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Ein Leben jenseits von Raum und Zeit

31. Oktober 2008
„Lucy im Licht. Dem Jenseits auf der Spur“: Der Heidelberger Physikprofessor Markolf H. Niemz schreckt vor der Kluft zwischen den Disziplinen nicht zurück
Gibt es ein Leben nach dem Tod? Diese Frage dürfte so alt sein wie das menschliche Bewusstsein der Vergänglichkeit. Die Suche nach einer Antwort lässt sich ebenfalls bis in die frühesten Anfänge der Menschheitsgeschichte zurückverfolgen. Ein Ende des Fragens ist nicht absehbar. Das einzige, was nicht zu sterben scheint, ist die Neugier. Vor allem die Religion und Philosophie konstruieren seit jeher Gedankengebäude, welche dem Suchenden bei der Beantwortung zumindest eine Orientierung geben sollen.

Von Seiten der Naturwissenschaft werden solche Überlegungen größtenteils als mystisches Gerede abgetan. Es mangelt an handfesten physikalischen Beweisen und Einsichten. Der Heidelberger Physikprofessor Markolf H. Niemz schreckt vor dieser Kluft zwischen den Disziplinen nicht zurück. Mit seiner Abhandlung „Lucy im Licht. Dem Jenseits auf der Spur“ lässt er die Parallelen in den Ansichten der Theologie und den empirischen Erkenntnissen aus der Physik aufscheinen und beleuchtet den Weg ins Jenseits aus beiden Perspektiven.

Als Gründer der „Mannheim Biomedical Engineering Laboratories (MABEL)“ und Preisträger des Karl-Freudenberg-Preises für seine Forschungsergebnisse zur Lasermedizin ist er mitten in dieser Materie, besser gesagt: im Licht. Denn als Ausgangspunkt seiner Überlegungen dient ihm die erstaunliche Ähnlichkeit der von vielen Nahetoderfahrenen berichteten Wahrnehmungen mit den Erkenntnissen Albert Einsteins zur Beschleunigung von Materie auf Lichtgeschwindigkeit. Mit Hilfe einer Computer-Simulation (einzusehen unter www.Lucy-im-Licht.de), welche auf den physikalischen Gesetzen aus der Relativitätstheorie basiert, gelingt es Markolf H. Niemz zu zeigen, dass ein auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigender Beobachter genau das wahrnehmen würde, was in unterschiedlichen Nahetoderfahrungen mit frappierender Regelmäßigkeit auftaucht: die Reise ins Licht.

Aus dieser Erkenntnis heraus formuliert der Medizintechniker sein Axiom: "Mit dem körperlichen Tod wird unsere Seele (unser geistiges Ich, unser Bewusstsein) auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, damit sie ins Jenseits übergehen kann". Diese Annahme wirkt auf den ersten Blick wie eine krude Vermischung geisteswissenschaftlicher Konzepte (Seele, Jenseits) mit physikalischen Fachtermini (Lichtgeschwindigkeit), doch im Laufe seiner durchaus differenzierten Ausführungen kann Markolf H. Niemz tatsächlich Brücken schlagen zwischen diesen Begriffen.

Die Thesen weisen eine überraschende Plausibilität auf

Beispielsweise wird ihm zufolge die Überlegung, die Seele als eine Art energetischer Zustand könnte den Körper mit nahezu Lichtgeschwindigkeit verlassen, schon plausibler, wenn man sich vor Augen führt, dass jeder Mensch zeit seines Lebens Energie in Form von Wärmestrahlung mit eben dieser Geschwindigkeit in den Kosmos entsendet. Niemz' Erklärungsansätze gehen über das Tunnelerlebnis allerdings noch hinaus. Was Nahtoderfahrene über die Wahrnehmungen unmittelbar danach berichten, steht sehr häufig in Verbindung mit den Begriffen der Allgegenwart und Zeitlosigkeit. Viele sprechen davon, einen Einblick in ungeahnte Weltzusammenhänge bekommen zu haben, mit einer Art „Allwissen“ konfrontiert worden zu sein. Die Empfindung, nicht mehr nur ein Teil, sondern das Ganze selbst zu sein, wird ebenfalls in vielfältigen Worten geschildert.

Aus der Perspektive der Relativitätstheorie kann dies einen Sinn ergeben, denn auf Grund der Prinzipien der Längenkontraktion und Zeitdilatation, welche mit zunehmender Geschwindigkeit immer signifikanter werden, ist die Annahme schlüssig, dass bei Erreichen der Lichtgeschwindigkeit Raum und Zeit überwunden werden und das auf diese Geschwindigkeit beschleunigte Objekt sich dementsprechend in der Distanz- und Zeitlosigkeit befindet. Auch hier also eröffnet die Physik plötzlich eine völlig neue Perspektive auf Phänomene, über die im Rahmen unterschiedlichster Religionen bereits seit Jahrtausenden nachgedacht wird: Omnipräsenz und Ewigkeit.

Die Thesen aus „Lucy im Licht“ weisen also eine überraschende Plausibilität auf, welche den Leser nicht unberührt lässt und zum Nachdenken bringt. Trotzdem können auch die aufgezeigten Parallelen nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen Physik und Religion nach wie vor eine weite Lücke klafft und man sich bei der Suche nach Gemeinsamkeiten auf hochspekulatives Terrain begibt. Das allerdings kann auch als Verdienst Markolf H. Niemz' angesehen werden: Er zeigt in den Thesengefügen der Theologie und Physik Teile auf, welche vermuten lassen, dass es sich nicht um zwei getrennte, unterschiedlich detaillierte Puzzle handelt, sondern um ein ganzes, von höherer Komplexität, das im Diesseits die Findigkeit der Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen erfordert, sich jedoch erst im Jenseits vollkommen zusammenfügt.
Christian Bentz
© Rhein-Neckar-Zeitung

Info: Markolf H. Niemz: „Lucy im Licht. Dem Jenseits auf der Spur“. Droemer Verlag München, 16,90 Euro.

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Dr. Michael Schwarz
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