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Kurzberichte junger Forscher

Schönheit und Heldenmut

Als Maria de' Medici (1573 bis 1642) mit der Ausstattung ihres Pariser Witwensitzes beginnen konnte, hatte sie eine Biographie mit allen Höhen und Tiefen aufzuweisen: Nach der Ermordung Heinrichs IV. von Frankreich im Jahr 1610 war sie Regentin für ihren minderjährigen Sohn geworden. Für eine Frau, die zudem Ausländerin war, eine äußerst heikle Aufgabe, die schließlich ihre Entmachtung, Exilierung und die Ermordung ihres Ministers Concini zur Folge hatte. Nach ihrer Rückkehr aus dem Exil und der Wiederzulassung zum Staatsrat 1621 galt es, dieser ambivalenten Rolle in der französischen Politik im Bildprogramm des Palais du Luxembourg eine Gestalt zu geben, die ihren Machtanspruch als gerechtfertigt und mit der Ordnung des Staates in Einklang erscheinen ließ, ohne einen erneuten Eklat zu provozieren. Ihre wiedergewonnene Position im französischen Staat war noch keineswegs gesichert, und in ihrem ehemaligen Protegé Richelieu erwuchs ihr bereits ein machtvoller Gegner.

Die schwierige Aufgabe, ein solches Bildprogramm zu finden, wurde dem französischen Gelehrten Nicolas-Claude Fabri de Peiresc und dem flämischen Maler Peter Paul Rubens übertragen. Diese ersannen zunächst für den Tambour des Eingangspavillons einen Skulpturenzyklus berühmter Königinnen der Antike und des Mittelalters, "Ehefrauen und Mütter großer Fürsten", der jedoch nicht ausgeführt wurde. Die Bedenken sind im Briefwechsel von Peiresc und Rubens niedergelegt: Obwohl das Rollenbild von Mutter und Ehefrau auf den ersten Blick traditionell erscheint und somit auch die Gegner einer weiblichen Herrschaftsausübung zu beruhigen vermocht haben könnte, erwies sich der direkte Vergleich der ausgewählten historischen Figuren mit Maria de' Medici als weniger erstrebenswert: Die Viten der Vorbilder konnten so gelesen werden, dass sie auf einen negativen Gesichtspunkt in der Vita der Königinmutter verwiesen oder ganz allgemein unbrauchbar waren, etwa weil ein historisches Vorbild einen gewaltsamen Tod oder ein ähnlich wenig wünschenswertes Schicksal erlitten hatte.

Nach dem Scheitern des Skulpturenzyklus an der Außenfassade verlagerte sich die politische Bildrepräsentation der Königinmutter in das Innere des Palastes, in zwei groß angelegte Bildzyklen in den beiden Galerien der Seitenflügel, die jeweils dem Leben und Wirken Heinrichs IV. und der Maria de' Medici gewidmet wurden. Während die Heinrichsgalerie nicht zur großformatigen Ausführung gelangte, ist die heute im Louvre verwahrte so genannte Medicigalerie einer der Meilensteine der europäischen Kunstgeschichte. Rubens verbindet hier Porträt, Marias eigene Biographie und Zeithistorie sowie Allegorien zu einem komplexen politischen Programm, dessen Lektüre aber vieldeutig bleibt und so dem politischen Gegner kaum direkte Ansatzpunkte zur Kritik bietet. Wichtig ist, dass im Gegensatz zu dem Projekt des Eingangspavillons in der Medicigalerie keine exemplarischen historischen Frauenfiguren Verwendung fanden, deren politisches Wirken wesentlich konkretere Ableitungen von Machtansprüchen durch die Auftraggeberin suggeriert hätten.

Die hier geschilderten Vorgänge machen deutlich, dass Frauen in der Frühen Neuzeit, selbst wenn sie sich in einer gesellschaftlich herausragenden Stellung befanden, nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie Männer auf exemplarische historische Persönlichkeiten und "Heldinnen" der Vergangenheit zurückgreifen konnten. Galerien "berühmter Männer" gehörten dagegen wie die Ahnengalerien nahezu zur Standardausstattung eines fürstlichen und hocharistokratischen Herrschafts- und Wohnsitzes.

