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Silicon Valley an Rhein und Neckar

7. Juli 2008
DAX-Schwergewichte und Universitäten schaffen in der Metropolregion Rhein-Neckar ein einmaliges Zentrum für Innovationen
Erfunden in Deutschland, vermarktet in den USA. Dieser Satz beschreibt, wie sich Deutschland bei der kommerziellen Verwertung der eigenen Forschungsleistungen von anderen Ländern oft die Butter vom Brot nehmen lässt. Das soll sich nun ändern: In einer außergewöhnlichen Kooperation bauen die drei Dax-Konzerne BASF, Merck und SAP gemeinsam mit den Top-Universitäten Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe und Darmstadt eine Innovationsplattform auf: Das "InnovationLab", ein Silicon Valley an Rhein und Neckar.

Ob der mp3-Standard (damals maßgeblich vom Fraunhoferinstitut IIS in Erlangen entwickelt) oder Gardasil (der am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg entdeckte Impfstoff gegen Gebärmutterhals-Krebs): Bei der Anmeldung von Patenten sind die Deutschen Spitze. Marktfähige Produkte machen dann häufig andere. Im Grunde entgehen deutschen Unternehmen dadurch riesige Möglichkeiten.

"Damit Erfolgsgeschichten wie SAP wahrscheinlicher werden"

Claus Heinrich ist das schon lange ein Dorn im Auge. Als Vorstandsmitglied des Software-Riesen SAP und als Honorarprofessor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim bewegt er sich seit vielen Jahren in beiden Welten, in Wirtschaft und Wissenschaft. Und genau an dieser Schnittstelle liege das Problem: "Es gibt nämlich keine Schnittstelle", stellt er fest.
Diesen Zustand wollen BASF, Merck und SAP mit dem "InnovationLab" ändern. Auch andere zwischen Rhein und Neckar ansässige Großunternehmen sind an Bord: der Global Player Heidelberger Druckmaschinen AG, Roche Diagnostics und die Unternehmensgruppe Freudenberg.

Die Ziele sind ambitioniert. In der Region um Mannheim und Heidelberg soll das deutsche Silicon Valley entstehen: ein Cluster aus Wirtschaft und Wissenschaft, zur anwendungsorientierten Forschung, zur schnellen Umsetzung in marktfähige Produkte, zur Nachwuchsförderung und für die zielgerichtete Unterstützung einer Startups. Alles unter einem Dach. "Wir schaffen gemeinsam eine Infrastruktur für Innovationen", sagt Heinrich. "Damit Erfolgsgeschichten wie die Entstehung der SAP in Zukunft wahrscheinlicher werden." Auch bei dem Pharma- und Chemiekonzern Merck in Darmstadt zeigt man sich begeistert: "Wir wollen eine möglichst lückenlose Wertschöpfungskette entstehen lassen, von der Grundlagenforschung bis zum Endprodukt", sagt Thomas Geelhaar, Vorstand der Chemiesparte.
Forschungsschwerpunkt ist zunächst die organische Elektronik: Es geht um die Entwicklung organischer Leuchtdioden (OLED), die auf energiearme Art die Beleuchtung revolutionieren sollen. Es geht um medizinische Diagnoseverfahren, die dem Patienten die Behandlung erleichtern könnten. Um neue Formen von Photovoltaik.

Und um viel Geld: Dreistellige Milliardenumsätze versprechen sich die Firmen in den nächsten Jahrzehnten von diesem Zukunftsmarkt. Für den Erfolg sind die Gesellschafter bereit, tief in die Tasche zu greifen. Spitzenforscher aus aller Welt, ob aus Stanford, Harvard oder vom Massachusetts Institute of Technology, sollen mit heimischen Spitzenkräften an konkreten Projekten arbeiten.
Für die Wissenschaft bietet sich dabei die Chance, disziplinübergreifend zu forschen mit Mitteln, die staatlichen Universitäten gewöhnlich versagt bleiben. "Ich konnte in den vergangenen drei Monaten mit Dingen arbeiten, von denen ich nie geglaubt habe, dass sie mal auf meinem Tisch liegen würden", sagt der künftige wissenschaftliche Leiter des InnovationLab, Norbert Gretz von der Universität Heidelberg.

"Wir haben wirklich Spaß hier"

Er habe der Idee eines deutschen Silicon Valley zunächst skeptisch gegenüber gestanden, sagt der Medizinprofessor. Aber er habe festgestellt: Der Wissenstransfer verlaufe keineswegs einseitig. Nicht nur die Wissenschaftler leisteten Grundlagenarbeit für die Wirtschaft. Auch die Unternehmen öffneten ihre Schatzkammern für die Forscher: "Ich bin in den letzten Monaten mit meiner Forschung weiter gekommen, als in den vergangenen sechs Jahren. Wir haben wirklich Spaß hier", sagt Gretz. Die Unternehmen selbst machen keinen Hehl daraus: Ziel ist es, Geld zu verdienen. "Wenn sich ein Produkt für einen beteiligten Gesellschafter eignet, dann wird er das bei sich integrieren", sagt Heinrich. Aber es gebe bei einem Institut dieser Qualität automatisch eine Unmenge von Entdeckungen, "quasi nebenbei", die nicht zur Kernkompetenz eines der Gesellschafter passten. Nach Heinrichs Vorstellung entwickeln sich aus diesen Ideen neue, kleine Firmen Startups.

Diese Entwicklung will der Geschäftsführer des künftigen InnovationLab, Bernhard Schweizer, mit einer Transfereinheit unterstützen. "Wir wollen die Innovationen bündeln und denjenigen, die daraus ein Produkt machen wollen, bei der Umsetzung helfen. Die Amerikaner machen uns das seit Jahrzehnten vor." Streitigkeiten zwischen Firmen oder gar einen Kampf der Kulturen zwischen Wissenschaftlern und Unternehmern werden kaum aufkommen, wie er glaubt: "Die Zeit für solche Kooperationen ist gekommen. Wir wissen, dass wir jeder für sich allein nicht weiter kommen. Alle wissen das."
Jochen Schönmann
© Rhein-Neckar-Zeitung
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