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Steuern durch Steuern

Wie muss eine Steuer aussehen, die den Steuerpflichtigen eine maßvolle und gleichmäßige Last zuteilt? Paul Kirchhof vom Institut für Finanz- und Steuerrecht weist einen Weg aus dem undurchdringlichen Steuerdickicht: Steuerpflichtiges Einkommen soll allenfalls zu einem Viertel belastet werden. Ein solches vereinfachtes Steuerrecht, argumentiert Kirchhof, trägt wesentlich zur Freiheitskultur in Deutschland bei und wappnet uns für den Wettbewerb auf dem Weltmarkt.

Unsere Welt ist offen geworden. Wissenschaft und Kunst pflegen den weltweiten Austausch, Produktion und Handel bewegen sich im Weltmarkt, der Reisende begegnet fremden Kulturen. In dieser Offenheit erscheint auch das Recht oft nicht mehr als die unausweichliche Regel, deren Geltung der Staat für jedermann in gleicher Weise garantiert, sondern als ein Angebot verschiedener Regelungskonzepte verschiedener Staaten, unter denen man wählen kann.

Deswegen prüft der Unternehmer, ob das Mitbestimmungsrecht in Deutschland oder in Spanien ihm besser erscheint, ob das Steuerrecht in Deutschland oder in Irland für ihn günstiger ist, ob die Lebensmittel- und Arzneimittelkontrolle in Deutschland oder in Griechenland seinem Betrieb mehr nutzt.

Der ansiedlungswillige Investor fragt, welche Steuervorteile und Leistungssubventionen der Staat ihm biete, wenn er seinen Standort in Deutschland wählt. Das Recht scheint Gegenstand eines Handels zu werden, die Gleichheit vor dem Gesetz damit in Frage gestellt zu sein.

Dementsprechend ist das Stichwort des Steuerwettbewerbs heute in aller Munde. Die Unbekümmertheit dieser Begriffswahl entspricht der Fehlerhaftigkeit des Begreifens. Wettbewerb meint Gewinnmaximierung, würde den Staat also veranlassen, nicht eine maßvolle Steuerlast festzusetzen, sondern den größtmöglichen Ertrag zu erwirtschaften. Kehrt man hingegen den Wettbewerb ins Gegenteil und erwartet einen Wettstreit um möglichst geringe Steuern, also einen Prozess der Ertragsminimierung, so ist dieses kein legitimes Ziel, weil dadurch die Finanzkraft des Staates stetig geschwächt und damit letztlich der Verfassungsstaat gefährdet würde. Wettbewerb heißt auch, den Konkurrenten nach Möglichkeit verdrängen und übernehmen zu wollen. Dieser Gedanke ist der im angeblichen Steuerwettbewerb konkurrierenden Gemeinschaft der Völker schlechthin fremd; das Völkerrecht verpflichtet zum Respekt vor dem anderen Staat und seiner Existenz. Schließlich passt auch das den Wettbewerb mäßigende Kartellrecht für das Zusammenwirken staatlicher Steuersysteme nicht. Wenn die EG das Steuerrecht unter den Mitgliedstaaten vereinheitlicht, braucht die Kartellbehörde nicht in Aufregung zu geraten; dieses abgestimmte Verhalten ist legitim und erwünscht; es sichert die Grundfreiheiten im Binnenmarkt und die Gleichheit vor der Steuerlast.

Wir müssen uns deshalb der Grundsatzfrage stellen, wie eine Steuer gestaltet werden muss, um den Steuerpflichtigen eine maßvolle und gleichmäßige Last zuzuweisen, zugleich aber im Nebeneinander verschiedener staatlicher Steuerordnungen auch die Steuerkraft auf die einzelnen Staaten sachgerecht aufzuteilen.

