres Lebens einzunisten. Es wird geschätzt, dass bis zu 25 Prozent der Menschen weltweit von dem Erreger infiziert sind; in Europa geht man sogar von einer Durchseuchungsrate von 45 bis 75 Prozent aus.

Mithilfe eines genetischen Schalters können Gene ein- und ausgeschaltet werden. Auf diese Weise lässt sich ermitteln, welche Funktion Gene bei dem Erreger der Malaria haben. Dieses Wissen lässt sich nutzen, um bessere Medikamente gegen die Tropenkrankheit zu entwickeln.
Mithilfe eines genetischen Schalters können Gene ein- und ausgeschaltet werden. Auf diese Weise lässt sich ermitteln, welche Funktion Gene bei dem Erreger der Malaria haben. Dieses Wissen lässt sich nutzen, um bessere Medikamente gegen die Tropenkrankheit zu entwickeln.

Abwehrgeschwächten Menschen und Ungeborenen kann der Erreger sehr wohl gefährlich werden. Wird er auf das heranreifende Kind übertragen, kann es schwer geschädigt werden. Auch Früh- und Totgeburten können ausgelöst werden. Bei abwehrgeschwächten Menschen besteht die Gefahr, dass Dauerstadien des Erregers im Gehirn aktiv werden. Das erklärt, warum die Toxoplasmose eine der Haupttodesursachen von Patienten ist, die mit dem Aids verursachenden HI-Virus infiziert sind.

Im Lebenszyklus des Parasiten gibt es ein kritisches Ereignis: sein Eindringen in die Wirtszelle. Viele Krankheitserreger, etwa Viren oder Bakterien, nutzen dafür die Phagozytose, gelangen also zusammen mit größeren Nahrungspartikeln in die Wirtszelle und vermehren sich dort. Toxoplasma und seine Verwandten aber dringen aktiv in die Wirtszelle ein. Unser Ziel ist es, diejenigen Faktoren zu identifizieren, die für das Eindringen der Parasiten in ihre Wirtszelle, ihre Vermehrung und ihr Überleben im Wirtsorganismus essentiell sind. Wir wollen damit die Basis schaffen, um neue Angriffspunkte für Medikamente und Impfstoffe gegen Toxoplasma und seinen Verwandten, den Malariaerreger, zu finden.

Eine wichtige Technik, um die Proteine kennen zu lernen, die an diesen Prozessen teilhaben, nutzt so genannte genetische Schalter. Sie erlauben es, ein Gen, das untersucht werden soll, nach Belieben abzuschalten. Anschließend kann untersucht werden, wie sich das Inaktivieren des Gens ausgewirkt hat. Und dies wiederum lässt Rückschlüsse auf die Funktion des Gens und seines Genprodukts, des dazugehörigen Proteins, zu.

Um Eukaryonten, "höhere" Lebewesen mit echtem Zellkern, zu untersuchen, ist das von Manfred Gossen und Hermann Bujard in Heidelberg entwickelte "Tet-System" unerlässlich. Die Technik basiert auf einem bakteriellen Regulationssystem, das eine Resistenz gegen das Antibiotikum Tetrazyklin vermittelt. Mit gentechnischen Methoden wurde das System so verändert, dass Genschalter von Säugetieren und anderen Eukaryonten durch den Zusatz von Tetrazyklin reguliert werden können.

Wir konnten einen ähnlichen genetischen Schalter in Toxoplasma gondii und im Malariaerreger Plasmodium falciparum etablieren. Damit ist es gelungen, einen wichtigen Bestandteil des Bewegungsapparates – der "Invasionsmaschinerie" – des Parasiten zu erkennen: Wenn man das Gen für das Motorprotein MyosinA ausschaltet, ist Toxoplasma gondii nicht mehr fähig, in seine Wirtszelle einzudringen – wird weniger Motorprotein gebildet, sind die Parasiten nur noch eingeschränkt bewegungsfähig. Weitere Studien im Mausmodell belegen, dass die bewegungsunfähigen Parasiten dennoch die Aufmerksamkeit des Immunsystems auf sich ziehen. Diese Erkenntnis könnte die Basis für einen neuartigen Impfstoff sein.

Zurzeit arbeiten wir daran, weitere Gene, die für das Überleben des Parasiten wichtig sind, funktionell zu charakterisieren. Dazu setzen wir Kandidatengene gezielt und systematisch unter die Kontrolle des genetischen Schalters und analysieren, zu welchem Zeitpunkt der Lebenszyklus des Parasiten nach der Inaktivierung des Gens gestört wird. Mit einer ähnlichen Strategie wollen wir derzeit noch unbekannte Gene auffinden, die für das Überleben des Parasiten ebenfalls bedeutend sind. Auf diese Weise hoffen wir eine Fülle neuer Informationen über die Biologie von Toxoplasma gondii und seiner Verwandten zu erhalten und dazu beitragen zu können, neue Medikamente und Impfstoffe gegen die gefährlichen Krankheitserreger zu entwickeln.

Autor:
Dr. Markus Meissner
Hygiene-Institut, Abteilung Parasitologie
Im Neuenheimer Feld 326, 69120 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 56 65 18
E-Mail: markus.meissner@med.uni-heidelberg.de

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