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Wie Jacob Gould Schurman der Ruperto Carola ein neues Hörsaalgebäude spendierte

Pressemitteilung Nr. 3/2009
9. Februar 2009
Der Alumnus der Universität Heidelberg und Botschafter der USA in Berlin startete Ende der 1920er Jahre eine Spendensammlung – 1931 wurde das Gebäude Neue Universität eröffnet – Inschrift „Dem Lebendigen Geist“ stammt von dem Germanisten Friedrich Gundolf
Schon immer wurde die Universität Heidelberg von Freunden und Förderern reich beschenkt. Insbesondere in der Altstadt stößt man vielerorts auf steinerne Zeugen solch großzügiger Zuwendungen. Zwei wertvolle Immobilien – nämlich das Haus Buhl sowie die Villa Poensgen – tragen noch heute die Namen jener Voreigentümer, die die Ruperto Carola per Testament mit ihrem Grundbesitz bedachten. Das wohl spektakulärste Geschenk im 20. Jahrhundert aber war das Gebäude der Neuen Universität – zwischen 1930 und 1931 anstelle des so genannten Kollegienhauses am Universitätsplatz errichtet.

Der amerikanische Botschafter in Berlin, Jacob Gould Schurman, hatte zu Beginn des Jahres 1928 bei einem Essen der Steubengesellschaft in New York verkündet, dass er eine auf 400.000 Dollar berechnete Spendenaktion gestartet habe, mit der das dringend benötigte Hörsaalgebäude in Heidelberg finanziert werden solle. Eine sensationelle Meldung, die in der deutschen Hauptstadt schnell die Runde machte. Der damalige Rektor der Ruperto Carola, der Theologe Martin Dibelius, erfuhr kurz danach von diesem Vorhaben. Und zeigte sich beglückt. Im Mai desselben Jahres erhielten Schurman und Außenminister Gustav Stresemann die Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät, im Dezember folgte das Ehrenbürgerrecht der Stadt. Zu diesem Anlass präsentierte Schurman auch das Ergebnis seiner Spendenaktion – mehr als eine halbe Million Dollar, gestiftet von wohlhabenden Amerikanern, darunter so erfolgreiche Unternehmer wie Walter P. Chrysler und John D. Rockefeller.

Wer war Jacob Gould Schurman? Geboren wurde er 1854 auf der kanadischen Prinz-Eduard-Insel. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf und mauserte sich zu einem ehrgeizigen und erfolgreichen Schüler, der zahlreiche Preise und Stipendien einheimste. Eins davon führte ihn nach Europa zum Studium, 1878/79 verschlug es ihn nach Heidelberg. Ein prägender Aufenthalt: Im nachhinein erklärte Schurman, dass dort der Grundstein für seine lebenslange Beschäftigung mit der deutschen Kultur- und Geistesgeschichte gelegt worden sei. Und dafür blieb er Zeit seines Lebens dankbar. Schurman machte später Karriere als Universitätslehrer und war zeitweise Präsident der Cornell University. Außerdem engagierte er sich in der Politik und bekleidete zahlreiche Ämter, darunter eben jenes des amerikanischen Botschafters in Deutschland zwischen 1925 und 1930.

Der Heidelberger Amerika-Experte Prof. Dr. Detlef Junker, der sich mit Schurman intensiv beschäftigt hat, sieht dessen Motivation für die Spendenaktion in der Tradition des „asketischen Protestantismus“ verankert: Reichtum verpflichte demnach zur Stütze des Gemeinwesens, das ansonsten zu einer „Herde von Tieren“ verkomme: „Der Reiche, so Schurman, sei im Gewissen verpflichtet, den ihm (von Gott) anvertrauten Besitz für sittlich einwandfreie Zwecke zu verausgaben, ja zu verschenken. Diesem Geist, dem ursprünglichen Fundament des ausgebreiteten amerikanischen Stiftungswesens (vor Erfindung der Steuerabzugsfähigkeit von Spenden), verdankt auch Heidelberg in nicht unerheblichem Maße seine Neue Universität“.

Die Bauarbeiten für dieses Gebäude begannen 1930. Mit den Planungen war der Danziger Architekt Karl Gruber beauftragt worden, der sich für eine „zeitgemäße und sachliche Architektur, aber nicht im Sinne der Moderne“ entschied. Die über den Hauptportal angebrachte Inschrift „Dem lebendigen Geist“ stammt von dem Germanisten Friedrich Gundolf und konnte sich gegen alternative „Widmungen“ durchsetzen. Über der Feier zur Einweihung des Hauptgebäudes und des Westbaus 1931 fielen allerdings schon die Schatten eines gewandelten Zeitgeists. Auch wenn Jacob Gould Schurmann persönlich von Anfeindungen ausgespart wurde, ließen nationalsozialistisch gesinnte Studenten ihrer antiamerikanischen und antisemitischen Einstellung freien Lauf mit Demonstrationen und Stinkbomben. Die Festlichkeiten selbst waren auch Schauplatz einer technischen Premiere: Zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Rundfunks wurde eine Direktverbindung in die USA hergestellt. Neben Schurmann und dem Anglisten Hoops sprachen ein amerikanischer Student sowie eine deutsche Kommilitonin. Und von der zeigte sich Schurman begeistert: „Sehen Sie, diese junge Studentin, mit ihren wenigen, kurzen, klaren Sätzen, sie hat man in Amerika verstanden. Das ist die Art, wie man zu unseren Menschen drüben sprechen muss, um wirklichen Kontakt mit uns zu gewinnen.“

Dem darin zum Ausdruck kommenden Wunsch nach funktionierenden deutsch-amerikanischen Beziehungen wurde durch die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der nächsten Jahre jedoch ein Strich durch die Rechnung gemacht. Von dem späteren Austausch der Inschrift „Dem lebendigen Geist“ sowie der Pallas Athene-Skultptur über dem Hauptportal der Neuen Universität durch einen Reichsadler und die Widmung „Dem deutschen Geist“ während der nationalsozialistischen Diktatur hat der 1942 verstorbene Jacob Gould Schurman vermutlich noch erfahren, vielleicht auch, dass die im Innern aufgestellte Stiftertafel sowie eine Bronzebüste von ihm 1938 durch eine Hitler-Büste ersetzt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten die Gundolf-Inschrift und die Pallas Athene-Skulptur wieder an ihren alten Ort zurück, 1961 wurde vor der Aula der Neuen Universität außerdem eine Gedenktafel für Jacob Gould Schurman enthüllt. Und die Erinnerung an diesen engagierten und großzügigen Sponsor scheint heute lebendiger denn je. Nach Schurman benannt sind unter anderem eine Bibliothek, ein Stipendium sowie eine Vortragsreihe. Überhaupt scheinen Mäzenaten, Stifter und Sponsoren sich wieder verstärkt an der Universität Heidelberg zu engagieren – zum Teil mit hochkarätigen Projekten. Auch dafür wird Jacob Gould Schurman stets ein leuchtendes Vorbild bleiben, keine Frage.
Aus: Unispiegel. Sonderausgabe Frühjahr 2006, S. 6/7 (ergänzte Fassung)

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