Aufgabe der Steuer
Die Privatwirtschaft verteilt Finanzkraft nach dem Grundprinzip des Leistungstausches. Der Anbieter bietet eine Leistung an, der Nachfrager zahlt einen dem Anbieter angemessen erscheinenden Preis, Gewinn und Verlust werden unter den Beteiligten einvernehmlich vereinbart. Würde der Staat sich nach diesem Prinzip des Leistungstausches finanzieren, müsste er allmonatlich in den Haushaltungen eine Sicherheitsgebühr erheben, weil er den inneren und äußeren Frieden gesichert hat; bei jedem Vertragsschluss – wie derzeit in Polen – eine Vertragssteuer verlangen, weil der Staat mit seinem Recht, seiner Währung und seinem Gerichtschutz diese Rechtsverbindlichkeit ermöglicht hat; bei jeder Einstellung eines Hochschulabsolventen den Arbeitgeber zu einer Gebühr für das Gesamtstudium heranziehen, weil die Hochschule diesen Arbeitnehmer beruflich qualifiziert hat. Der Rechtsstaat müsste Rechte nach Zahlungsfähigkeit vergeben, der Leistungsstaat dürfte sich nicht mehr gerade den Bedürftigen zuwenden, die Republik verlöre ihren inneren Zusammenhalt in der Gleichheit der Menschen unabhängig von ihrer Finanzkraft.

Das Finanzierungssystem eines freiheitlichen Staates ist deshalb ein anderes: Wenn der Staat durch die Garantie der Berufs- und Eigentümerfreiheit die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital strukturell in private Hand gibt, also auf das staatlich bewirtschaftete Unternehmen verzichtet, muss sich dieser Staat durch Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens, also durch Steuern finanzieren.

Erst bei der Entscheidung über den Steuergegenstand, der Beantwortung der Frage, worauf der Staat zugreifen will, dient die Mitwirkung der Rechtsgemeinschaft am Entstehen individueller Leistungsfähigkeit zur tatbestandlichen Definition des Belastungsgrundes: Wenn jemand Einkommen erzielen kann, weil die staatliche Rechtsordnung, das Banken- und Währungssystem, der gewerbliche Rechtschutz, die gut ausgebildeten Arbeitskräfte, vor allem aber die Nachfrager das Entstehen des Einkommens ermöglicht haben, fordert der Staat als Repräsentant dieser Rechtsgemeinschaft einen Teil dieses Einkommens zur Finanzierung der allgemeinen Erwerbsgrundlagen zurück. Selbstverständlich ist individuelles Einkommen zunächst Ausdruck privater Leistung, deshalb von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG geschützt. Auch ein großartiges Leistungsangebot führt aber nicht zu Einkommen, wenn nicht ein Nachfrager diese Leistung erkennt und durch Honorierung anerkennt. Dieses haben bedeutende Komponisten, Poeten und Erfinder erfahren, deren Leistung wir noch heute nutzen, die aber in Armut verstorben sind, weil ihre damalige Gegenwart ihre Leistung noch nicht verstanden hat.

Gleiches gilt für die indirekten Steuern. Wer heute einen 500-Euroschein in der Tasche trägt und einen gewaltigen Durst verspürt, wird die Kombination von Geld und Durst hier in Heidelberg zu einem reinen Vergnügen gestalten. Stünde er in der Wüste, würde er verdursten. Deshalb greift die Umsatzsteuer auf die individuell eingesetzte Kaufkraft in dem Moment zu, in dem der Nachfrager die begehrte Leistung entgegennimmt.

Schwerpunkte des Steuerzugriffs sind danach Einkommen und Kaufkraft. Der Staat drängt den Menschen nicht, seine Arbeitskraft oder sein Kapital für den Staat ertragbringend einzusetzen. Er wählt die freiheitsschonendere Form einer Steuer, die immer dann zugreift, wenn der Berechtigte Arbeit und Kapital von sich aus am Markt einsetzt, die Steuer also bei diesem freiwilligen Leistungstausch den Preis lediglich verteuert.

Erscheinungsformen der Steuersubventionen
Diese Prinzipien der Besteuerung vertragen grundsätzlich keine Ausnahme. Steuergerechtigkeit ist vor allem Steuergleichheit, Steuerrecht ist privilegienfeindlich.

