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Gehirnzellen müssen auch im Alter gefüttert werden

4. April 2008

Die Neurobiologin Hannah Monyer untersucht, wie Lernvorgänge die Gehirnstruktur plastisch verändern – Von Mäusen und Menschen

Was passiert im Gehirn, wenn wir lernen? Wie verständigen sich bei diesem Vorgang die Nervenzellen untereinander? Das ist eine der Fragen, die die Neurobiologin Professor Hannah Monyer und ihr Team am Universitäts-Klinikum Heidelberg untersuchen. Am Dienstag Abend sprach die Wissenschaftlerin, die unter anderem mit dem Leibniz-Preis, dem Philip Morris-Forschungspreis sowie dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, beim Netzwerk Alternsforschung. "Von Menschen und Mäusen – Lernen und plastische Veränderungen im Gehirn" lautete der Titel ihres Vortrags.

Zellen "feuern" ständig...

Um zu untersuchen, wie Nervenzellen im Gehirn miteinander kommunizieren und wie sich die Gehirnstrukturen dabei verändern, haben die Forscher um Hannah Monyer ein gentechnisches Verfahren eingeführt, durch das bestimmte Nervenzellen ein fluoreszierendes Eiweiß abgeben. Bei Mäusen lässt sich dann mit Bild gebenden Methoden zeigen, wie die neuronalen Gehirn-Aktivitäten verlaufen.
Gleich zu Beginn ihres Vortrags ermutigte die Wissenschaftlerin ihr Publikum, auch im Alter das Gehirn mit Informationen zu füttern, um es aktiv zu erhalten. Erst vor etwa 20 Jahren haben die Neurobiologen herausgefunden, dass während des gesamten Lebens im menschlichen Gehirn neue Zellen gebildet werden. So verändern sich die Strukturen ständig, und es können auch im Alter noch neue Verschaltungen angelegt werden. "Wenn diese Verschaltungen im Gehirn aber nicht benutzt werden, werden sie abgebaut", unterstrich Monyer und zitierte den eingängigen Satz amerikanischer Kollegen: "Use it or loose it".

Mit einer Powerpoint-Präsentation erläuterte die Forscherin, wie sich die Gehirnzellen untereinander verständigen: Zwischen den einzelnen Zellen ist ein schmaler Spalt; in diesen wird über die Synapsen eine Substanz (Neurotransmitter) ausgeschüttet, die sich dann mit dem Protein verbindet. Dieser Vorgang ist als elektrischer Impuls messbar. Beim kognitiven Lernen werden zwei Kanäle gleichzeitig geöffnet, der Impuls ist dann viel größer und hält auch an. So können Fakten gespeichert werden. Dass junge Menschen beispielsweise Sprachen viel leichter lernen als ältere, hänge damit zusammen, dass diese Kanäle genetisch kontrolliert werden. Bei einem Erwachsenen sei im Vergleich zu einem Jugendlichen der Kanal nur ein Drittel der Zeit geöffnet. "Das genetische Programm ist dafür zuständig, dass Lernen im Alter schwieriger wird, aber es ist durch Erfahrung auch schnell veränderbar", erläuterte die Neurobiologin.

Wie komplex diese Gehirnvorgänge sind, erläuterte Monyer an zahlreichen Beispielen. Wenn wir beispielsweise eine Zitrone und einen Apfel sehen, muss das Gehirn Schwerstarbeit leisten, um die Information "Das ist ein Apfel", "Das ist eine Zitrone" zu senden. Damit im Gehirn stimmige und sinnvolle Bilder von der Außenwelt entstehen, müssen mehrere Zellen, die im Gehirn teilweise weit voneinander entfernt liegen, auf die Millisekunde genau synchron aktiviert werden. "Feuern" nennen die Wissenschaftler diesen Vorgang. Bei "Apfel" feuert beispielsweise eine Zelle die Information "rund", eine andere die Information "rot". Hunderte von Detektoren werden so zu immer neuen Ensembles miteinander verschaltet. "Das ist wie in einem Orchester", vergleicht die Forscherin.

...neue Informationen

Die Neurobiologen um Professor Monyer arbeiten daran zu erforschen, wer dieses Orchester "dirigiert". In Versuchen an Mäusen haben die Forscher diese "Dirigentenzellen" im Gehirn mit einem fluoreszierenden Stoff markiert und ihre Aktivität so gut beobachten können. So konnten sie herausfinden, dass zwar jede Zelle nur eine Ausleitung hat, aber Tausende von Synapsen bildet.
Ingeborg Salomon
© Rhein-Neckar-Zeitung

Info: Weitere Infos zum Vortrag und zum Netzwerk Alternsforschung unter www.nar.uni-heidelberg.de

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