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Dopingbekämpfer Franke in Heidelberg: „Bin der Gesundheit und der Wahrheit verpflichtet!“

18. April 2008

Ringvorlesung "Doping" von Universität und Pädagogischer Hochschule Heidelberg gestern mit dem Krebsforscher und Drogenbekämpfer Prof. Dr. Werner Franke – "Junge Menschen als Objekte pharmakologischer Manipulationen – Staatlich geförderte Kriminalität und der Beitrag der Wissenschaft"

Weshalb engagiert sich ein weltweit bekannter Wissenschaftler wie Prof. Dr. Werner Franke vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg auf einem solch verminten Gebiet wie der Dopingproblematik? Auf die Frage einer Zuhörerin nach der Veranstaltung im Rahmen der Ringvorlesung "Doping" in Heidelberg beantwortete er diese Frage eindeutig: "Als Wissenschaftler und Krebsforscher bin ich der Gesundheit und der Wahrheit verpflichtet".

Am Anfang dieses Engagements stand eine Provokation seiner Frau Brigitte Berendonk, die ihn nach den Olympischen Spielen 1968 nach ihrer Beobachtung ihrer Konkurrentinnen in den Würfen (überdeutliche Anzeichen von Anabolikamissbrauch) fragte: "Warum sagt Ihr Wissenschaftler nichts dazu?" Und genau dies haben beide seit nunmehr 40 Jahren getan, selten zur Freude von so manchen Funktionären, Trainern und Sportmedizinern, die sich oft mehr dem Medaillenhunger der Nation als dem Wohl der jungen Sportler verpflichtet fühlten.

Und immerhin: Es ging zwar längst nicht so schnell voran, wie sie selbst und viele andere es sich gewünscht hätten, aber es ging voran. Kaum noch jemand wagt heute so unverschämt und offen aufzutreten wie früher der leitende Arzt von westdeutschen Olympiamannschaften Keul (Freiburg). Aber gefährlich ist die Beschäftigung bis heute, wie er aus der Konfrontation mit vielen Prozessen (zuletzt mit dem gefallenen Radidol Jan Ullrich) und den Reaktionen verschiedener Milieus weiß: "Ich kann jungen Wissenschaftlern nur von der Beschäftigung mit dem Dopingthema abraten. Diese ist karriereschädlich. Die Wahrheit beeinträchtigt die deutschen Medaillenchancen und das wollen viele nicht haben." Die juristische Auseinandersetzung mit Ulrich geht jedenfalls weiter, da Ulrich trotz vorhandener Belege (Zahlungen an Fuentes, DNA-Nachweis) sein Doping bisher nicht zugegeben hat.

Konsequent lautete der von Franke gewählte Titel seines Vortrags: "Junge Menschen als Objekte pharmakologischer Manipulationen (Doping im Sport) – Staatlich geförderte Kriminalität und der Beitrag der Wissenschaft". Und hierzu gab es auf der Grundlage seiner langjährigen Erfahrung viel zu berichten, z.B. von einem Staatsanwalt in Bayern, der eine berechtigte Klage Frankes abwies, obwohl er gleichzeitig im Ehrenamt Rechtswart des bayrischen Leichtathletikverbands war, des verurteilten Dopers und ehemaligen Bundestrainers Spilker, der heute sinnigerweise Rechtswart und Vizepräsident des thüringischen Landessportbunds ist, des Hamburger Jugendrichters und Verbandspräsidenten, der für Doping auch bei Minderjährigen war, oder von Sportmedizinern, die entweder wider besseres Wissen oder in Unkenntnis neuerer Forschungsergebnisse behaupteten, bestimmte Dopingmittel seien unschädlich.

So mancher junge Mensch, der an die Koryphäen des Milieus glaubte, musste im Lauf der Jahre dafür bezahlen – manchmal auch sehr schnell und manche mit dem Tode. Und die teilweise extremen gesundheitlichen Risiken existieren nicht nur im Spitzensport, sondern vor allem auch in nicht wenigen Fitnessstudios, aber auch bis in den Breiten- und Jugendsport hinein.

