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Lange vor Machiavelli …

8. Juli 2008
Der Heidelberger Historiker Jürgen Miethke über „Politiktheorie im Mittelalter“
Jürgen Miethke, Emeritus des Heidelberger Historischen Seminars der Universität Heidelberg, fand bei seiner Arbeit ein so facettenreiches wie interessantes Forschungsfeld vor, das bereits vor acht Jahren in ein beeindruckendes Übersichtswerk mündete. Kürzlich erschien eine durchgesehene, jedoch weitgehend unveränderte Neuauflage, in der Jürgen Miethke – der Ende der 60er Jahre in Berlin über Ockhams Weg zur Sozialphilosophie promovierte – die Rahmenbedingungen der Entstehung und Wirkung politischer Theorien untersucht, welche die Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Kirche wesentlich beeinflussten.

Dabei gelang dem renommierten Autor, der für seine vor Details strotzenden Texte bekannt ist, ein Standardwerk zur Entstehung und Wirkung politischer Theorien des Mittelalters. Im Fokus standen speziell die Ideen und Gedankengänge in der Phase der Debatte um die Amtskompetenz des Papstes. Diese Frage beschäftigte die Gelehrten Europas in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts äußerst intensiv,wobei sich die scholastische Universität und der Herrscherhof als die Foren erwiesen, in denen die Diskussion geführt werden konnte.

Manchmal jedoch zwang das Vertreten der eigenen Meinung zur Flucht vor dem "Arm der Gerechtigkeit". Man denke hier nur an Marsilius von Padua, der Paris sowie seine beträchtlichen Schulden im Sommer 1326 recht überstürzt hinter sich ließ. Marsilius hatte sich in seinem "Defensor pacis" mit der Situation im Reich beschäftigt. Anlass – wenn auch nicht eigentliches Motiv – war die Krise des Römischen Reichs, die sich auch am Streit zwischen Ludwig dem Bayern und dem Papst um die Herrschaftsrechte des Königs entzündet hatte.

Nachdem die Schrift "Defensor pacis" publik gemacht worden war, konnten sich Marsilius und der von den Zeitgenossen ebenfalls mit der Entstehung in Verbindung gebrachte Johannes Jandun noch eine Weile frei in Paris bewegen – mussten dann aber plötzlich Hals über Kopf aus der Seinestadt flüchten.

Ihr Ziel: Ludwig der Bayer. Der Grund: vermutlich die Pariser Inquisition, wie Jürgen Miethke anmerkt, dem mit seinem anspruchsvollen Werk ein nicht ganz einfach zu bewältigender, aber deshalb um so lohnenderer Exkurs in die Gedankenwelt des Mittelalters gelang, die ebenso ihre "Leitwissenschaften" kannte wie unsere Gegenwart.
Heiko P. Wacker
© Rhein-Neckar-Zeitung

Info: Jürgen Miethke: "Politiktheorie im Mittelalter. Von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham". Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2008. UTB 3059. 351 S., kartoniert; 24,90 Euro.
ISBN: 978-3-8252-3059-3.

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