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Er wollte Deutschland voranbringen

24. April 2008

In der Heidelberger Universitätsbibliothek wurde der erste Band mit Briefen von Theodor Heuss präsentiert – RNZ-Mitbegründer und Bundespräsident

Er gehörte zu den maßgeblichen Repräsentanten eines politischen und moralischen Neubeginns in Deutschland nach 1945 und hatte sich – abgesehen davon, dass er 1933 als Mitglied des Reichstages seine Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz gegeben hatte – stets vorbildhaft verhalten. Aufgrund seiner "weißen Weste" erhielt er von den Amerikanern im September 1945 die Lizenz, die ihn – gemeinsam mit Hermann Knorr und Rudolf Agricola – befugte, die neu gegründete Rhein-Neckar-Zeitung herauszugeben. Die RNZ war die erste Zeitung im damaligen Württemberg-Baden. Theodor Heuss, der von 1943 bis 1945 im Kehrweg in Heidelberg-Handschuhsheim in einem kleinen Dachgeschoss wohnte, wurde noch im selben Jahr zum Kultusminister des Landes Württemberg-Baden ernannt und übernahm im September 1949 das Amt des Bundespräsidenten. Der K.G. Saur Verlag München widmet dem angesehenen Demokraten eine auf acht Bände angelegte Edition seiner Briefe, von der ein Band bereits erschienen ist. Das Buch wurde feierlich mit mehreren Reden und einer Lesung in der Heidelberger Universitätsbibliothek vorgestellt. Es enthält die Briefe von 1945-1949, wohl die ereignisreichste Periode im Leben des 1884 im württembergischen Brackenheim geborenen und 1963 in Stuttgart gestorbenen Politikers, der einmal äußerte: "Von Haus aus bin ich, und zwar sehr bewusst, Journalist."

Heuss, der seit 1908 mit der tüchtigen Elly Knapp verheiratet war – die Trauung hatte Albert Schweitzer vollzogen, der spätere "Urwaldarzt" und Organist –, war nicht nur ein ausgezeichneter politischer Kopf, sondern auch ein "Bildungsbürger im klassischen Sinne". Das unterstrich UB-Direktor Dr. Veit Probst in seiner Begrüßungsansprache und zitierte aus jenem Brief, den Heuss im Juni 1945 an Benno Reifenberg, den renommierte Redakteur der alten "Frankfurter Zeitung", geschrieben und darin hoffnungsfroh darüber nachgedacht hatte, der in Heidelberg neu zu gründenden Zeitung den Untertitel "Fortsetzung der Frankfurter Zeitung" zu geben, um die Deutschen wissen zu lassen, dass hier eine zerbrochene Kontinuität wieder hergestellt werden solle. Heuss wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass in Heidelberg "Leute von Rang" wie Richard Benz, Karl Jaspers, Alfred Weber und Gustav Radbruch wohnten.

Bevor Dr. Ernst Wolfgang Becker, der Herausgeber der von der Stiftung Bundespräsident Theodor-Heuss-Haus edierten Ausgabe, gemeinsam mit dem Rezitator Götz Schneyder lohnende Einblicke in die Korrespondenz der liberalen Persönlichkeit gab, informierte er über die "Stuttgarter Ausgabe", die nicht nur Briefe, sondern auch Reden, Schriften und Gespräche von Theodor Heuss enthält. In ihnen spiegeln sich Leben und Wirken des Württembergers, zugleich wird aber auch deutsche Zeitgeschichte sichtbar. Becker bezeichnete Heuss' Leben als ein Stück liberaler deutscher Demokratiegeschichte. Seine Briefe offenbaren viel über den Wissenschaftler, Politiker und Journalisten, lassen aber auch unbekannte Seiten seines Wesens durchscheinen. Aus über 1000 Schreiben wurden für den Band 220 Briefe ausgewählt, versehen mit Einleitung, Kommentaren und einem guten Glossar. Private Nachlässe, Bibliotheken und Familienangehörige (Schwiegertochter und Enkel) ermöglichten das Zustandekommen der Ausgabe, die auch von Sponsoren unterstützt wurde.

Einen kleinen Einblick bot die Lesung mit verteilten Rollen. Man erfuhr, wie Heuss in seiner Handschuhsheimer Dachstube an seiner Biografie über den Unternehmer Robert Bosch schrieb, wurde informiert über seine Reaktion auf den Auftrag zur RNZ-Gründung – für die Zeitung schrieb er Leitartikel über das politische Zeitgeschehen –, und man lauschte gerührt den Dankadressen, die der "passionierte Vertreter einer großen Briefkultur" (Becker) an Freunde richtete, die ihn mit Fresspäckchen unterstützten und den für ihn unverzichtbaren "Rauchwaren". Da kommt dann der Mensch zum Vorschein, der 1945 auf 105 Pfund abgemagert war, der tatkräftig bestrebt war, Deutschland wieder voranzubringen und die Deutschen zur Demokratie zu erziehen. Das hieß nichts anderes als sich schonungslos mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Das Buch trägt denn auch den programmatischen Titel "Erzieher zur Demokratie".
Heide Seele
© Rhein-Neckar-Zeitung

Info: Theodor Heuss: "Erzieher zur Demokratie. Briefe 1945-1949". Hrsg. und bearb. von Ernst Wolfgang Becker. K. G. Saur Verlag, München 2008. 621 Seiten, 39,80 Euro.

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