Dennoch ist unser gegenwärtiges Steuerrecht von Lenkungs- und Anreiztatbeständen völlig durchsetzt. Der Gesetzgeber nutzt das Instrumentarium des Steuerrechts, um zum Schiffsbau in Taiwan anzuregen, die Investition in die Filmindustrie durch Steuernachlässe zu befördern, den Erwerb von Flugzeugen durch verkürzte Abschreibungsfristen anzuregen.

Die Erscheinungsformen dieser Steuersubventionen sind vielfältig: Teilweise werden Steuersubjekte, zum Beispiel Berufsverbände oder politische Parteien von der Steuer befreit. Teilweise wird die Bemessungsgrundlage verringert, beispielsweise dadurch, dass geringwertige Wirtschaftsgüter sofort abgeschrieben werden können, Sozialwohnungen oder Baudenkmäler erhöhte Abschreibungen erlauben, die Realisierung eines Gewinns bei Reinvestition des Gewinns aufgeschoben oder der Gewinn bei Landwirten nur teilweise erfasst wird. Geläufig ist auch eine Ermäßigung des Steuersatzes, etwa bei bestimmten Betriebsveräußerungen, oder der Steuerschuld, zum Beispiel wenn die Normal-Spende an eine Partei von der Steuerschuld des Spenders abgezogen werden kann.

Gründe für eine Steuersubvention
Die Vielfalt, oft auch die Verstecktheit dieser Subventionen erstaunt in einem Verfassungsstaat, der das Steuerrecht freiheitskonform auszugestalten hat, also den freiheitsbewussten Bürger nicht zu lenken braucht; der aber auch die Gleichheit der Steuerlast wahren muss, also einen Steuervorteil nicht vorsehen könnte. Die Gründe für die dennoch ständig wachsende Bereitschaft des Gesetzgebers, durch Steuern steuern zu wollen, sind historischer, rechtspolitischer und ökonomischer Art.

In den Jahren 1946 bis 1951 haben die Alliierten die damaligen Gesetzgeber in Deutschland gezwungen, Regelsteuersätze von 95 Prozent auf den Ertrag zu erheben. Bei einer derart hohen Steuerlast kann eine kriegszerstörte, danieder liegende Wirtschaft selbstverständlich nicht wieder aufgebaut werden. Deswegen blieb dem Gesetzgeber nichts anderes übrig, als die hohen Steuersätze zu akzeptieren, die Bemessungsgrundlage jedoch – in den §§ 7 a ff. EstG – so zu durchlöchern, dass nur noch die Hälfte der Bemessungsgrundlage besteuert würde, der Steuersatz also faktisch 47,5 Prozent betrug. Von diesem Strukturfehler überhöhter Steuersätze und durchlässiger Bemessungsgrundlage hat sich das deutsche Steuerrecht bis heute nicht erholt, obwohl der Gesetzgeber seit 1951 diesem Missstand hätte abhelfen können.

Sodann erlebt die Rechtspolitik, dass die Menschen immer wieder darauf drängen, für sich von der Gemeinlast der Steuer eine Ausnahme zu erreichen. Die allgemeine Belastungsregel scheint für den Konkurrenten und für den Nachbarn richtig, für einen selbst jedoch zu hart. Wenn sodann in einer Demokratie nicht die große Mehrheit das Steuerrecht bestimmt, vielmehr die gutorganisierte und artikulationsfähige kleine Einheit wesentlichen Einfluss gewinnt, gerät das Steuerrecht immer mehr in den Sog von Gruppen. Die Steuergleichheit und seine Privilegienfeindlichkeit erleidet wesentliche Einbußen.

Schließlich werden Steuersubventionen immer wie-der gefordert, um dadurch ökonomisch sinnvolle Lenkungsziele zu verfolgen. So soll die Filmsubvention den deutschen Film fördern, zugleich aber allgemein die Konjunktur anregen. Wenn der Filmproduzent zur Produktion befähigt wird, beschäftigt er einen Schauspieler, dieser kauft sich von seinem Gewinn ein neues Möbelstück, der Schreiner erwirbt deshalb von seinem Ertrag ein neues Auto, der Autohändler macht eine Reise, der Reiseveranstalter bestellt Flugzeuge -so wird durch die Subvention eine Kette wirtschaftsbelebender Produktivität angestoßen, die letztlich auch dem am Wirtschaftswachstum teilhabenden Steuerstaat wieder zugute kommt.

