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Gigantische Staudämme als Machtsymbol

Pressemitteilung Nr. 242/2014
9. Dezember 2014
Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Asien und Europa“ untersucht die Folgen von Staudamm- und Deichbau insbesondere in Indien

Staudämme und Deiche schützen nur kurzfristig vor Überschwemmungen, können längerfristig aber zu schwerwiegenden sozialen und ökologischen Problemen führen. Zu diesem Ergebnis kommt der Geograph Dr. Ravi Baghel, der am Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“ der Universität Heidelberg erforscht hat, wie Menschen Überflutungen vorbeugen. Während sich nach seinen Worten in Deutschland und anderen Regionen Europas zunehmend alternative Möglichkeiten des Hochwasserschutzes etablieren, bauen Politiker vor allem in Asien weiterhin gigantische Staudämme und kilometerlange Deiche. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen, die vor allem auf Feldforschung in Indien basieren, hat Ravi Baghel in einem Fachbuch veröffentlicht. Am 13. und 14. Dezember 2014 veranstaltet der Wissenschaftler einen Workshop zum Umgang mit Wasser in Asien.

„Staudämme sind ein Ausdruck von Macht, Modernität und der Herrschaft des Menschen über die Natur“, erläutert Dr. Baghel. Wie seine Recherchen ergeben haben, gibt es weltweit inzwischen mehr als 45.000 große Staudämme. Nach Baghels Angaben sind dazu allein in Indien etwa 30 Millionen Menschen umgesiedelt, Flüsse begradigt und unzählige Deiche errichtet worden. Ein Beispiel aus seiner Feldforschung ist der Fluss Kosi, der in den Bergen des Himalayas in Nepal entspringt und sich einst durch die Region Bihar schlängelte. Heute zieht sich der nur 260 Kilometer lange Fluss in geraden Bahnen durch einen der ärmsten Bundesstaaten Indiens und ist an beiden Seiten durch Deiche in einer Gesamtlänge von 387 Kilometern stark eingeengt.

„Besonders dramatisch sind die Auswirkungen für diejenigen, die direkt am Fluss leben, also noch innerhalb der Schutzwälle“, erläutert Dr. Baghel. Im Fall des Flusses Kosi sind dies 1,2 Millionen Menschen. Überwiegend von Fischfang und Landwirtschaft lebend, waren sie darauf eingestellt, dass der Fluss sich jedes Jahr von ein paar hundert Metern auf mehrere Kilometer ausdehnt. Traditionell haben viele Anwohner ihre Häuser daher auf Stelzen gebaut und die Monate Juli bis September in anderen Regionen verbracht. Inzwischen kann sich das Wasser durch die Deiche nicht mehr ausbreiten, mit der Folge, dass die Fließgeschwindigkeit steigt und die Erosion zunimmt. Wie Ravi Baghel erläutert, lagern sich zudem jedes Jahr 19 Millionen Tonnen Sediment in den angelegten Flussbecken ab. Im Ergebnis steigt der Wasserspiegel von Jahr zu Jahr. „Um ihre Existenz zu retten, sprengen die betroffenen Menschen Löcher in die Deiche“, erklärt Dr. Baghel. „Daraufhin werden sie von den Politikern als ‚asoziale Elemente‘ beschimpft, woran das soziale Gefüge und die Schärfe der Auseinandersetzung deutlich werden.“

Doch auch die Menschen, die hinter den Schutzwällen leben, stehen nach Angaben des Wissenschaftlers vor großen Problemen. Eine besondere Gefahr stellt die Regenzeit dar: Die Deiche halten nicht nur den Fluss fern, sondern verhindern auch, dass das Regenwasser in den Fluss ablaufen kann. „Deshalb versuchen auch diese Anwohner immer wieder, die Schutzwälle einzureißen“, sagt der Geograph. „Einzige Gewinner sind diejenigen, die in weiterem Abstand von den Deichen leben und sich dort feste Häuser bauen. Vor allem zu ihrer Sicherheit erhöhen die Politiker die Deiche alle paar Jahre und werben dann damit, wie sehr sie sich für den Hochwasserschutz eingesetzt haben“, kritisiert der Wissenschaftler: „Dabei müssen Schutzmaßnahmen viel längerfristiger geplant werden.“

„Zu dem bisherigen Vorgehen gibt es durchaus Alternativen, und in Deutschland etwa sind sie auch zunehmend verbreitet“, erläutert Dr. Baghel. Dazu gehört es beispielsweise, Auen anzulegen und Deiche rückzubauen. „Doch in anderen Regionen der Welt setzen sich diese neuen Erkenntnisse bisher nicht gegen das gewohnte Vorgehen durch.“ Der Wissenschaftler organisiert am 13. und 14. Dezember am Karl Jaspers Zentrum der Universität Heidelberg den Workshop „Erkenntnistheorien zu Wasser in Asien“, zu dem Experten aus aller Welt erwartet werden.

Ravi Baghel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Exzellenzclusters „Asien und Europa im globalen Kontext“ der Universität Heidelberg. Dort hat er maßgeblich am Forschungsprojekt „Großstaudämme“ unter Leitung von Prof. Dr. Marcus Nüsser mitgewirkt. Sein Buch „River Control in India“ ist kürzlich im Springer-Verlag erschienen. Inzwischen arbeitet er an einem neuen Forschungsprojekt über „Gletscher des Himalayas“ mit. Überdies ist er an zwei internationalen Vorhaben beteiligt, die sich damit befassen, wie der Mensch die Erde verändert und diese langfristigen Folgen in seinem Handeln berücksichtigen sollte.

Bibliographische Angaben:
Ravi Baghel: River Control in India, Springer Verlag, 2014, doi: 10.1007/978-3-319-04432-3

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 10.12.2014
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