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Wege zur demokratischen Erneuerung

30. März 2007

"Die Chance, Bürger zu werden" – Deutsche Politik unter amerikanischer Besatzung: Die "Heidelberger Aktionsgruppe" 1946-47 – Autorin: Katharina Hausmann vom Historischen Seminar der Universität Heidelberg


Direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann in Deutschland die öffentliche Diskussion um den politischen Neuanfang. Auch in Heidelberg – hier war der Krieg mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen am 30. März 1945 beendet – kamen Intellektuelle und Politiker wie Alfred Weber, Alexander Mitscherlich oder Carlo Schmid zusammen, um Wege zu einer demokratischen Erneuerung des Landes zu finden. Ihr Zusammenschluss ging als "Heidelberger Aktionsgruppe" in die Nachkriegsgeschichte ein. Die Heidelberger Historikerin Katharina Hausmann hat sich mit dieser Formation beschäftigt.

Heidelberg nach Kriegsende: Wie sollte es nun weitergehen?
Heidelberg nach Kriegsende: Wie sollte es nun weitergehen?
Foto: Titelbild

Wichtigster Aspekt ihres Buchs – das auf einer Untersuchung am Historischen Seminar der Ruperto Carola basiert – ist der Wille der Aktionsgruppe, künftig die Zivilbevölkerung als politischen Akteur in den Mittelpunkt zu stellen, um solcherart die braune Diktatur zu überwinden. "Um eine unabhängige politische Entscheidungsfähigkeit der Deutschen zu schulen, schuf die ‚Aktionsgruppe' mit der Organisation großer Tagungen demokratische Foren, auf denen politische Neuordnungskonzepte diskutiert und in die Öffentlichkeit gebracht werden konnten. Diese Form der Politik war ideologisch ungebunden und stand in extremem Gegensatz zur Führerverehrung im Nationalsozialismus", meint die Autorin.

Interessanterweise fand diese Arbeit der Aktionsgruppe in der internationalen Presse eine beinahe größere Aufmerksamkeit als im eigenen Land, wo sich die Gruppe vorwerfen lassen musste, zu abstrakt und abgehoben zu arbeiten – jenseits der Realität eben.

Möglicherweise war auch dies mit ein Grund dafür, dass die Aktivitäten nach drei großen Tagungen in Heidelberg und Berlin im Jahre 1947 allmählich nachließen. Indes verweist die Autorin ganz richtig auf den historischen Kontext der sich verfestigenden Machtblöcke sowie auf die sich abzeichnende Westintegration der Bundesrepublik, die der Wiedervereinigung eines neutralen Deutschland entgegenstand. Außenpolitisch sollte Deutschlands dabei vermittelnd zwischen den weltpolitischen Machtblöcken stehen – ein Ziel der Aktionsgruppe, das mit dem beginnenden Kalten Krieg zunehmend in Gefahr geriet.

Am Ende blieb manche Idee der Beteiligten – unter denen sich auch Widerstandskämpfer fanden – auf der Strecke, was auch eine bittere Erfahrung gewesen sein muss. Indes darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gruppe in einer Zeit, in der für viele das nackte Überleben auf dem Spiel stand, den Mut und die Entschlossenheit hatte, mit Nachdruck für die Etablierung der Demokratie einzutreten. Somit machte die Gruppe "in dieser Situation den Versuch, den Deutschen trotz der Niederlage und Besatzung – oder gerade deswegen – das Gefühl der politischen Verantwortlichkeit zu vermitteln und Wege politischer Einflussnahme aufzuzeigen." Vielleicht sollte man sich angesichts gegenwärtiger Politikverdrossenheit gelegentlich an diesen Mut, an diesen Glauben an die Demokratie erinnern.

Heiko P. Wacker
© Rhein-Neckar-Zeitung

 

Info: Katharina Hausmann: "Die Chance, Bürger zu werden". Schriftenreihe des Stadtarchivs Heidelberg. Heft 8. Verlag Regionalkultur Ubstadt-Weiher. 128 S., 31 Abb.; 14,90 Euro.



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