14.07.2002 Prof. Sazava (Prag) - über Ez 37

Predigt über Ez 37 (14.7.2002)

Liebe Gemeinde!

Wir stehen am Abschluss der Predigtreihe über das apostolische Glaubensbekenntnis: Der Satz den wir heute angehen wollen, ist das letzte Wort: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“. Das Credo wendet damit am Ende seinen Blick auf das Ende. Von der Betrachtung der Vergangenheit Gottes, die sich ein seiner Schöpfung vollzog und vollzieht, über die Vergangenheit in Jesus Christus und die Gegenwart der Kirche hinaus thematisiert es die kommende Zeit. Glaube wird damit auch verstanden als eine Kraft, die über das Präsens hinausgeht und Futurum erschließt. Glaube ist geradezu dadurch definiert, dass er auf etwas hofft, was noch nicht sichtbar ist, was erst kommen muss. Insofern geht der Glaube an dieser Stelle sein größtes Risiko ein. Wie soll das gehen: Auferstehung der Toten und ewiges Leben? Wir wollen uns die ungeheuren Dimension des Glaubens an die Auferstehung aber nicht spekulativ erschließen – ein solches Vorgehen hat der Theologie immer Verengungen und Vereinseitigungen beschert – , sondern wir wollen dies gut evangelisch in der Auseinandersetzung mit dem Zeugnis der Bibel tun. Der Ausschuss des Kapitels der Peterskirche, der diese Reihe konzipiert hat, hat als biblische Grundlage den Text aus Ezechiel 37 ausgewählt:

Der Text lautet:

Des HERRN Hand kam über mich, und er führte mich hinaus im Geist des HERRN und stellte mich mitten auf ein weites Feld; das lag voller Totengebeine. 2 Und er führte mich überall hindurch. Und siehe, es lagen sehr viele Gebeine über das Feld hin, und siehe, sie waren ganz verdorrt. 3 Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, meinst du wohl, daß diese Gebeine wieder lebendig werden? Und ich sprach: HERR, mein Gott, du weißt es. 4 Und er sprach zu mir: Weissage über diese Gebeine und sprich zu ihnen: Ihr verdorrten Gebeine, höret des HERRN Wort! 5 So spricht Gott der HERR zu diesen Gebeinen: Siehe, ich will Odem in euch bringen, daß ihr wieder lebendig werdet. 6 Ich will euch Sehnen geben und lasse Fleisch über euch wachsen und überziehe euch mit Haut und will euch Odem geben, daß ihr wieder lebendig werdet; und ihr sollt erfahren, daß ich der HERR bin. 7 Und ich weissagte, wie mir befohlen war. Und siehe, da rauschte es, als ich weissagte, und siehe, es regte sich, und die Gebeine rückten zusammen, Gebein zu Gebein. 8 Und ich sah, und siehe, es wuchsen Sehnen und Fleisch darauf, und sie wurden mit Haut überzogen; es war aber noch kein Odem in ihnen. 9 Und er sprach zu mir: Weissage zum Odem; weissage, du Menschenkind, und sprich zum Odem: So spricht Gott der HERR: Odem, komm herzu von den vier Winden und blase diese Getöteten an, daß sie wieder lebendig werden! 10 Und ich weissagte, wie er mir befohlen hatte. Da kam der Odem in sie, und sie wurden wieder lebendig und stellten sich auf ihre Füße, ein überaus großes Heer. 11 Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, diese Gebeine sind das ganze Haus Israel. Siehe, jetzt sprechen sie: Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren, und es ist aus mit uns. 12 Darum weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf und bringe euch ins Land Israels. 13 Und ihr sollt erfahren, daß ich der HERR bin, wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole. 14 Und ich will meinen Odem in euch geben, daß ihr wieder leben sollt, und will euch in euer Land setzen, und ihr sollt erfahren, daß ich der HERR bin. Ich rede es und tue es auch, spricht der HERR.

