Heidelberger Seminar der Viktor von Weizsäcker Gesellschaft

in Verbindung mit der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik
der Universität Heidelberg vom 7. bis 8. Oktober 2016

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwirft der Heidelberger Neurologe Viktor von Weizsäcker (1886-1957) unter dem Titel „Die Medizin im Streite der Fakultäten“ eine programmatische Skizze zum Ort der Medizin in der Wissenschaftskultur der Moderne. Hierbei ist es die Situation des kranken Menschen, also die Erfahrung von Schmerz und Not, die das Selbstverständnis der Fakultäten einem Wandel unterzieht. Denn im Lichte der Krankheit, der Endlichkeit menschlichen Daseins, bekommt die Frage nach der Wahrheit, nach dem Glauben und dem Recht eine neue und tiefere Dimension. Aber auch das Wesen der Krankheit selber erschließt sich erst im Horizont philosophischer, theologischer und politisch-juristischer Einsichten. Das moderne Deutungsmonopol der Naturwissenschaften verdeckt zwar diesen Streit der Fakultäten in der Medizin, ersetzt ihn aber nicht.

Den transdisziplinären Charakter des Weizsäckerschen Werkes, wie er sich in dieser Skizze zeigt, deutlicher zu akzentuieren, wird die zukünftige Aufgabe der Viktor von Weizsäcker Gesellschaft sein. Hierzu gehört der Versuch, die Gestaltkreislehre als methodisches Paradigma einer nicht-ontologischen Epistemologie des Lebendigen zu verstehen.

Einen besonderen Schwerpunkt des Seminars bildet die „Verdauung des Fremden“. Der gelingende und misslingende Wandel des Fremden in Eigenes steht nicht nur für ein konstitutives Merkmal der Physiologie des Lebendigen, sondern darüber hinaus für die Lebendigkeit und Innovationskraft geistig-kultureller Prozesse überhaupt. Wie jede Krankheit zu einem Wandel des Menschen und seiner Verhältnisse führt, sei dieser noch so unscheinbar, so stehen auch alle Disziplinen im Umgang mit dem kranken Menschen vor der Herausforderung eines Wandels.

Vielleicht sogar hat der besondere Status der Medizin, wie er seit den antiken Anfängen zu denken gibt, immer schon mit einem Wandel des Fremden in Eigenes zu tun? So wird zu prüfen sein, inwieweit Gelingen und Scheitern solchen Wandels nicht nur für das praktisch-ärztliche Vermögen, sondern auch für die conditio humana moderner Medizin stehen.


Kontakt:

Rainer-M. E. Jacobi
Viktor von Weizsäcker Gesellschaft
Medizinhistorisches Institut, Universität Bonn
Sigmund-Freud-Straße 25
53105 Bonn
Tel.: +49 (0) 228 287 15000
Email: rme.jacobi@vvwg.de
 

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Letzte Änderung: 13.07.2016
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