Diese ökonomische Hoffnung beruht auf einem Trugschluss: Zunächst ist gegenwärtig hinreichend Geld im Umlauf; der Staat braucht insoweit nicht zu intervenieren. Vor allem aber kann der Staat nur leistender Wohltäter sein, wenn er vorher besteuernder Übeltäter gewesen ist. Er hat, um die Filmsubvention finanzieren zu können, den Schauspieler, den Schreiner, den Autohändler und den Reiseveranstalter vorher höher besteuert, ihm also Geld entzogen. Wollte er also die Konjunktur durch Mehrung der Nachfragekraft beleben, müsste er die Steuersätze senken, nicht höher besteuern und aus den höheren Steuererträgen subventionieren.

Subvention und Steuersatz
Damit ist der logische Zusammenhang zwischen Steuersatz und Subventionspotenzial bereits angedeutet. Ein freiheitliches Besteuerungskonzept belässt dem Steuerpflichtigen soviel als eben möglich von seinem freiheitlich erworbenen Einkommen und seiner Kaufkraft, wählt also die schonende Steuer.

Würden wir die derzeit geltenden Subventions- und Ausweichtatbestände grundsätzlich aus dem Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht streichen, damit die Bemessungsgrundlage wesentlich erweitern, das dadurch bedingte höhere Steueraufkommen vollständig durch Absenkung der Steuersätze an die Allgemeinheit der Steuerpflichtigen zurückgeben, könnte der Staat mit Steuersätzen zwischen 15 und 25 Prozent auskommen. Die Steuerlast ist wieder maßvoll, der Steuerpflichtige wird nicht durch Lenkungstatbestände seiner Freiheit beraubt, die Gleichheit der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerlast ist wieder hergestellt. Der Gewinn könnte bei jeder rechtlich fassbaren Erwerbsorganisation mit höchstens 25 Prozent besteuert werden. Die Weitergabe des Gewinns vom Betrieb an die berechtigten Menschen wäre dann Weitergabe von versteuertem Einkommen, also von Vermögen, deshalb steuerlich unerheblich.

Könnte der Wirtschaftsstandort Deutschland das Signal an den Weltmarkt aussenden, dass der wirtschaftliche Ertrag in Deutschland zu höchstens 25 Prozent belastet würde, die Vereinigungsfreiheit bei der Wahl zwischen Personengesellschaften und juristischen Personen wieder hergestellt wäre, die Stetigkeit und Planbarkeit dieses Steuerrechts verlässlich garantiert würde, so würde Deutschland wieder zu einem der attraktivsten Märkte, ohne dass der Staat einen Euro weniger Steuern einnähme.

 

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Subventionen
Diese Attraktivität beruht auf der Wiederherstellung von Freiheit und Gleichheit im Steuerrecht, würde damit auch zu einem Gegenstand des Verfassungsrechts. Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG fordert die allgemeine, privilegienfeindliche Steuerlast, wehrt sich deshalb grundsätzlich gegen Subventionen. Art. 3 widerspricht insbesondere dem Abzug von der Bemessungsgrundlage im Rahmen einer progressiven Steuer, weil sich bei dieser Technik der Subvention der Progressionseffekt umkehrt, der Kleinverdiener also eine geringe, der Großverdiener allein wegen seines hohen Einkommens eine hohe Subvention empfängt.

Sodann verlangen die Freiheitsgarantieren insbesondere der Berufs-, Eigentümer- und Vereinigungsfreiheit die Prüfung, ob der Steuergesetzgeber den Steuerpflichtigen gerade in der sensiblen Phase der Bildung eines freien Willens beeinflussen, ihm also ein Stück seiner Freiheit "abkaufen" darf. Freiheit gibt dem Steuerpflichtigen das Recht, allein nach seiner ökonomischen Vernunft zu handeln; die Steuerlenkung drängt ihn in die ökonomische Unvernunft.