Herr segne du unser Reden und segne du unser Hören!

1. Liebe Gemeinde, der Ort, wo der Glaube an die Auferstehung akut wird, ist der Friedhof. Auf den Tag genau vor einem Jahr ist mein Vater gestorben. Ich bin mit meiner jüngsten Tochter, fünf Jahre alt, vor kurzem am Grab gewesen und in ein stilles Gebet hinein sagte klein Debora: „Du Papa, das dauert mir jetzt aber zu lange mit der Auferstehung. Der Opa könnte jetzt doch allmählich wieder rauskommen. Stell dir dich vor, was das für eine Freude wäre, wenn wir nach Hause kommen und der Opa ist wieder da.“ Kindermund tut Wahrheit kund. Eine ganz realistische und ernste Erwartung, dass der Verstorbene in seinen früheren Leib zurückkehrt und mit der Familie wieder am Abendbrottisch sitzen wird: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten.“ Sie kann stündlich passieren. Nun habe ich der kindlichen Phantasie entgegnet, dass die Auferstehung der Toten nicht einzeln geschieht, nicht jeder für sich, sondern alle zusammen zu einer bestimmten Zeit, wie wir nicht kennen, sondern nur Gott. Eine allgemeine Auferstehung aber macht meiner Tochter angst. „Alle kommen zusammen aus den Gräbern heraus? Oh je! Das gibt aber ein Durcheinander.“

Können wir uns eine solche realen Massenauferstehung überhaupt vorstellen? Eine meiner eindrücklichsten Jugend-Erinnerungen ist die Klassenfahrt mit der Schule, ich werde ca. 16 Jahre alt gewesen sein. Wir besuchten von Saarlouis aus die Schlachtfelder von Verdun. Auf dem Soldatenfriedhof symbolisieren 15000 weiße Kreuze die Toten. Die Menge an Kreuzen war äußerst eindrucksvoll und berührte wohl viele von uns. (http://www.fortunecity.de/lindenpark/beuys/249/verdun/gedenkst.htm)

Aber mehr noch das Gebeinhaus von Douaumont. Unter diesem ausladenden Gebäude mit einem großen Turm in der Mitte sind die Gebeine der Soldaten aufbewahrt, für die kein eigenes Grab geschaffen werden konnte, die Ruhestätte von ca. 130.000 Gefallenen der Schlacht um Verdun. (Foto: http://www.rk-limburg.de/rklm/foto/1993/09/93_055.jpg). Knochen – Schädel in rauen Massen. Vermutlich ist es in meiner Erinnerung immer noch mehr geworden. Aber diese Knochenmasse ist für mich das Symbol von Tod und Krieg. Fast so eindrücklich wie Bildes des Grauens aus dem Holocaust. Was wäre, wenn diese alle zusammenrückten?

Auf ein solche Masse von Knochen, eine ganze Ebene voll mit Gebeinen lässt Gott des Propheten in einer Vision schauen.

Angesichts dieses Bildes des Grauens führt er ihn in eine schwierig Lage. Er stellt die Gretchen-Frage: Du Menschenkind, meinst du wohl, daß diese Gebeine wieder lebendig werden? Glaubest du an die Auferstehung der Toten? Was soll Ezechiel sagen.

Israel hat in seiner Glaubensgeschichte eine sehr nüchterne Haltung zum Tod gehabt: Der Tod ist natürliches Ende des Labens. Es nennt ihn den „Weg ohne Wiederkehr“, spricht davon, dass man „zu seinen Vätern versammelt wird“ und die Grabanlagen zeigen, ist das wörtlich gemein: die Knochen der Verstorbenen wurden zusammengesammelt in Ossuarien, Knochenkisten. In Jericho hat man ein Wohnzimmer ausgegraben, wo im Boden die Schädel der Verstorbenen beigesetzt waren. Ale Wege führen zum Reich des Todes, der Scheol, aber keiner aus ihr heraus. Es ist ziemlich moderner Standpunkt, den Israels Glaube vertrat. Was soll Ezechiel beim Anblick der ausgetrockneten Knochen sagen? Muss Ezechiel nicht zugeben: Nein, ich glaube nicht an die Auferstehung! Ezechiel zieht sich aber geschickt aus der Affäre. Er sagt: HERR, mein Gott, du weißt es. Damit bekommt selbst sei Zweifel oder sein Unglaube ein frommes Gesicht.

