Der Codex Manesse und die Entdeckung der Liebe

Vorbereitungen für eine Sonderausstellung in der Universitätsbibliothek Heidelberg vom 26. Oktober 2010 - 20. Februar 2011

Die Universitätsbibliothek Heidelberg präsentiert im Rahmen des Stauferjahres 2010 mit dem Codex Manesse ihren wertvollsten Schatz im Original.

 

Die großformatige Prachthandschrift zählt zu den bedeutendsten Handschriften des Mittelalters. Sie entstand zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Zürich vermutlich auf Initiative von Johann und Rüdiger Manesse, die die mittelhochdeutsche Lieddichtung in ihrer gesamten Gattungs- und Formenvielfalt zusammentragen wollten. Die ältesten im Codex versammelten Texte reichen bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück, viele Dichtungen sind hier einmalig überliefert: Der Codex Manesse ist damit eines der Schlüsselzeugnisse für die Literatur und Kultur der Stauferzeit.

Den Texten sind insgesamt 138 Miniaturen vorangestellt, die die Dichter in idealisierter Form porträtieren. Die Anordnung der Liedkorpora orientiert sich am Stand der Autoren. Am Beginn thronen, als vornehmste Dichter, die staufischen Herrscher Kaiser Heinrich VI. und König Konradin. Neben Fürsten und „herren” folgen auch Berufsdichter wie Walther von der Vogelweide oder Wolfram von Eschenbach.

Das die Lieder im Codex Manesse beherrschende Thema ist die Minne, die erotische Liebe zwischen Mann und Frau. Während sie in den Zeugnissen des Frühmittelalters noch keine Rolle spielte, wurde die Liebe in der Stauferzeit als literarisches Sujet entdeckt und zum Gegenstand einer komplexen gesellschaftlichen Diskussion.

Fortan konnte es einem Ritter nicht mehr genügen, die von ihm begehrte Dame zu besitzen, er wollte vielmehr – wie in einer Vielzahl von Texten und Bildern immer neu reflektiert und diskutiert wurde – von ihr geliebt werden. Der Minnediskurs beeinflusste damit nicht nur das Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Er wandelte auch das Selbstverständnis des Adels und die Umgangsformen innerhalb der höfischen Gesellschaft. Die Texte und Bilder des Codex Manesse fangen diesen Wandel exemplarisch ein.

Das Projekt steht im Kontext der großen Mittelalterschau „Die Staufer und Italien“ in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim vom 19.09.2010 bis 20.02.2011.

Die Ausstellung entsteht in Kooperation des Instituts für Fränkisch-Pfälzische Geschichte, des Germanistischen Seminars und der Universitätsbibliothek Heidelberg sowie einer Gruppe engagierter Studierender aus dem Historischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität.

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Letzte Änderung: 12.12.2014