Promotionsprojekt zur theologischen Anthropologie Dietrich Bonhoeffers

 

Ziel des Promotionsvorhabens ist es, Dietrich Bonhoeffers theologische Anthropologie und

insbesondere sein Konzept von „Sünde“ aus dessen komplex gelagerten, vielförmigen und teils

fragmentarischen Texten zu erarbeiten. Dabei wird davon ausgegangen, dass diese Rekonstruktion

nur mit Blick auf den heilsgeschichtlichen Gesamtrahmen seines Werkes ertragreich gelingen kann.

Bonhoeffer selbst erhob früh den Anspruch entlang des „realen Gang[s] der Dinge von der Einheit

durch Bruch zur Einheit“ (DBW1, S. 36) die Gemeinschaften korrumpierende Macht der Sünde

theoretisch fassbar machen zu wollen. Dazu entwarf er ein anspruchsvolles Person- und

Sozialitätskonzept, das er letztlich aus einer soziologischen Anwendung der Monadologie Leibniz’

gewinnt. Die (heils-)geschichtliche Anlage seiner Hamartiologie baut er in seinen späteren Schriften

schließlich weiter aus, etwa in der Rede von der „gefallen-fallenden“ Menschheit (DBW3, S. 112).

 

Obwohl nur wenige explizit hamartiologische Arbeiten Bonhoeffers vorliegen, stellt die

Sündenlehre ein durchgängiges Hintergrundthema seiner Schriften dar. Aus diesen wird deutlich,

dass für Bonhoeffer die Sünde ihren Ort in den zwischenmenschlichen Beziehungen und damit – da

diese seiner Ansicht nach vom Gott-Mensch-Verhältnis konstitutiv abhängen – in der

Gottesbeziehung hat. Als „schwerste Sünde“ bezeichnet er daher konsequent den „Unglauben gegen

das Evangelium“ (DBW4, S. 203), das in nuce allein zu begreifen sei als Jesu Auftrag und Zuspruch

des „Sorget nicht!“ (vgl. DBW4, S. 172). Auf verschiedenen Ebenen stelle der Mensch in und durch

seine Selbstsorge Gottes Gebot, Gnade und Fürsorge in Zweifel und fliehe so vor Gott in ein

verzweifeltes Selbst-sein-wollen (Kierkegaard), das im Versuch „durch Sorge sorglos zu werden“

(DBW4, S. 171) scheitern muss. Zwischenmenschlich spiegle sich diese gebrochene Gemeinschaft

mit Gott in einem „ethischen Atomismus“ des Eigensinns und Misstrauens wider (DBW1, S. 70).

Den Ausweg aus der Entzweiung mit Gott und der Isolation innerhalb der Schöpfungswelt könne

der Mensch allein in der Nachfolge Christi finden.

Dem hamartiologischen Schlüsselbegriff der „Sorge“ stellt Bonhoeffer entsprechend den „Verzicht“

(auf eigene Gerechtigkeit, eigenes Richten des anderen, auf Hochmut und den Verzicht auf das, was

die Welt „Glück“ nennt) als soteriologischen Schlüsselbegriff entgegen (vgl. DBW4, S. 101ff.).

Weitere Zentralbegriffe der Anthropologie Bonhoeffers sind neben Sünde und imago dei (als

analogia relationis) die Begriffe Grenze, Offenbarung und Verantwortung.

 

Das Promotionsprojekt will einen Beitrag zur Bonhoeffer-Forschung leisten und einen bisher wenig

beforschten Teilbereich weiter ausleuchten. Es ist geleitet von der Überzeugung, mit der

Sündenlehre Bonhoeffers eine Theorie im Blick zu haben, die angesichts des gegenwärtig

problematischen Zustands des Begriffs „Sünde“ – im theologischen wie säkularen Diskurs –

instruktiv und perspektivenreich ist.

 

Spezifische Fragestellung:

Welches Konzept von Sünde liegt der Theologie Dietrich Bonhoeffers zu Grunde?

In welchen heilsgeschichtlichen Gesamtrahmen ist diese eingebettet?

Welchen konstruktiven Beitrag kann es zur gegenwärtigen theologischen Diskussion leisten?

Birgt es darüber hinaus Klärungspotential hinsichtlich des Sündenbegriffs für Gemeinde und

theologische Laien oder gar den säkularen Diskurs?

– Was heißt „Sünde“?

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