2. Nun erlebt er etwas Ungeheueres, dass ihm Hören und Sehen zu vergehen drohen. Die Szene ist schon geradezu makaber: Knochen rasseln, rücken zusammen. Der Verwesungsprozess wird umgekehrt. Auferstehung wird als Reanimation, als Wiederbelebung und Wiederbeseelung von toter Materie in extenso vorgeführt. Es ist – um ein modernes Bild zu benutzen – wie die Verfilmung einer Verwesung, die rückwärts gespult wird. Ist Auferstehung ganz nüchtern als ein solcher Vorgang zu begreifen? Werden alle Gräber aufgetan werden und alle Knochen wieder zusammenkommen? Die Szene hat einen grausigen Realismus, und dennoch ist sie nicht realistisch gemeint. Der Text spricht unmissverständlich deutlich aus, dass dies alles ein Symbol ist: fast möchte man sagen: alles nur ein Symbol. eine eindrucksvolle Chiffre, ein farbiges Bild für die Auferstehung der Nation aus den Ruinen des Exils. Du Menschenkind, diese Gebeine sind das ganze Haus Israel. Siehe, jetzt sprechen sie: Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren, und es ist aus mit uns. ... So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf und bringe euch ins Land Israels. Es ist ein Lehrstück der Psychologie. Auferstehung bedeutet, dass ich aus Depressionen aufgerichtet werde. Ezechiel liefert eine Art der Entmythologisierung des Auferstehungsglaubens gleich mit. Auch das könnte man mit dem Friedhof von Verdun schön illustrieren. Jede Nacht leuchtet der Turm über die unvergessenen Schlachtfelder von Verdun. Hier trafen sich 1984 Bundeskanzler Helmut Kohl und Premierminister Francois Mitterand, bevor sie auf den deutschen Ehrenfriedhof gingen. Dort reichten sich die beiden Regierungschefs als Zeichen der Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich die Hände. Wer hätte geglaubt, dass zwei Völker, die sich so bekriegt haben, die so in den Schützengräben eingegraben waren, wieder zusammenkommen können? Die deutsch-französische Freundschaft ist eine Art von Auferstehung, wie Ezechiel sie meint.

Aber damit ist doch auch nicht das gemeint, was wir im Credo bekennen. Man kann sich leicht und gut hinein versetzen in dieses rein symbolische Verständnis der Auferstehung und in ein qualitatives Verständnis von Ewig. Wenn man in die Welt schaut mit Umweltkatastrophen und politischen Desastern, mit religiösen Fronten ohne Aussicht auf Überwindung, mit katastrophalen Seuchen ohne Perspektive auf wirksame Therapie. Da kann man schon manchmal glauben: Es ist aus mit uns. Das Gefühl der Verzweiflung ist das Grab in unseren herzen, in denen wir unser Gottvertrauen begraben haben. Die Wiedergewinnung von Hoffnung, von Energie, etwas anzupacken und grundlegend zu verändern, ist in der Tat eine reale Erfahrung von Auferstehung und ewigem Leben. Es ist gut zu hören, dass Gott die Angst und Hoffnungslosigkeit nehmen will, unter der wir und unsere Lebenslust begraben sind.

