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Meinung

Bessere didaktische Konzepte für das "E-Learning"

Der Begriff "E-Learning" bezeichnet die Unterstützung von Lernprozessen mithilfe elektronischer Medien. Als Vorteile dieser Art des computer- beziehungsweise netzgestützten Lernens gelten, dass das Lernen unabhängig von Ort und Zeit erfolgen und dass jeder Lernende sein individuelles Lerntempo wählen kann. Lange Zeit wurde auch als Vorteil genannt, dass das Lernen mit elektronischen Hilfsmitteln im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen kostengünstiger ist. Als Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist zu konstatieren, dass die noch vor wenigen Jahren herrschende Euphorie hinsichtlich der Potenziale und positiven Wirkungen des E-Learning einer nüchternen Betrachtung und Bewertung gewichen ist. Gleichwohl gehe ich davon aus, dass der Einsatz der neuen Medien Lernkontexte und -prozesse schon in nächster Zeit nachhaltig verändern wird. Ich konzentriere mich bei den folgenden Ausführungen auf den Einsatz des E-Learning im Weiterbildungs- sowie im Hochschulbereich.

Der Verbreitungsgrad des E-Learning ist bislang weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückgeblieben. Im Bereich der beruflichen Weiterbildung überwiegt der Einsatz in Großbetrieben, insbesondere bei Banken und Versicherungen sowie bei IT-nahen Branchen. Die Inhalte konzentrieren sich darauf, theoretisches Wissen und technisches Know-how zu vermitteln; weitere Bereiche sind das EDV- und Sprachtraining. Eine Befragung des Bundesinstituts für Berufsbildung, die die Bereitschaft der Unternehmen zur Einführung von E-Learning sondieren sollte, hat ergeben, dass es kein typisches "E-Learning-Unternehmen" gibt. Die Entscheidung, E-Learning einzusetzen, hängt bisher weniger von objektiven Kriterien ab, etwa von einem Qualifikationsbedarf, sondern eher von der subjektiven Haltung derjenigen, die über den Einsatz von E-Learning zu entscheiden haben.

Bislang stand bei der Entwicklung von E-Learning-Angeboten die Technik im Mittelpunkt. Sie ist inzwischen weitgehend ausgereift. In der Weiterbildungsszene kursieren derzeit Bemerkungen wie "entwickelt nicht die 185. Lernplattform, davon gibt es bereits genug, sondern kümmert Euch stattdessen um die didaktischen Konzepte".

Diese Forderung ist berechtigt. Denn E-Learning ist kein Lernkonzept und keine Lernstrategie im engeren Sinne; es handelt sich lediglich um eine Methode, die verschiedene Lernkonzepte, Lernstrategien und Lernmethoden unterstützt. Der zweite Grund, der für eine intensive Auseinandersetzung mit didaktischen Konzepten spricht, resultiert aus der Erfahrung, dass der ausschließliche Einsatz von E-Learning-Angeboten nur in seltenen Fällen als optimale Lehr/-Lernstrategie anzusehen ist.

Es setzt sich immer mehr die Auffassung durch, dass es besser ist, E-Learning-Anteile mit Präsenzveranstaltungen zu verknüpfen. In diesem Zusammenhang ist gegenwärtig der Begriff des "Blended-Learning" in aller Munde, das an die Stelle des E-Learning treten soll. Es sind allerdings noch erhebliche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten hinsichtlich der Frage zu leisten, wie eine optimale Verknüpfung zwischen E-Learning und Präsenzlernen für welche Zielgruppen und für welche Inhalte aussehen soll, um optimale Lernergebnisse zu erzielen. Eine weitere Herausforderung besteht für den betrieblichen Bereich darin, E-Learning stärker mit arbeitsbegleitenden Lernformen zu verbinden, also über klassische Kursformen hinauszugehen und non-formale Lernkontexte einzuschließen.

Gerade die von Anbietern des E-Learning in Aussicht gestellte Reduktion der Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen hat sich in der Praxis vielfach als trügerisch erwiesen: Zum einen veraltet das Wissen heutzutage sehr schnell, sodass in schneller Folge Aktualisierungen nötig werden, zum anderen ist der Betreuungsaufwand sowohl hinsichtlich der technischen Seite als auch hinsichtlich der Betreuung der Lernenden unterschätzt worden.

Der Einsatz neuer Medien wurde vielfach über spezielle Projektförderungen angeregt und unterstützt. Dies gilt für die letzten zehn Jahre insbesondere für den Hochschulbereich. Damit wurde ein – zu Beginn wahrscheinlich notwendiger – punktueller Ansatz der Implementierung von E-Learning gewählt. Die große Herausforderung besteht für die kommenden Jahre darin, diesen Projektstatus zu überwinden und den Einsatz neuer Medien im Rahmen der Konzepte eines Blended-Learning zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Lernalltags zu machen und als Teil einer strategischen Gesamtkonzeption im Bildungsbereich zu verankern.

Eng verbunden mit diesem Aspekt ist eine Beobachtung, die bislang zu wenig berücksichtigt wurde: Der Einsatz von E-Learning hat Konsequenzen für die organisatorischen Rahmenbedingungen. Als Beispiel aus dem Hochschulbereich sei die Tatsache benannt, dass sowohl beim reinen E-Learning als auch beim Blended-Learning Lehrveranstaltungen, die auf 90 Minuten Unterricht ausgelegt sind, selten geeignet erscheinen.

Die kurzen Ausführungen zeigen, dass noch ein erheblicher wissenschaftlicher sowie praktischer Entwicklungsbedarf besteht, um den Einsatz von E-Learning beziehungsweise Blended-Learning zu optimieren. Die Universität Heidelberg setzt hier einen Schwerpunkt, indem sie in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ein Mediendidaktisches Zentrum plant. In Forschung und Lehre wird dort zum einen der Beitrag von medialen Infrastrukturen für das Lernen von Individuen sowie von Gruppen und Organisationen thematisiert, zum anderen die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologien in vorrangig schulischen Lehr-Lernkontexten. Das Ziel dabei ist die Unterstützung selbstgesteuerter Lernprozesse.

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