Neben der Orientierung an einem "männlichen" Modell sind aber weitere, meines Erachtens erfolgreichere Strategien "weiblicher" Repräsentation in Porträtgalerien entstanden, die im eigenen soziokulturellen Umfeld verwurzelt sind. Voraussetzungen für die Entstehung von Frauenporträtgalerien, die weitgehend historischen und genealogischen Begründungen enthoben waren, sind zum einen der Schönheitsdiskurs in Literatur und bildender Kunst der italienischen Renaissance und zum anderen die spezifische Funktion, die Porträtgalerien innerhalb des Kontextes der Kunst- und Wunderkammern des 16. Jahrhunderts einnahmen. Dort traf die genealogisch geprägte Vorstellungswelt der Aristokratie auf das Leistungsdenken eines "männlich dominierten Humanismus", das heißt, die vorwiegend männlichen Bildnisgalerien des Humanismus wurden von meist geschlechtersymmetrisch angelegten Ahnen- und Familiengalerien ergänzt und durchwoben. Hinzu kommt das enzyklopädische Denken der Epoche: In diesem Sinne verlangte die Repräsentation der Anomalien der Natur auch die Darstellung von deren Gegenteil, von Perfektion und Schönheit. So verwundert es nicht, dass gegen Ende des 16. Jahrhunderts bei den Habsburgern in Innsbruck und Prag sowie bei den Medici in Florenz und den Gonzaga in Mantua im Kontext der Kunstkammern weibliche Bildnisgalerien entstehen, deren wesentliche Klammer die Schönheit der weiblichen Dargestellten ist.

Das 17. Jahrhundert setzt diese Entwicklung fort: Der neue Typus der Schönheitengalerie kommt vor allem an den Höfen der Oranier und der Stuarts in Den Haag und London zur Geltung. Die Galerien und ihre schönheitliche Repräsentation des weiblichen Teils der höfischen Gesellschaft hatten für die Auftraggeberinnen oder für den Auftraggeber zum Teil recht unterschiedliche Funktionen: Sie erhöhten das Prestige des jeweiligen Hofherren, können aber auch als Dokument des sozialen Aufstiegs von Frauen innerhalb des gesellschaftlichen Kontexts der Höfe verstanden werden. Neben solche, zunächst vorherrschende Funktionen trat während des 17. Jahrhunderts dann die vorrangige Rezeption der Porträts als Darstellung schöner Frauen beziehungsweise als qualitätvolle Kunstwerke.

Ähnliche Strukturvoraussetzungen gelten für italienische Schönheitengalerien der Epoche, wobei besonders die von Ferdinand Voet (circa 1639 bis 1700) und seinem Umkreis für die Colonna und Chigi in Rom geschaffenen Bildnisgalerien durch ihre Lokalisierung in der Nähe der päpstlichen Kurie einen ganz eigenen Aspekt der römischen Hof- und Nepotenkultur vermitteln. In Frankreich ist dagegen eine gewisse Funktionalisierung der aristokratischen Bildnissammlung gegen den Alleinvertretungsanspruch des Königs unter dem Supremat der Historie zu beobachten (Château Bussy-Rabutin).

Mit der vollständigen Ausprägung der höfischen Gesellschaft in Europa, die in etwa mit dem Tod Ludwigs XIV. und dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges 1715 erreicht wird, hat sich auch die Schönheitengalerie als ein in Europa weit verbreiteter Sammlungstyp etabliert. Im 18. und 19. Jahrhundert, das bekannteste Beispiel ist die heute in Schloß Nymphenburg befindliche Schönheitsgalerie Ludwigs I. von Bayern (1786-1868), sind weitere Spielformen entstanden, die jedoch veränderten Grundbedingungen gehorchen.

Autor:
Der Kunsthistoriker Dr. Michael Wenzel hat in seiner Heidelberger Dissertation zu Heldinnen- und Schönheitsgalerien erstmalig diesen bedeutenden Teilbereich des Sammlungswesens der Frühen Neuzeit aufgearbeitet und der kunsthistorischen Forschung zugänglich gemacht. Für seine Arbeit erhielt er den Ruprecht-Karls-Preis der Universität Heidelberg. Er arbeitet jetzt im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig.

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