Glück am Ende? Episodisches Erzählen in Mittelalter und Gegenwart

Das Erzählen in Episoden als ein ästhetisches Kompositionsprinzip, das durch variierende Wiederholung im Sinne von Gleichheit, Ähnlichkeit und Differenz strukturell-thematische Grundmuster kenntlich macht und teleologische Erzählordnungen subvertiert, erfährt im Film und in der Literatur seit den 1990er Jahren eine neue Konjunktur. Obgleich es in der Moderne besonders prominent geworden ist, handelt es sich hierbei um kein modernes Phänomen: Im Gegenteil dienten gerade mittelalterliche Erzähltexte, wie beispielsweise der Tristan, als Strukturmodelle, die den theoretischen, zunächst mediävistischen Diskurs über ein Erzählen im Paradigma überhaupt erst initiierten. Die Suche nach Sinn und das Problem des (guten) Endes in einer – vermeintlich? – vom Zufall deregulierten Welt führt zu neuen Modellierungen von Kontingenzerfahrungen und Kohärenzstiftungen. Glück kommt dabei in seiner Doppeldeutigkeit zum Tragen: als ordnungsdestabilisierendes, kontingentes Moment (fortuna), das (äußere) Zeit als Zäsur besonders stark erfahren lässt, sowie als ordnungssuchendes, kohärenzförderndes Moment (felicitas), das ein Gefühl des (inneren) Zeitkontinuums, wenn nicht gar von Zeitlosigkeit evoziert.

Die transatlantische Tagung wagt sich dabei in zweierlei Hinsicht auf neues Terrain: Erstens führt sie mediävistische, neuphilologische und filmwissenschaftliche Theorieansätze und Beispielanalysen zusammen. Und zweitens erweitert sie die narratologischen Theorien um existentialphilosophische Perspektiven. Ein besonderer Glücksfall ist, dass die Büchner-Preisträgerin (2012) und Heidelberger Poetik-Dozentin (2016) Felicitas Hoppe für die Tagung gewonnen werden konnte: Mit ihrer Rezeption mittelalterlicher Stoffe, Strukturen und aventiure-Modelle, mit denen sie narratologisch experimentell verfährt und dabei immer wieder das Happy Ending zum Spielball ihrer episodischen Autofiktionen und Poetiken macht, stellt sie ein ideales Bindeglied der interdisziplinären Tagung dar. Diese führt Vertreter der Psychiatrie/ Existentialphilosophie, internationale Expert/-innen der Narratologie-Forschung, amerikanische und deutsche Nachwuchswissenschaftler/-innen aus der Alt- und Neugermanistik sowie Literaten und Literaturkritiker zusammen.

 

Kontakt:

PD. Dr. Doren Wohlleben
Germanistisches Seminar
Hauptstr. 207-209, 69117 Heidelberg
Tel.: +49 6221 54 3221
Email: doren.wohlleben@gs.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Christian Schneider
Department of Germanic Languages and Literatures
Washington University in St. Louis, Campus Box 1104
One Brookings Drive, St. Louis, MO 63130-4899, USA
Email: christianschneider@wustl.edu

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Letzte Änderung: 23.05.2018
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