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Das Geheimnis von Nasca ist gelüftet

2. März 2007

 

Heidelberger Geographen rekonstruierten Klima- und Landschaftsgeschichte im Süden Perus – Wasserkult am Wüstenrand

 

Erstmals haben sich Wissenschaftler um den Bonner Altamerikanisten Markus Reindel intensiv mit den geheimnisvollen Linien von Nasca im Süden Perus beschäftigt. Heidelberger Geographen waren dabei und rekonstruierten die Klima- und Landschaftsgeschichte der letzten 11 000 Jahre. Jetzt weiß man endlich, wozu die Geoglyphen, die riesigen Bodenzeichnungen, angelegt wurden. Die RNZ sprach darüber mit Prof. Bernhard Eitel vom Geographischen Institut der Universität.

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Die riesigen Bodenzeichnungen im Süden Perus wurden von den Menschen der Nasca-Zeit von 500 vor Christus bis etwa 600 nach Christus angelegt und für kultische und gesellschaftliche Veranstaltungen genutzt.
Foto: zg

 

Die Linien von Nasca sind keine Landebahnen von Außerirdischen und kein astronomischer Kalender. Was dann?

 

Es sind Kultstätten. Die Linien anzulegen, etwa mit Hilfe von Fluchtstangen, das war nach Ansicht der Archäologen wohl bereits Teil des rituellen Akts.

 

Um welchen Kult ging es da?

 

Die Archäologen haben an einigen Stellen im Nasca-Gebiet nicht nur altarähnliche Plattformen mit Opfergaben, sondern auch Spondylus-Muscheln aus dem warmen Pazifik-Wasser in Nord-Peru gefunden. Gegen Ende der Nasca-Zeit ab 300 nach Christus wurde es immer trockener, der Wüstenrand verlagerte sich nach Osten, und die Atacama dehnte sich aus. Der Fund der Muscheln deutet auf einen Wasser- und Fruchtbarkeitskult hin.

 

Diese Umweltveränderung am Ende der Nasca-Kultur - das war Ihr Teil des Forschungsvorhabens.

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Prof. Bernhard Eitel hält die Nachbildung einer Kanne aus der südamerikanischen Nasca-Kultur in der Hand.
Foto: Hentschel

 

Neben der geoarchäologischen Erkundung mit geophysikalischen Methoden war die Beziehung zwischen der Nasca-Kultur und ihrer Umwelt ein wichtiger Teil. Ursprünglich waren Archäologen und einige Geowissenschaftler davon ausgegangen, dass katastrophale Niederschläge durch das El-Nino-Phänomen den Untergang der Kultur auslösten. Doch das macht keinen Sinn, damit wären ja auch die Geoglyphen weggespült worden. Cahuachi beispielsweise, 20 Kilometer westlich von Nasca, mitten in der Atacama-Wüste, war ein wichtiges Zentrum der Nasca-Kultur. Die Frage erhob sich: War die Wüste damals gar keine Wüste? Im Jahr 2002 stieß ich auf kleine inselartige Vorkommen von über einem halben Meter mächtigen Löss, und Wüstenrandlöss ist ein Anzeiger für ehemals feuchteres Klima in der heutigen Wüste. Er kann sich nur bilden, wenn Pflanzen ihn vor Verwehung schützen. Das war der entscheidende Schlüssel. Datierungen in Zusammenarbeit mit Prof. Wagner von der Forschungsstelle Archäometrie ergaben, dass von 9000 bis ins 3. Jahrtausend vor Chr. dort offenes Grasland vorherrschte. Der sommerliche Monsunregen aus den Anden reichte weiter in die Wüste als heute und ermöglichte an deren Ostrand die Entstehung von Kulturen. Mit nachfolgender Austrocknung des Gebiets verschwand die Vegetation wieder, die Menschen zogen sich ab dem 3. Jahrtausend vor Chr. in die Flussoasen zurück, die jahreszeitlich noch immer genügend Wasser von den Bergen führten.

 

Was bedeutete das für die Bevölkerung?

 

Konzentration zwingt zu Innovationen, aus jagenden und sammelnden Sippen werden arbeitsteilige Gesellschaften. Sie entwickeln etwa die Bewässerungswirtschaft und die Arbeitsteilung, es entstehen Priesterkasten und Fürsten, die Herstellung von Keramik wird erfunden. Bis zur Mitte der "Nasca-Zeit" um 300 nach Chr. blieben die Verhältnisse stabil. Im Sommer kam regelmäßig Wasser von den Bergen, so dass Flüsse und Brunnen gefüllt waren. Dann wurden die Niederschläge auch im Gebirge unzuverlässig, es kam zu längeren Dürren. Die Menschen verlegten ihre Siedlungsschwerpunkte immer weiter in die Anden hinein, wo das Wasser verlässlicher kam. Um 650 n. Chr. riss die Besiedlung ab.

 

Und im trockenen Klima der Wüste blieben die Geoglyphen bis heute erhalten.

 

Ja, obwohl es ab dem 11./12. Jahrhundert wieder richtig feucht wurde, bis hinein in die mittlere Wüste. Die Spanier haben dort im 16. und 17. Jahrhundert große Basiliken gebaut, ehe das Klima wieder trocken wurde. Wir müssen lernen, dass Wüstenränder auf Schwankungen von Niederschlag und Luftfeuchtigkeit sehr schnell reagieren. Das Klima ist nichts Stabiles, ebenso wenig wie das Wetter. Während der wärmsten Phase des Holozäns vor 6000 bis 8000 Jahren war die Sahara grün.

 

Was heißt das für unsere Zukunft?

 

Die aktuellen Klimamodelle können nur dann brauchbare Vorhersagen machen, wenn sie in der Lage sind, die Vergangenheit richtig abzubilden. Im Rückblick weist vieles darauf hin, dass zum Beispiel eine globale Erwärmung zu feuchteren Verhältnissen in den meisten Trockengebieten führt. In globalen Kaltphasen haben sich die Wüsten dagegen stets ausgedehnt.

Birgit Sommer
© Rhein-Neckar-Zeitung


 

Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
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