Auch im übrigen ist die Steuersubvention ein Fremdkörper im Verfassungsrecht: Der Steuergesetzgeber beansprucht, aufgrund seiner Steuergesetzgebungskompetenz Verwaltungszwecke zu regeln, obwohl ihm die Verwaltungskompetenz nicht zusteht. Die kommunale Satzung führt zum Beispiel eine Verpackungssteuer ein, die Länder schaffen eine Abfallabgabe, obwohl der Bundesgesetzgeber den Umweltschutz geregelt hat. Dementsprechend sind diese beiden Steuern vom Bundesverfassungsgericht nicht anerkannt worden.

Zugleich überfordert der Steuergesetzgeber die Finanzverwaltung, wenn sie in den Steuersubventionstatbeständen Umwelt-, Kultur- oder Strukturpolitik betreiben soll, obwohl sie für den strikten Vollzug von Steuergesetzen geschult und qualifiziert ist.

Oft scheint die Verschonungssubvention für den Bundesgesetzgeber auch deshalb verlockend, weil er Subventionen anbieten kann, die ganz oder teilweise zu Lasten fremder Kassen finanziert werden. Eine Subvention im Rahmen von Einkommen- und Körperschaftsteuer wird hälftig von den Ländern finanziert, eine Subvention im Rahmen der Erbschaftsteuer geht vollständig zu Lasten der Ländererträge.

Die Wirkungen eines Steuersubventionsprogramms sind vielfach ungewiss, jedenfalls nicht rechtsstaatlich kontrolliert. Der Steuerpflichtige "bedient sich selbst" durch Erfüllung des steuerbegünstigten Tatbestandes, empfängt also keinen Zuwendungsbescheid und wird entsprechend weniger kontrolliert. Die Höhe des Subventionsgesamtvolumens ist weder dem Parlament noch der Öffentlichkeit bekannt, weil die Subventionen nicht als Leistungssubventionen im Staatshaushalt ausgewiesen werden, sie vielmehr als verminderte Einnahmen wirken und allenfalls annähernd geschätzt werden können.

Auch als Verwaltungsmittel sind Steuersubventionen nur bedingt geeignet. Der Steuerpflichtige kann sich durch Zahlung der Steuer von den steuerrechtlich überbrachten Lenkungsbefehlen "freikaufen". Das Verwaltungsprogramm kann deshalb scheitern. Sucht der Gesetzgeber zum Beispiel ein Umweltschutzprogramm durch Steueranreize zu verwirklichen, läuft er Gefahr, dass die Umweltziele nicht erreicht werden, weil ein Teil der Betroffenen lieber die Abgabe zahlt als die Umwelt schützt. Die Entwicklung der Ökosteuer bietet hier eindrucksvolle Beispiele.

Eine Steuersubvention ist deshalb verfassungsrechtlich zwar nicht unzulässig, hat aber hohen Verfassungsanforderungen zu genügen: Der Gesetzgeber muss eine bewusste, im Tatbestand erkennbare Subventionsentscheidung treffen, den Lenkungszweck hinreichend bestimmt tatbestandlich vorzeichnen, die Subvention zweckgerecht ausgestalten und dabei die Verhältnismäßigkeit zwischen Ziel und eingesetzten Mitteln wahren, vor allem aber das Steuersubventionsprogramm folgerichtig und widerspruchsfrei auf das im übrigen geltende Verwaltungsrecht abstimmen.

Steuersubvention und Steuergestaltung
Gleichheit und Freiheit sind nicht nur durch die Steuersubvention gefährdet, sondern auch durch die im geltenden Steuerrecht angelegten Möglichkeiten der Steuervermeidung. Die Gleichheit und Unausweichlichkeit der Steuerlast ist nicht mehr gewährleistet, wenn der Steuerpflichtige zwischen der Organisationsform des Einzelkaufmanns, der Mitunternehmerschaft und der Körperschaft wählen kann und sich daraus erhebliche Belastungsunterschiede ergeben. Das Steuerverfassungsrecht ist ebenso gefährdet, wenn die Einkommen aus Gewerbebetrieb, freiberuflicher Tätigkeit oder Vermögensverwaltung zu Belastungsunterschieden führen oder die Zurechnung von Gewinn und Verlust zu Inland oder Ausland von formalen Kriterien abhängt.