Die heutige Situation hat eine lange Vorgeschichte von mehreren Jahrzehnten, und sie ist eher beängstigend. Das Vertrauen Frankes in die Selbstheilungskräfte des Sports ist nicht nur erschüttert, sondern zerstört; auch die Ernsthaftigkeit der den Spitzensport umgebenden Akteure wie Justiz, Politik, Wirtschaft oder Medien stellt Franke, unterlegt mit Beispielen, in Frage. Kommissionen des Sports und Untersuchungsausschüsse haben im Prinzip nichts bewirkt, zumal auch keine Namen von Tätern genannt wurden. So bleiben stets nur ertappte Dopingsünder als Sündenböcke.

Die Täter aus dem Sportlerumfeld werden fast nie bestraft (mit Ausnahme der relativ milden Strafen bei den Berliner Prozessen zum DDR-Doping). Als Skandal empfindet Franke auch, dass in der Zwischenzeit eine der wesentlichen Nebenwirkungen des Missbrauchs von Steroiden, die erhöhte Aggressivität oder "steroid rage" bei Straftaten, ähnlich wie Alkohol als strafmindernder Grund gilt. Ein weiterer Skandal bestehe in der Forderung von nicht wenigen Spitzentrainern nach der Vollprofessionalisierung von Sportlern. Ohne zweites Standbein (Studium, Beruf) sind sie zu abhängig von ihren Leistungen im Spitzensport und damit leicht verführbar. Bestraft werden aber jeweils nur die Sportler, nicht die Verführer.

Warum zwei Jahre Sperre z.B. bei einem Missbrauch von anabolen Steroiden nicht ausreichen, wird durch neuere schwedische Forschungsergebnisse belegt. Anabolikakuren wirken nach dem Absetzen noch bis zu fünf Jahre nach, also weit länger als die Dauer der Sperre. Noch schlimmer ist es nach Franke, dass sich die Spitzenverdiener des Sports so "wissenschaftlich begleiten" lassen können, dass ihnen in Kontrollen nichts passieren kann. Für sie ist Doping quasi freigegeben, erwischt werden schon wie früher nur die Dummen und die Armen. Insofern kann es auch nicht überraschen, dass wesentliche Erfolge bei der Dopingbekämpfung eben nicht durch den organisierten Sport oder durch Antidopingagenturen erzielt wurden, sondern den Kommissar Zufall, durch Polizei und Zoll, wie etwa beim Festina-, beim Balco- oder dem Fuentesskandal.

Wesentliche "Trümpfe" des heutigen Dopings gehen noch auf DDR-Forschung zurück wie die nasale Testosteronmedikation. Was vorher von Experten geprüft und erforscht wurde, stellt nach Franke bei Kontrollen kein Problem dar. Über die Produktion von EPO-Biosimilars ist der Missbrauch von EPO praktisch nicht nachweisbar. Dort, wo Grenzwerte für die Verwendung bestehen wie bei EPO oder bei Testosteron, wird die Punktlandung (knapp unterhalb der Nachweisgrenze) praktiziert. All dies ist ohne die Hilfe von Spezialisten (Wissenschaftlern!) nicht machbar.

1992 schrieb die Neue Züricher Zeitung bei den Olympischen Spielen in Barcelona: "Vielleicht wird sich die Dopingfrage von selber lösen durch Ermüdungserscheinungen bei den empörten Ethikern" (NZZ 11.8.1992). Franke, Berendonk und andere mehr sind der beste Beleg dafür, dass diese Vorhersage nicht eingetroffen ist. Dennoch ist bei der jüngeren Generation die Anzahl der engagierten Dopingbekämpfer nach wie vor viel zu klein, denn es bleibt noch viel zu tun!

Rückfragen bitte an:
Prof. Dr. Gerhard Treutlein
Tel. 06221 477607 oder 0172 933483
treutlein@ph-heidelberg.de

Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
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Irene Thewalt
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