3. Der Prophet hat mit seinem Visionen einen weiteren Horizont aufgestoßen, als er selbst weiß. Seine Totenfeldvision ist im Lichte des Neuen Testaments mehr als Symbol. Es geht nicht um die Auferstehung derer, die leben, sondern derer, die tot sind. Es geht um Eröffnung einer postmortalen Existenz., eines Weiterlebens nach dem Tode. Um Neuschaffung.

Seine Vision von der Totenerweckung ist für den christlichen Glauben wirkliche Antizipation dessen, was Gott für jeden Menschen bereitet hat: die persönliche Auferstehung! Im Angesicht des Todes und der Auferstehung Jesu Christi wäre es noch stark unterinterpretiert, wollte man Ezechiel nur zum Zeugen des Nicht-Glaubens an die Auferstehung und der Verkürzung auf die innerseelische Auferstehung reduzieren. Was heißt Glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben? Ist es Realismus oder doch nur Symbol? Wiederspricht das nicht allem, was wir als naturwissenschaftliche gebildete Menschen wissen? Das Zusammenspiel der Atome und Moleküle in unserem Körper ist einmalig, zerbrechlich, unwiederbringlich, wenn das Leben aufhört. Und alles Leben ist endlich und sterblich? Der Glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben übersteigt in der Tat alles naturwissenschaftliches Erklären. Du Menschenkind, meinst du wohl, daß diese Gebeine wieder lebendig werden? Wer kann schon glauben, dass das Vermoderte leben wird, wer kann schon seine Hoffnung darauf setzten, dass das Zerfallene für die Ewigkeit wieder zusammenkommt? HERR, mein Gott, du weißt es. In der Tat kann es nur eine Erklärung geben, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von „Erklärung“ sprechen kann: Das Handeln Gottes. Bei Gott ist der Mensch gespeichert. Wie auf einer gigantischen Festplatte. Bei Gott wird das Wesen des toten Menschen aufgehoben. Das NT ist sehr zurückhaltend in der Schilderung der Auferstehung. Sowohl die Evangelien bei der Auferstehung Jesu als auch Paulus und die anderen Autoren halten sich auffallend zurück in der Ausmalung: es wird eine Mischung aus leiblicher Auferstehung und verwandeltem Auferstehungsleib sein. Gott wird jeden Menschen neu schaffen; unverwechselbar, als er selbst; er wird nicht neue Menschen schaffen. Gott wird nicht irgendetwas schaffen, was dann ewig existiert, sondern er wird personales Sein neu werden lassen; in 1 Kor 15, dem wichtigsten Text zum Thema, spricht Paulus um umgestalten, neu organisieren. Die Art, wie dieses Wunder sich ereignen wird, bleibt ungeklärt. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. 43 Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. 44 Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Mehr erfahren wird kaum. Aber das reicht doch auch. Wir werden personal auferstehen, Debora wird ihren Opa als ihren Opa, meine Vater erkennen können., wir alle werden personal existieren. Wenn wir das Gericht Gottes bestehen auf ewiglich sein.

Der Glaube an die Auferstehung ist nicht nur Vorausgriff in die Zukunft, sondern diese Zukunft strahlt in die Gegenwart hinein. Am Bett eines Schwerkranken steht es sich ganz anders, wenn man sagen kann: Ich glaube an die Auferstehung der Toten. Am Sarg und am Grab fühlt man sich ganz anders, wenn man um das ewige Leben weiß. Dieses Glaubenswissen hat eine ungeheure Wucht. Das Leben vor dem Tod ist nicht das einzige Leben, es ist nicht alles. Über das Sterben hinaus eröffnet sich eine Weiterexistenz. Dieser Glaube ist nicht nur ein Vorausblick in die Zukunft, sondern in Kraftquelle für die Gegenwart.

Der Glaueb an Gottes Verheißungen befreit uns von dem Alpdruck der Sorgen, von dem Grauen vor dem Nichts. Gottes Tun schenkt Mut zum Leben

Und der Friede Gottes ...

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Letzte Änderung: 21.03.2016
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