Formen und Funktionen des Kasualgesprächs

Leitung:

Prof. Dr. Fritz Lienhard

 

Wissenschaftliche Kooperationspartner/Innen:

- PD Dr. Jantine Nierop
- Externer Inhalt Prof. Dr. Holger Eschmann

 

 

Abstract: Projekt zum Kasualgespräch (Englishenglish version)

Kasualien verdichten inszenatorisch einen biographischen Übergang im Leben der Kasualbegehrenden. Der Gottesdienst stellt somit einen performativen Ort her, in welchem der zeitlich gedehnte Übergang gefeiert, erlebt und gedeutet werden kann. Zunehmend vervielfältigen und individualisieren sich gegenwärtig die Gründe für und die Erwartungen an den Kasualgottesdienst – sowohl auf Seiten der Kasualbegehrenden als auch auf Seiten der Pfarrer*innen. Das Kasualgespräch ist der Ort, an dem sich ein dialogisches Aufeinandertreffen der vielfältigen Erwartungen ereignet, die im Hinblick auf die gemeinsam intendierte gottesdienstliche Inszenierung auszuhandeln sind. Dort lernen sich die Kasualbeteiligten kennen, sie tauschen Wünsche, Vorstellungen, Informationen und Erwartungen an den Gottesdienst aus. In der Kasualforschung wurde dem Kasualgespräch, seinen Formen und Funktionen, bis heute vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die maßgeblichen Entwürfe deduzieren vor allem theoretische Kategorien, die in inhaltlich-formaler Hinsicht beschreiben, wie ein ideales Kasualgespräch auszusehen hat (Information/Exploration und Seelsorge). Ähnlich stellt sich die Forschungslage im Hinblick auf die Funktion des Kasualgesprächs und also dessen (ritualtheoretischem) Zusammenwirken mit den anderen kasualpraktischen Dimensionen (Liturgie, Predigt) dar. Erste empirische Untersuchungen der jeweiligen Beteiligtenperspektive haben zwar Einblick in die Pluralität der Erwartungen gegeben. Indessen bildet eine qualitativ-empirische Untersuchung der Gesprächspraktiken im Kasualgespräch jedoch ein Forschungsdesiderat.

(1) Erstrangiges Ziel dieses Projekts ist daher, eine datenbasierte Theorie der Gesprächspraktiken im Kasualgespräch zu entwickeln (Grounded Theory). Damit verbindet sich unter reflexiver Berücksichtigung bestehender Theorien eine wichtige Neuausrichtung der Fragestellung hin zur Art und Weise der empirisch eruierbaren Kommunikation. (2) Sodann lassen sich die Funktionen des Kasualgesprächs nur unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen den verschiedenen kasualpraktischen Dimensionen untersuchen. Deshalb wird in einem zweiten Schritt die Kasualie selbst dokumentiert und auf ihre Interdependenzen mit dem Kasualgespräch hin durchgesehen. Konstitutiv gehören hierzu auch die jeweiligen Erlebnisperspektiven der Pfarrer*innen und Kasualbegehrenden. (3) Schließlich ist die spezifisch rituelle Funktion des Kasualgesprächs im Horizont neuerer Entwicklungen in der Ritualtheorie und deren Heuristika (Agency, Framing usw.) zu reflektieren. Auf diese Weise wird die Deutungsarbeit der Kasualbeteiligten neu zum Gegenstand der Forschung.

Zur Durchführung des Projekts wurde (zum jetzigen Zeitpunkt) eine Kooperation mit den Evangelischen Landeskirche in Baden und der Pfalz sowie der Evangelisch-methodistischen Kirche vereinbart, die zum einen den Feldzugang erleichtert, zum anderen aber auch die Mitwirkung von Pfarrer*innen ermöglicht. Besonders Pfarrer*innen verfügen durch ihre Innenperspektive über wichtiges Expertenwissen zum Kasualgespräch.

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Letzte Änderung: 18.10.2022
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