Derartige Steuergestaltungen veranlassen vielfach Kapitalfehlleitungen oder Kapitalvernichtung. Wenn Menschen sich in einer Personengesellschaft mit Partnern zusammenschließen, die sich nicht kennen lernen wollen, wegen eines Produktes, das sie nicht interessiert, an einem Standort, den sie nie betreten werden – allein in der Sehnsucht nach Verlusten -, so stellen diese Verlustzuweisungsgesellschaften das Prinzip unseres Wirtschaftens auf den Kopf. Diese Fehllenkungen werden wir uns auf Dauer nicht leisten können.

Was ist zu tun?
Geboten ist deshalb eine grundlegende Erneuerung unseres Steuerrechts. Die Einkommensteuer sollte nur noch eine Einkunftsart, nicht mehr sieben kennen, alle Lenkungs- und Durchbrechungsnormen entfallen lassen, dadurch eine Progression zwischen 15 und 25 Prozent ermöglichen, Einzelkaufmann, Mitunternehmerschaft und Körperschaft in einer steuerjuristischen Person gleichbehandeln, die Weitergabe des im Betrieb versteuerten Einkommens an die dahinterstehenden Personen dann für steuerunerheblich erklären, die Besteuerung familiengerecht und damit zukunftsbewusst ausgestalten, die Steuerverfahren so vereinfachen, dass die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen – bei Empfang von Lohn, Kapitalerträgen und Altersicherungsleistungen – nicht mehr erklärungspflichtig sind, im übrigen ihre Erklärung aus eigenem Wissen und Verstehen abgeben können.

Ein solches, das steuerpflichtige Einkommen allenfalls zu einem Viertel belastende Steuerrecht böte einen wesentlichen Beitrag zur Freiheitskultur in Deutschland und zur Behauptung unseres Wirtschaftsstandortes auf dem Weltmarkt. Wenn jeder Bürger weiß, dass der Erfolg des anderen zu 25 Prozent auch ein Gemeinschaftserfolg ist, wird er nicht mehr scheel auf den blicken, der eine Million Euro Einkommen erzielt, während er selbst nur ein Jahreseinkommen von 30 000 Euro empfängt. Er weiß nämlich, dass der Millionär 250 000 Euro Steuern für die Gemeinschaft bezahlt, er selbst progressionsbedingt nur 2500 Euro. Er wird darauf hoffen, dass der Millionär im nächsten Jahr seinen Erfolg verdoppeln und zwei Millionen erzielen, dann aber 500 000 Euro für die Gemeinschaft erwirtschaften wird. So entsteht eine Freiheitskultur, die den Erfolgreichen schätzt, seinen individualnützigen Erfolg anerkennt, aber auch die Sozialpflichtigkeit des eigenen in einer maßvollem Steuer einfordert.

Mit diesem Steuerrecht sind wir auch für den Wettbewerb auf dem Weltmarkt gewappnet: Die Einfachheit und langfristige Planbarkeit dieses Steuerrechts bietet Unternehmen und Unternehmern eine verlässliche Kalkulationsgrundlage. Die maßvolle Last zieht Investitionen und wirtschaftliche Initiativen an. Die unausweichliche, gleichmäßige Last befreit den Unternehmer vom Steuerkalkül und macht seinen Blick wieder frei für sein Produkt, seinen Markt, seine Kunden, Arbeitnehmer und Lieferanten. Das Steuerrecht wird wieder zur Freiheitsgarantie: 25 Prozent Steuereingriff sind Steuerlast, die übrigen 75 Prozent aber garantierte Freiheit.

Autor:
Prof. Dr. Paul Kirchhof
Institut für Finanz- und Steuerrecht, Friedrich-Ebert-Anlage 6-10, 69117 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 54 74 57

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