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Von Heidegger geliebt, von Jaspers geprüft

5. Februar 2008

Aus der Serie: Berühmte Persönlichkeiten in Heidelberg: Hannah Arendt als Studentin am Neckar

Einige Jahre nach Zuckmayers Weggang aus Heidelberg kam eine damals noch völlig unbekannte Studentin an den Neckar: Die heute allseits bekannte Theoretikerin der Politischen Philosophie, Hannah Arendt. Sie weilte von 1926 bis 1928 in Heidelberg und studierte Philosophie, Klassische Philologie und Theologie.

Sie hatte seit 1924 bei dem berühmten Existenzphilosophen Martin Heidegger in Marburg studiert. Sie hatte ein Liebesverhältnis mit ihm und ging, weil dieser alles geheim halten und seine Ehe nicht gefährden wollte, 1925 zu dem Phänomenologen Edmund Husserl nach Freiburg. Sie blieb aber weiterhin in Briefkontakt mit Heidegger. Dieser empfahl ihr, bei dem Existenzphilosophen Karl Jaspers in Heidelberg zu promovieren. Auch Jaspers, von Heidegger als "Freund und Kampfgefährte" bezeichnet, war schon damals eine Berühmtheit.

Während ihrer ganzen Heidelberger Zeit hat Arendt im Haus Schlossberg 16 gewohnt. Dieses Gebäude steht leider nicht mehr, es wurde in den 60er Jahren abgerissen. Zum 100. Geburtstag der Philosophin 2006 wurde hier aber eine blaue Gedenktafel aus Metall angebracht.

Arendt stand am Anfang ihrer Heidelberger Zeit noch ganz im Bann des von ihr abgöttisch geliebten Heidegger. Heidegger schrieb ihr, bestimmte Orte und Zeiten für ein Rendezvous – und sie folgte ihm willig, ihm vollkommen hörig. Von alldem wusste Jaspers freilich nichts. Auch er, mit seinen neuen, unkonventionellen Lehrmethoden eine Ausnahmeerscheinung, machte großen Eindruck auf die damals erst 20-jährige Studentin. War aber Heidegger "ihr umschwärmtes Genie", so Jaspers doch im Unterschied dazu "eine Respekt gebietende Vaterfigur". Mit Jaspers blieb Arendt – im Gegensatz zu Heidegger – ihr ganzes Leben lang in freundlichem Kontakt.

Bei Jaspers schrieb Arendt ihre Dissertation über den "Liebesbegriff bei Augustin". Sie beschrieb darin die körperliche Liebe, die Gottes- und die Nächstenliebe auf der Grundlage Heideggerscher Begrifflichkeit. Vielleicht hat sie darin ihre Erfahrungen mit der Liebe auf reflektierte Art verarbeitet. Jedenfalls war sie schon mit 22 Jahren promoviert.

Die attraktive Hannah Arendt hatte aber auch Liebesbeziehungen zu Heidelberger Studenten. Der spätere große Germanist Benno von Wiese, mit dem Arendt damals eine Beziehung hatte, schildert die Begegnung mit ihr in seinen Lebenserinnerungen so: " Sie war weder 'hübsch' noch 'schön'. Ihre finanziellen Mittel waren damals sehr bescheiden, ihre Kleidung entsprechend einfach und damals nicht besonders geschmackvoll. Das Auffallendste an ihr war die suggestive Kraft, die von ihren Augen ausging. Man tauchte in ihnen geradezu unter und musste fürchten, nicht mehr nach oben zu kommen." Benno von Wiese hätte damals Hannah gerne geheiratet, wie man es von den beiden in ihrer Umgebung auch erwartete: "Jaspers und seine jüdische Frau hätten gerne in uns beiden das zweite, jüngere Paar einer 'existenziellen Kommunikation' gesehen. Aber ich war dazu nicht 'geistig' genug und Hannahs 'moralischen' Ansprüchen nicht gewachsen." Mit anderen Worten: Von Wiese empfand ihren "präzisen Verstand" und ihren Drang, sich selbst zu behaupten, als für eine Ehe hinderlich.

Ein anderes, mehr platonisches Verhältnis hatte Arendt zu dem Juden und Zionisten Kurt Blumenfeld. Ihr schüchterner Freund, der spätere Philosoph Hans Jonas, hatte sie mit dem erheblich älteren zionistischen Vortragsredner erst bekannt gemacht. Es entwickelte sich an diesem Abend anders, als es sich Jonas gedacht hatte. In der umfassenden Arendt-Biographie von Elisabeth Young-Bruehl liest man dazu: "Der Vortrag bekehrte Hannah Arendt zwar nicht zum Zionismus, wohl aber zu Kurt Blumenfeld. Sie und Jonas luden Blumenfeld nach seiner Rede zum Abendessen ein, und als sie aßen, kräftig tranken und dann durch die Straßen Heidelbergs zu dem schönen Philosophenweg schlenderten, verhielt sie sich sowohl kokett als auch töchterlich. Blumenfeld und Arendt sangen – Arm in Arm – Lieder, rezitierten Gedichte und lachten ungestüm, während Jonas hinterher trottete."

Blumenfeld sollte maßgeblichen Einfluss auf die junge Studentin haben: Er eröffnete ihr, die sich bis dahin noch nicht allzu viele Gedanken über ihre jüdische Herkunft gemacht hatte, in langen Gesprächen die Welt des Judentums. Das wurde bestimmend für ihren weiteren Lebensweg als jüdische Philosophin, die sich intensiv mit dem Antisemitismus als Wurzel des späteren Holocaust beschäftigte.

Wer war Hannah Arendt?

Die Jüdin Hannah Arendt wurde 1906 als Tochter eines Ingenieurs bei Hannover geboren. Ihre Kindheit und Jugend verlebte sie im ostpreußischen Königsberg. Von 1924 an studierte sie Philosophie, Theologie und Klassische Philologie. Philosophie zuerst in Marburg bei Martin Heidegger, danach bei Edmund Husserl in Freiburg und zuletzt bei Karl Jaspers in Heidelberg. 1928 schloss sie ihr Studium mit Promotion ab. Zwischen 1929 und 1933 forschte sie über die deutsche Romantik und schrieb ein Werk über die Jüdin Rahel Varnhagen. 1933 floh sie nach kurzer Inhaftierung durch die Gestapo nach Frankreich. 1941 emigrierte sie – nach einer Internierung im Konzentrationslager Gurs – in die USA. Dort war sie in den Folgejahren als Journalistin und Lektorin tätig. 1951 erschien ihr Werk "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft". Sie untersuchte darin die Entstehungsbedingungen totalitärer Systeme unter besonderer Berücksichtigung des Antisemitismus. Diese Arbeit machte sie auf einen Schlag weltberühmt. Sie gilt seither als bedeutende Theoretikerin der Politikwissenschaft bzw. der Politischen Philosophie. Von größerer Bedeutung war auch ihre Berichterstattung über den Eichmann-Prozess im Jahre 1961 und das daraus entstandene Buch "Eichmann in Jerusalem". Darin prägte sie erstmals den Begriff von der "Banalität des Bösen". Sie starb im Dezember 1975 in New York an einem Herzinfarkt.
Peter Zimber
© Rhein-Neckar-Zeitung

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